Die Energieversorgung der Schweiz im Jahr 2050

Wie erreicht die Schweiz ihre Energie- und Klimaziele und zu welchen Kosten? Mit welchen Technologien sichert sie in Zukunft die Winterversorgung? Bleibt sie unter dem Strich Stromimporteurin? Und welche Rolle spielt dereinst Wasserstoff in der Stromversorgung?

Alle Resultate der «Energiezukunft 2050» im Überblick 

Mit der «Energiezukunft 2050» wird erstmals das Gesamtenergiesystem unter Berücksichtigung aller Sektoren und der umliegenden Länder modelliert. Die Simulation des Gesamtenergiesystems bis ins Jahr 2050 ist eine komplexe Angelegenheit mit vielen spannenden Aspekten. Auf dieser Seite sind die zentralen Ergebnisse der «Energiezukunft 2050» sowie diverse Spotlights – Vertiefungen zu einzelnen Aspekten des Gesamtenergiesystems – aufgeführt. Sämtliche Ergebnisse der «Energiezukunft 2050» wurden am 13. Dezember 2022 veröffentlicht.

 

Studienbericht   Die 12 zentralen Ergebnisse   Spotlights

Präsentation Studienergebnisse

Die 12 zentralen Ergebnisse der «Energiezukunft 2050»

1. Ohne massiv beschleunigten Zubau und massive Steigerung der Effizienz, fokussierten Um- und Ausbau der Netze sowie einem engen Energieaustausch mit Europa erreichen wir die Energie- und Klimaziele nicht.

Je nach Ausprägung der beiden übergreifenden Dimensionen (Schweiz im energiepolitischen Verhältnis zu Europa / Akzeptanz neuer Energieinfrastruktur) sind die Voraussetzungen zur Zielerreichung in den entsprechenden Szenarien besser oder schlechter. Die aktuelle Zubaugeschwindigkeit von Photovoltaik (PV) und insb. Windkraft wird nicht ausreichen, um die Energie- und Klimaziele der Schweiz bis 2050 zu erreichen und die Schweiz müsste weiterhin partiell auf fossile Energien abstützen. Nur bei der PV reicht die aktuelle Zubaugeschwindigkeit der letzten zwei Jahre in den offensiven Szenarien gerade aus, um den geforderten Zubau bis 2040 zu erreichen, während in den defensiven Szenarien bis zu 7 GW oder 20% fehlen werden. Bei der Windkraft, die zurzeit praktisch gar nicht ausgebaut wird, werden in den offensiven Szenarien bei der heutigen Zubaugeschwindigkeit 2050 rund 1.2 GW fehlen.  

2. Der Strombedarf in der Schweiz wird zunehmen.

Der Basisstrombedarf der Schweiz wird bis 2050 aufgrund verbesserter Technologie und Effizienzmassnahmen leicht sinken. Die Substitution von fossilen Energieträgern in Verkehr und Wärme führt trotzdem zu einem stark steigenden Elektrizitätsbedarf von heute 62 TWh auf 80 bis 90 TWh im Jahr 2050. Je nach Szenario entspricht das einem Anstieg von 25-40%. Aufgrund des steigenden Strombedarfs und der sukzessiven Stilllegung der schweizerischen Kernkraftwerke bis 2044 entsteht eine Produktionslücke von 37 TWh, die durch den Zubau neuer Anlagen aufgefüllt werden muss. 

3. Hohe Akzeptanz für neue Energieinfrastruktur und enge Energiekooperation mit der EU schaffen beste Voraussetzungen für die Versorgungssicherheit und das Erreichen der Energie- und Klimaziele zu den geringsten Kosten.

Im «offensiv-integrierte Szenario sind die jährlichen Systemkosten mit rund 24 Mia. CHF am tiefsten und die Stromimportabhängigkeit im Winter mit rund 7 TWh (19% des Bedarfs Winterhalbjahr) ebenfalls relativ gering. Im Gegensatz dazu betragen die Kosten im Szenario «defensiv-isoliert» rund 28 Mia. CHF und die Importabhängigkeit beim Strom beträgt rund 9 TWh (22% des Bedarfs Winterhalbjahr). Insgesamt schafft das Szenario «offensiv-integriert» für die Schweiz die robusteste Energieversorgung. 

4. Ein umgebautes Energiesystem ist aufgrund der erhöhten Effizienz günstiger als der Status quo.

Dies gilt insbesondere für die offensiven Szenarien. Der Ersatz des heutigen Imports fossiler Brennstoffe durch Elektrizität führt szenarioabhängig zu Reduktionen der jährlichen Systemkosten um 1 bis 5 Mia. CHF.  Damit wird die Effizienz erheblich gesteigert, weil Stromanwendungen effizienter sind als Verbrennungsprozesse. Noch nicht berücksichtigt ist dabei der Aus- und Umbau des Stromnetzes.  

5. Der Umbau des Energiesystems reduziert die Importabhängigkeit bei der Energie der Schweiz insgesamt um den Faktor 4 bis 6.

Heute liegt die Importabhängigkeit bei 79% von total 259 TWh Primärenergiebedarf. Im Jahr 2050 sinkt dieser Importanteil je nach Szenario auf 30-42% von total 115-132 TWh Primärenergiebedarf, was die absolute Importabhängigkeit um den Faktor 4 bis 6 reduziert. Dies wird durch die Elektrifizierung, welche eine höhere Systemeffizienz bewirkt, die Effizienzsteigerung auf der Nachfrageseite1 und den Ausbau der inländischen Energieerzeugung möglich. 

6. Die Schweiz bleibt Stromimporteurin.

Im Winter muss weiterhin Strom importiert werden. Die Importabhängigkeit im Winter steigt im Szenario «offensiv-integriert» von heute 3 TWh auf 7 TWh, im Szenario «defensiv-isoliert» müssen 9 TWh Winterstrom importiert werden. Die Importproblematik wird sich um das Jahr 2040 zwischenzeitlich verschärfen, weil dann noch keine Wasserstoffinfrastruktur besteht, die Schweizer Kernkraft bereits zum Grossteil vom Netz sein wird, und der Strombedarf durch die fortschreitende Elektrifizierung ansteigt. 

7. Klimaneutralität ist nur über eine umfassende Elektrifizierung möglich.

In allen vier Szenarien bedingt die Klimaneutralität den Ersatz fossiler Treib- und Brennstoffe durch Elektrizität, insbesondere im Verkehr und im Wärmebereich. Dadurch kann in allen Szenarien eine Minimierung der inländischen Treibhausgase von heute 35 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten auf 2.6 bis 3.3 Mio. Tonnen erreicht werden. Um Netto-Null zu erreichen, sind zusätzliche Massnahmen mit dem Einsatz von Negativemissionstechnologien nötig, wie z.B. CO2-Abscheidung in Kehrichtverwertungsanlagen oder direkt aus der Luft (Direct-Air-Capture). Die zusätzlichen Kosten dafür betragen CHF 3 bis 3.5 Mia. pro Jahr und sind in den Systemkosten berücksichtigt. 

8. Wasserkraft bleibt die tragende Säule im schweizerischen Energiesystem.

Sie wird in allen Szenarien mit rund 35 TWh die Stromerzeugung dominieren. In den offensiven Szenarien können rund 2 TWh Wasserspeicher zugebaut werden, was die Wintersicherheit des Energiesystems erhöht. 

9. Alpine Photovoltaik und Windkraft bringen für die Stromversorgung im Winter wesentliche Vorteile.

Die Erzeugung aus alpinen PV-Freiflächenanlagen beträgt 2050 in den offensiven Szenarien rund 2 TWh, die Windproduktion beträgt rund 3 TWh. Der Stromimport wird durch diese Anlagen reduziert. Sie leisten damit einen substanziellen Beitrag zur Winterstromversorgung. 

10. Wasserstoff kann zu einem essenziellen Element der schweizerischen Energieversorgung werden.

Der Import von grünem Wasserstoff über die entstehende europäische Wasserstoffinfrastruktur kann neben Wasserkraft und PV zu einer tragenden Säule der Energieversorgung im Winter werden. Im Szenario «offensiv-integriert» liefern mit Wasserstoff betriebene Gaskraftwerke rund 13 TWh Elektrizität ganzjährig, davon 9 TWh im Winter, und decken damit rund 20% des Winterbedarfs. Der Zubau neuer Kernkraftwerke, wie Small-Modular-Reactors (SMR), ist unter den Bedingungen eines «H2-Backbone EU» nicht wirtschaftlich, weil die mit Wasserstoff betriebenen Gaskraftwerke den Bedarf flexibler und günstiger decken können. 

