«Wir müssen nicht zaubern, aber Chancen nutzen»

Am 14. Schweizerischen Stromkongress vom 16./17. Januar 2020 im Kursaal Bern trafen sich rund 400 Vertreter aus Energiebranche, Politik und Forschung zum jährlichen Stelldichein. Geadelt wurde die Veranstaltung in diesem Jahr durch das Keynote-Referat von Energieministerin und Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga.
17.01.2020
Sommaruga

Die Uvek-Vorsteherin rief die Branche zur Zusammenarbeit mit Behörden und Politik auf, um die anstehenden Herausforderungen gemeinsam zu meistern. Sowohl der Klimawandel als auch das Stromabkommen mit der Europäischen Union seien zwar schwierige, aber doch lösbare Aufgaben, befand sie.

Ihre Zuversicht zog Simonetta Sommaruga nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die Schweizerinnen und Schweizer in der Vergangenheit sich bietende Chancen und Möglichkeiten erkannt hätten, «und diese vor allem auch zu nutzen wussten.» In der Klimapolitik sei genau jetzt ein solcher Moment. «Lassen Sie uns diese Chance gemeinsam nutzen», appellierte die Berner SP-Bundesrätin an die versammelten Experten. «30 Jahre reichen, um etwas zu bewirken, um die Schweiz klimaneutral zu machen.»

«Um die Spannung zu halten, musste Swissgrid in der Vergangenheit öfters intervenieren. Glauben Sie mir, im Bundesrat ist das nicht nötig, wenn es um das Thema Stromabkommen mit der EU geht.» Der Bundesrat sei interessiert an einer Lösung mit der EU, eine Prognose, wann diese Lösung Tatsache werde, wollte Simonetta Sommaruga aber nicht abgeben. «Ob und wann hängt vom Zustandekommen des institutionellen Rahmenabkommens ab.» Entsprechend erklärte sie ihr Präsidialjahr als «Jahr der Lösungen» und reichte der Branche virtuell die Hand: «Scheuen Sie sich nicht, uns Lösungsansätze zu zeigen. Jetzt sind Sie am Drücker. Die Politik wird sie unterstützen.»

Wunschkonzert zum Auftakt

Nach der Begrüssung durch Reto Nauli, Präsident von Electro­suisse, eröffnete Michael Wider, Präsident des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, den Stromkongress mit einem Ausblick auf die nächste Dekade. Er skizzierte kurz, welchen Fragestellungen und Herausforderungen sich die Branche in Zukunft stellen muss. Aus Anlass des 125-Jahr-Jubiläums, welches der VSE 2020 begeht, formulierte er zum Schluss vier persönliche Wünsche für die Zukunft: Die Branche solle dyamischer werden, weniger auf Dogmen und Behauptungen, sondern vielmehr auf Wissenschaft und Fakten hören. Ausserdem wünschte sich Michael Wider von der Politik etwas mehr Sachbezogenheit und von der Branche die Energie, um die Herausforderungen gemeinsam und ganzheitlich anzugehen.

Ob sich die Teilnehmer des Politik-Podiums den dritten Wunsch zu Herzen nahmen, ist nicht bekannt. Diskutiert wurde unter der Moderation Urs Gredigs aber engagiert und heftig. Die Nationalräte Kurt Egger (Grüne/TG), Jürg Grossen (GLP/BE) Beat Jans (SP/BS), Albert Rösti (SVP/BE) sowie Ständerat Martin Schmid (FDP/GR) duellierten sich zum aktuellen Megathema Klimawandel und zur Umsetzung der Energiestrategie 2050.

Allen Anwesenden war klar, dass die Wasserkraft zentral ist, um die Ziele der ES 2050 zu erreichen. Umso unverständlicher war es daher für Albert Rösti, dass Links-Grün im Parlament seine Initiative, welche die Wasserkraft unterstütze, zu Fall bringen wollte. Neo-Nationalrat Kurt Egger – der übrigens ultra-kurzfristig eingesprungen ist, weil die Genfer Ständerätin Lisa Mazzone ihrerseits kurzfristig verhindert war – entgegnete, dass man Fehler, die vor 80 Jahren gemacht worden seien, nicht einfach so stehen lassen sollte, wenn Wasserkraftwerke erneuert werden.

Dass die Energiewende Geld kostet, war ebenso klar. Jürg Grossen gab aber zu bedenken, dass mehr über den Nutzen dieser Energiewende als ständig nur über die Kosten gesprochen werden sollte. Beat Jans betonte, dass die treibende Kraft für die Energiewende keinesfalls von Links oder Links-Grün komme: «Sie kommt direkt aus den Zimmern unserer Kinder. Das müssen wir respektieren.» Martin Schmid schliesslich wies auf die zentrale Rolle der Versorgungssicherheit für die Schweiz hin. «Wir haben die Verantwortung, alles zu tun, um diese auch in Zukunft zu gewährleisten.»

Übertragungsnetzbetreiber unter sich

Luigi Ferraris, CEO des italienischen Übertragungsnetzbetreiber Terna S. p. A erklärte, dass im europäischen Nachbarland ganz ähnliche Fragestellungen im Zentrum stehen, wie in der Schweiz. Swissgrid-CEO Yves Zumwald demonstrierte, warum das Stromabkommen mit der EU für die Schweizer Stromversorgung so wichtig wäre. «Die Politik muss eine Vision für die Schweiz haben, um eine Lösung zu finden. