Mantelerlass

Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, kurz Mantelerlass, sieht diverse Massnahmen für die Versorgungssicherheit vor und stellt wichtige Weichen für den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien und den weiteren Weg zum Erreichen der Klimaziele.

Das müssen Sie wissen

  • Um die Energie- und Klimaziele zu erreichen, muss bis 2050 eine Stromlücke von mindestens 37 TWh geschlossen werden. Dafür braucht es einen massiven und raschen Ausbau der erneuerbaren Energien mit besonderem Fokus auf die Winterstromproduktion.
  • Der Mantelerlass stellt richtige Weichen für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Das Parlament muss das Gesetz so rasch wie möglich verabschieden.
  • Im Mantelerlass sind u.a. ambitionierte Ausbauziele definiert sowie Massnahmen vorgesehen, die die Bewilligungsfähigkeit von neuer Energieinfrastruktur verbessern sollen.

Die Versorgungssicherheit ist prioritär und dringlich – und die Winterversorgung ist dabei der Knackpunkt. Für die Umsetzung der energie- und klimapolitischen Ziele braucht es einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien in der Schweiz, mit besonderem Fokus auf die Winterstromproduktion. Zum einen muss der Strom, den die vier Kernkraftwerke in der Schweiz produzieren, infolge des 2017 beschlossenen schrittweisen Ausstiegs aus der Kernenergie vollständig substituiert werden. Zum anderen muss die Schweiz Mobilität, Wärme und Industrie elektrifizieren, um Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Dadurch steigt der Strombedarf. Gemäss der VSE Studie «Energiezukunft 2050» in Zusammenarbeit mit der Empa entsteht dadurch insgesamt eine Stromlücke in der Grössenordnung von mindestens 37 TWh.

Der Mantelerlass setzt die Weichen für eine erneuerbare Stromversorgung

Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, welches eine Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes umfasst und Mantelerlass genannt wird, setzt wichtige Akzente und stellt richtige Weichen für einen schnellen und starken Ausbau der erneuerbaren Energien, die Stärkung der Stromversorgungssicherheit und den weiteren Weg hin zur Erreichung der Klimaneutralität. Unter Anderem:

  • Ausbauziele generell: Die erneuerbaren Energien ohne Wasserkraft sollen 35 TWh bis 2035 und 45 TWh bis 2050 liefern. Die Wasserkraft soll ihre Produktion auf 37,9 TWh im 2035 und auf 39,2 TWh im 2050 steigern.
  • Ausbauziele Winterstromproduktion aus erneuerbaren Energien: Sie soll bis 2040 um 6 TWh ausgebaut werden, wovon 2 TWh sicher abrufbar aus Speicherwasserkraft sein müssen. Entsprechende Projekte werden im Gesetz explizit aufgeführt (siehe auch runder Tisch Wasserkraft).
  • Nationales Interesse für Grossanlagen: Für Produktionsanlagen ab einer bestimmten Grösse gilt nationales Interesse. Ihre Realisierung geht Interessen von kantonaler, regionaler und lokaler Bedeutung vor.
  • Verbesserung Bewilligungsfähigkeit: Anlagen ausserhalb der Bauzone erhalten bessere Rahmenbedingungen. So steigen die Chancen, dass z.B. Photovoltaik- oder Biomasseanlagen im Landwirtschaftsgebiet überhaupt bewilligt werden können.
  • Ausweitung Förderinstrumente: Damit der Ausbau der erneuerbaren Energien vorankommt, werden die Förderinstrumente um eine gleitende Marktprämie ausgeweitet.
  • Energieverbrauchsreduktion: Der Energieverbrauch pro Person und Jahr soll bis 2035 um 13 % und bis 2050 um 5 % gegenüber 2000 gesenkt werden. Zudem soll der Stromverbrauch für die Versorgungssicherheit im Winter mithilfe von neuen Effizienzinstrumenten um 2 TWh reduziert werden.

Stand der Dinge: Das Parlament muss den Mantelerlass rasch verabschieden

Noch ist der Mantelerlass nicht unter Dach und Fach. Das Gesetz wird voraussichtlich in der Herbstsession im September 2023 verabschiedet (Differenzbereinigung). In Kraft treten werden das Gesetz und die entsprechenden Verordnungsbestimmungen, die im Verlauf von 2024 erarbeitet werden müssen, frühestens am 1. Januar 2025.

Der Mantelerlass setzt wichtige Akzente und stellt richtige Weichen für einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Stärkung der Stromversorgungssicherheit (vor allem auch im Winter) und den weiteren Weg hin zur Erreichung der Klimaneutralität. Der VSE fordert, dass das Parlament das Gesetz rasch verabschiedet, und nicht durch zusätzliche ideologische Partikularinteressen, die das Fuder überladen, gefährdet wird. Der Mantelerlass muss jetzt zum Abschluss kommen, um frühestmöglich seine Wirkung entfalten zu können.

Letzte offene Differenzen

Der Mantelerlass ist inhaltlich auf gutem Weg. In drei wesentlichen Punkten kann das Gesetz aber noch besser werden:

  • Die Durchschnittspreismethode ist kein Zukunftsmodell und muss deshalb aufgehoben werden. Eine Ablösung der Durchschnittspreismethode durch eine Regelung, welche die Beschaffungsportfolios für die Kundensegmente trennt (Beschaffung für Grundversorgung von anderen Beschaffungen klar trennen) und für die Grundversorgung eine möglichst risikoarme Beschaffung vorgibt, ist der richtige Weg.
  • Das Effizienzmodell muss pragmatisch angepasst werden. Die Effizienz kann und muss für die Versorgungssicherheit einen essenziellen Beitrag leisten. Es existieren bereits Instrumente, um diesen Beitrag zu vergrössern. Diese müssen weiterentwickelt werden, statt neue einzuführen, die bestehende konkurrenzieren.
  • Auf die Liberalisierung des Messwesens muss verzichtet werden. Eine Liberalisierung des Messwesens wäre für das Gesamtsystem kostentreibend, unverhältnismässig und kontraproduktiv. Eine Liberalisierung des Messwesens würde auch dem Smart-Meter-Rollout schaden, da sie ganz allgemein bei der Digitalisierung der Netze grosse Unsicherheiten schafft. Dies läuft den Zielen des Mantelerlasses und einer sicheren erneuerbaren Energieversorgung zuwider.

VSE Präsentation «Mantelerlass» (exklusiv für Mitglieder)

Wichtige Beschleunigungsvorlage ergänzt den Mantelerlass

Mit der Beschleunigungsvorlage, die im Juni 2023 dem Parlament überwiesen wurde, schlägt der Bundesrat Massnahmen vor, die die Verfahren für die Bewilligung von erneuerbaren Energieprojekten beschleunigen sollen. Für Wind- und Solarkraftwerke von nationalem Interesse soll es neu ein konzentriertes kantonales Plangenehmigungsverfahren geben. Dieses sieht vor, dass ein Projekt sämtliche Bewilligungen in einem einzigen Verfahren erhält, und dies innerhalb von sechs Monaten nach Einreichung sämtlicher Unterlagen. So wird vermieden, dass die Bewilligung in mehrere Etappen aufgeteilt ist und jede Entscheidung bis vor Bundesgericht angefochten werden kann. Die Plangenehmigung wird vom Kanton erteilt, die Gemeinden müssen aber frühzeitig miteinbezogen werden.

Weiter sieht die Beschleunigungsvorlage vor, dass Beschwerden gegen die Plangenehmigung und gegen Bewilligungen von Wasserkraftwerken nur noch beim oberen kantonalen Gericht und beim Bundesgericht geführt werden können, wobei die Gerichte innerhalb von 180 Tagen entscheiden sollten.

Die Kantone definieren in ihren Richtplänen zudem geeignete Gebiete für Wind und Photovoltaik bzw. Gewässerstrecken für Wasserkraftanlagen. In solchen Gebieten entfällt die Notwendigkeit einer projektbezogenen Grundlage im Richtplan.

Und auch bei den Stromübertragungsnetzen soll es mehr Tempo geben. In Zukunft soll im Rahmen des Sachplanverfahrens direkt ein Planungskorridor festgelegt werden (statt wie bisher zuerst ein Planungsgebiet). Es ist notwendig, dass die Weiterentwicklung der Stromnetze im Gleichschritt mit dem Produktionsausbau erfolgt. Im schlechtesten Fall kann nämlich eine neue Produktionsanlage nicht in Betrieb gehen, weil die Netzkapazitäten fehlen.