11. Versorgungssicherheit bedingt Backup-Kraftwerke und Speichervorhaltung.

Das zukünftige Energiesystem wird zu einem grossen Teil von wetterabhängiger erneuerbarer Produktion wie PV und Windkraft versorgt. Um unter diesen Bedingungen die Versorgungssicherheit aufrecht erhalten zu können, sind Backup-Kraftwerke und Speichervorhaltungen nötig. Die Kosten dafür betragen rund 1 Mia. CHF pro Jahr und sind in den Systemkosten integriert. 

12. Der Umbau des Energiesystems bedingt einen Um- und Ausbau des Stromnetzes.

Die PV wird mit einer Produktion von 18 TWh im Szenario «offensiv-integriert» bis zu 28 TWh im Szenario «defensiv-isoliert» massiv ausgebaut, hauptsächlich dezentral auf Dächer. Zusammen mit der Elektrifizierung des Verkehrs und der Wärmeanwendungen bedingt das einen Netzausbau und -umbau vor allem auf den unteren Netzebenen. Auch der Ausbau der alpinen PV bedingt den Bau von entsprechenden Zuleitungen. Dieser Netzausbau ist in der vorliegenden Studie noch nicht berücksichtigt und wird in einer weiterführenden Studie des VSE im Jahr 2023 untersucht. 

Spotlights

Alpine PV und Wind

Energie aus Sonne und Wind spielt in der Schweizer Energieversorgung eine zunehmend wichtige Rolle. Um Emissionsziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit – speziell im Winter – zu erhöhen, muss bis 2050 ein signifikanter Anteil des Energiebedarfs der Schweiz aus Sonnen- und Windenergie stammen.

Wasserstoff

Die Ergebnisse der «Energiezukunft 2050» zu Wasserstoff zeigen, dass dieser Energieträger in der Schweiz nicht nur einen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten kann, sondern auch zur Versorgungssicherheit im Winter.

Systemkosten

Den Modellberechnungen zufolge werden die Systemkosten von heute rund 29 Mia. CHF pro Jahr in drei der vier Szenarien – trotz zukünftig erhöhten Investitionsbedarfs – langfristig spürbar abnehmen.

Flexibilität

Im Energiesystem steht ein Paradigmenwechsel an. Anstelle von wenigen grossen Flexibilitäten im Stromsystem werden zukünftig viele flexible Mengen auf verschiedenen Spannungsebenen, vor allem dezentral benötigt.

Elektromobilität

Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist alternativlos, wenn die Schweiz ihre Klimaziele erreichen will. Die Elektromobilität wird die Strassen der Zukunft dominieren. Elektrizität wird Benzin und Diesel bis ins Jahr 2050 verdrängt haben.

Wasserkraft

Wasserkraft bleibt die tragende Säule im Schweizer Energiesystem. Das Potenzial zum Ausbau ist zum grossen Teil schon ausgeschöpft. Das trifft vor allem auf die Laufwasserkraft zu. Bei der Speicherwasserkraft sieht es jedoch anders aus.

Basisstrom

Die Berechnung des konventionellen Basisstromverbrauchs ist die Basis für den Bedarf an Kraftwerken oder Importkapazitäten in der Schweiz. Im Spotlight «Basisstrom» werden die diesbezüglich für die «Energiezukunft 2050» zugrunde liegenden Annahmen aufgeführt.

Integrales Energiesystemmodell

Um Entwicklungspfade für das heutige Energiesystem hin zu einem wirtschaftlichen, nachhaltigen und zuverlässigen zukünftigen Energiesystem zu evaluieren, ist eine gesamtheitliche Betrachtung unerlässlich.

Gebäudeparkmodell

Der saisonale Gesamtenergiebedarf des schweizerischen Gebäudebestandes wird mithilfe von stündlichen Simulationen basierend auf repräsentativen stündlichen Profilen für die thermische Energie und den Elektrizitätsbedarf berechnet.