Die Dezentralisierung ist in vollem Gange

14.03.2023
Der Ausbau der Energieproduktion aus erneuerbaren Energiequellen ist ein zentraler Pfeiler, um die gefassten Energie- und Klimaziele zu erreichen. Obwohl eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung die Notwendigkeit dieses Ausbaus anerkennt und auch befürwortet, rufen grosse Ausbauprojekte noch immer regelmässig Widerstand und Obstruktion hervor. Im Schatten dieser grossen Projekte nimmt der PV-Ausbau auf Dach- und Fassadenflächen unterdessen immer mehr Fahrt auf.

Sei es eine Staumauer an der Trift, eine Windkraftanlage auf dem Grenchenberg oder eine Freiflächen-Solaranlage in Gondo – Infrastrukturprojekte haben es grundsätzlich schwer. Jeder Ausbau ist ein Eingriff in die Umwelt. Um diese Eingriffe so verträglich wie möglich zu gestalten, werden bei Ausbauprojekten Vertreter von Landschaft- und Umweltschutzorganisationen bereits in einer frühen Phase einbezogen. So können deren Anliegen gebührend berücksichtigt werden und in die Planung einfliessen.

Richtige und wichtige Abwägung zwischen Schutz und Nutzen

Diese Abwägung zwischen dem Nutzen, den eine solche Anlage hat, und dem Schutz der Umwelt ist sinnvoll und richtig. Die avisierten Klimaziele können schliesslich nur erreicht werden, indem die Energieproduktion aus fossilen Energieträgern eingestellt und durch Energie aus erneuerbaren Quellen ersetzt wird. Aber dies bedingt den umfassenden Ausbau von Produktionsanlagen für erneuerbare Energien; zumal der Strombedarf vor allem in den Bereichen Mobilität und Heizen stark zunehmen wird.

Schaut man sich die Entwicklung bei der Elektromobilität an, wird klar, dass dieser Ausbau eher früher als später erfolgen sollte. Das hat jüngst auch das Parlament – wohl auch unter dem Eindruck eines akzentuierten Strommangellagen-Risikos im letzten Herbst – erkannt und mit einer Solar- und einer Windoffensive den steinigen Weg für solche Projekte etwas geebnet. Wie viel Auftrieb diese zeitliche begrenzte Unterstützung dem Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen effektiv verleiht, bleibt abzuwarten. Aber es ist ein wichtiges Zeichen der Politik, dass sie den eingeschlagenen Weg unterstützt und beschleunigen will.

Die grossen Projekte, wie zum Beispiel die geplante Freiflächen-PV-Anlage beim Flughafen Bern-Belp oder die hochalpine PV-Anlage in Grengiols, generieren grosse mediale Aufmerksamkeit. Im Schatten dieser Aufmerksamkeit geht oft unter, dass sich der Ausbau der PV-Produktion mitnichten auf grosse Projekte beschränkt. Von der Öffentlichkeit quasi unbemerkt, hat der Ausbau im Bereich kleiner PV-Anlagen zuletzt viel Fahrt aufgenommen. Indes, seine Höchstgeschwindigkeit hat er wohl noch nicht erreicht.

Immer mehr installierte Leistung

Zwar wird die BFE-Statistik der erneuerbaren Energien für 2022 erst Mitte Jahr vorliegen, aber ein Blick in die Statistik des Vorjahres zeigt diese Entwicklung deutlich auf. 2021 wurde eine PV-Leistung von 705 MW verkauft, was einem neuen Zubau-Rekord entspricht. Gegenüber 2019 habe sich der Zubau mehr als verdoppelt und gegenüber 2017 – damals hatten die Stimmbürgerinnen und -bürger die Energiestrategie angenommen – fast verdreifacht, schreibt das BFE.

Gemäss Energieperspektiven 2050+ sollten im Jahr 2035 über 20 Prozent des Stromendverbrauchs in der Schweiz durch Energie aus Sonnenkraft gedeckt werden. Nötig wäre dafür laut Bund ein jährlicher PV-Zubau von 750 MW. Dieser Wert dürfte 2022 bereits deutlich übertroffen werden: Beim BFE rechnet man mit 950 MW bis 1 GW. Und aufgrund der Einführung des neuen Förderinstruments der hohen Einmalvergütung für Anlagen ohne Eigenverbrauch geht das BFE auch für 2023 nochmals von einer markanten Steigerung des Zubaus aus. Die Einmalvergütung fördert mit bis zu 60 Prozent PV-Anlagen auf Dächern von Gebäuden mit wenig Stromverbrauch (Scheunen oder Lagerhallen) sowie auf Infrastrukturbauten.

Immer mehr PV-Anlagen mit weniger als 100 kW Leistung

Dass dieser massive Ausbau zu einem grossen Teil auf kleine PV-Anlagen auf Dächern und an Gebäuden und Infrastrukturen zurückzuführen ist, zeigt die Anmeldestatistik bei Pronovo. Das Unternehmen ist für die Abwicklung der Förderprogramme des Bundes für die Stromproduktion aus neuen erneuerbaren Energien zuständig. Wer also Fördergelder für eine PV-Anlage beantragen möchte, kann dies via Pronovo-Website tun.

Die untenstehende Anmeldestatistik zeigt die angemeldete Leistung, und zwar aufgeschlüsselt pro Monat und Grösse der Anlage. Dabei wird zwischen kleinen und grossen Anlagen unterschieden: PV-Anlagen mit einer Leistung von unter 100 kW erhalten eine Einmalvergütung für kleine PV-Anlagen (KLEIV), während Anlagen ab 100 kW Leistung eine Einmalvergütung für grosse PV-Anlagen (GREIV) erhalten. Aus der Grafik wird ersichtlich, dass beispielsweise im Dezember 2022 eine Leistung von insgesamt 84 MW (was gleichzeitig die bisherige Rekordmarke bedeutet) zur Förderung angemeldet worden war. Mehr als die Hälfte dieser Leistung stammt aus kleinen PV-Anlagen, also Installationen auf Dächern und Fassaden.

Die Entwicklung der eingegangenen Gesuche um Einmalvergütung für PV-Anlagen. Quelle: Pronovo

Noch deutlicher zeigen in der Grafik die Säulen für die ersten beiden Monate im laufenden Jahr diese Entwicklung auf: Sowohl im Januar als auch im Februar ist der Anteil der kleinen Anlagen, welche bei Pronovo angemeldet wurden, deutlich höher als jener der grossen Anlagen. Bis Ende Februar wurde eine Leistung von 87,71 MW aus Kleinanlagen angemeldet. Demgegenüber steht eine angemeldete Leistung von 54,21 MW aus Grossanlagen.

Bestandsbauten werden mit PV-Anlagen ausgerüstet

Diese Zahlen zeigen, dass der Ausbau von Produktionsanlagen für erneuerbare Energien in vollem Gange ist, auch wenn dies ob des medienwirksamen Getöses, welches Befürworter und Gegner rund um grosse Anlagen bisweilen veranstalten, noch nicht so stark wahrgenommen wird. Gleichzeitig wird damit auch ein gewichtiges Argument der Gegnerschaft von grossen Freiflächen- oder Alpin-PV-Anlagen entkräftigt: die Forderung, dass erst Bestandsbauten mit PV-Anlagen ausgerüstet werden sollen. Dies geschieht bereits in erheblichem Umfang – und es wird tendenziell mehr. Die Dezentralisierung der Energieversorgung ist also bereits in vollem Gange. Nun muss «nur» noch das Netz für diese neuen Anforderungen fit gemacht werden. Aber das ist eine andere Geschichte…