Photovoltaikanlagen in überbauten Gebieten

22.03.2023
Zur Bewältigung der Energiekrise muss in Solarenergie investiert werden. Während heftig über Vorhaben in den Alpen diskutiert wird, unterstützen die Energieunternehmen Innovationen in überbauten Gebieten. Für eine rasche CO₂-Neutralität der Schweiz gilt es, an mehreren Fronten zu handeln.

Die Herausforderung ist gross. Im Hinblick auf das Risiko einer Strommangellage und die Elektrifizierung der Mobilität muss mehr Strom rascher produziert werden. Gegen die laufenden Grossprojekte opponieren die Umweltverbände wegen des Landschaftsschutzes und der Biodiversität. Um die Dringlichkeit der Lage zu entschärfen, muss der Fokus daher gleichzeitig auf die Siedlungsgebiete gelegt werden.

Die Elektrizitätsunternehmen schöpfen ihre Innovationskraft aus und arbeiten an mehreren Fronten. Die Entwicklung der Solarenergie birgt ein grosses Potenzial, weshalb sie voranzutreiben und das Netz gleichzeitig an diese Vielzahl an Stromeinspeisungen anzupassen ist. Eine Herausforderung für die kommenden Jahre.

Doch es gibt zahlreiche Möglichkeiten – nehmen wir einige Schlüsselinfrastrukturen unter die Lupe.

Parkhäuser und Tankstellen

Die Produktion dort ansiedeln, wo Autos geladen werden. Eigentlich ganz logisch, nicht nur, weil der Strom teilweise dort genutzt wird, wo er produziert wird, sondern auch, weil Autofahrerinnen und Autofahrer ihre Wartezeit nutzen können. Grosse Ladenketten profitieren bereits von dieser Lücke, die Potenzial bietet: Das Einkaufszentrum Chablais Centre erzeugt mit einer 9487 m2 grossen Fläche mit PV-Modulen beispielsweise 1,8 GWh Strom pro Jahr.

Werden Autofahrerinnen und Autofahrer dazu angeregt, ihr Fahrzeug vor einem Laden aufzuladen, ist dies gleichzeitig eine Motivation, die Wartezeit für Einkäufe zu nutzen. Deshalb ist es sinnvoll, wenn sich auch Tankstellen entsprechend weiterentwickeln. Mit der Bereitstellung von Lademöglichkeiten können Mineralölunternehmen nicht nur Anteile am Stromerzeugungsmarkt, sondern auch im Detailhandel gewinnen. Die Elektromobilität stellt für das Netz eine Herausforderung dar und ist für den Handel ein Glücksfall.

Strasseninfrastruktur

Im September 2022 hat das ASTRA eine Ausschreibung lanciert. Die vorhandenen Flächen entlang der Autobahnen und Nationalstrassen sollen möglichst rasch genutzt werden. Betroffen sind rund 350 Lärmschutzwände und 100 Rastplätze. Die vergebenen Lose müssen innert drei Jahren ab Vertragsunterzeichnung umgesetzt werden. Das Potenzial des Projekts wird auf 55 GWh pro Jahr geschätzt.

Aber warum sollen nur die Flächen entlang der Autobahnen genutzt werden und nicht die gesamte Fläche, indem die Fahrbahnen überdacht werden? Genau das sieht das Projekt des Start-ups EnergyPier vor. Das Konzept verbindet Photovoltaik- und Windenergie, was den Schätzungen des Unternehmens zufolge eine Jahresproduktion von über 50 GWh ermöglichen würde. Allerdings wurden gegen diese Lösung, die in Fully getestet werden sollte, zahlreiche Beschwerden eingereicht, vor allem wegen der Auswirkungen auf die Landschaft.

Bleibt also noch die Idee, die Strassen selbst mit PV-Belägen auszustatten. Einige Modelle sind bereits im Handel, aber diese Beläge eignen sich nur für unterhaltsarme Abschnitte.

Bahninfrastruktur

Im Bahnnetz wären die Auswirkungen auf die Landschaft beschränkt. Die Herausforderung besteht jedoch darin, eine Möglichkeit zur Stromerzeugung zu finden, gleichzeitig aber sicherzustellen, dass regelmässige Unterhaltsarbeiten möglich sind. Die Lösung von Sun-Ways behebt dieses Problem dank einem Schienenfahrzeug, das die Module reihenweise platziert oder entfernt.

«Diese Technologie scheint auf kurze Sicht am vielversprechendsten zu sein, da sie spezifisch auf Standard-PV-Module ausgelegt ist.»
Michèle Cassani, Romande Energie

Der erste Testabschnitt wird im Val-de-Travers auf einer Linie von TransN umgesetzt, mit der Unterstützung von u. a. Viteos, SIG und Romande Energie. Da die Schweiz über ein rund 7000 km langes Schienennetz verfügt, hat diese Technologie Potenzial. Es könnte eine Jahresproduktion von 1 TWh erreicht werden.

Industriegebiete und Landwirtschaftsflächen

In Industriegebieten ist Landschaftsschutz kaum ein Hindernis. Dächer, Fassaden, angrenzende Flächen – sie können alle mit PV-Modulen bestückt werden. Vorteilhaft ist, dass die vorhandene Industrie und die Unternehmen den Strom vor Ort benötigen. In Cressier werden Varo Energy und Groupe E einen Park mit 19'000 Modulen in Betrieb nehmen, der über 60 Prozent des Bedarfs der Raffinerie abdecken wird. Ein weiteres Beispiel für ein Projekt, das mit Viteos entwickelt wurde: Die ARA in Neuenburg wird vor Ort die für ihren Betrieb benötigte Energie produzieren. Die Autarkie der ARA wird mit den Gebäudedächern, der «Photovoltaikwelle» über den Becken und dem Biogas, das von der Vergärungsanlage erzeugt wird, erreicht.

Strom erzeugen und gleichzeitig eine Fläche landwirtschaftlich nutzen ist eine sinnvolle Möglichkeit. Der Solarpark La Boverie in der Nähe von Payerne beherbergt seit 2015 seltene Schafrassen, erzeugt aber gleichzeitig 6,6 GWh pro Jahr.

Dank Agrivoltaik wird auch die landwirtschaftliche Produktion begünstigt. Das Lausanner Start-up Insolight hat seit 2021 in einer Partnerschaft mit Romande Energie und Agroscope Conthey Kunststofftreibhäuser durch besondere Photovoltaikmodule ersetzt, die das von den Erdbeer- und Himbeerpflanzen benötigte Sonnenlicht durchlassen. Das Potenzial für solche Produktionsstandorte beläuft sich auf 5 Gigawatt Peak und würde für die Versorgung von 1,2 Millionen Haushalten reichen.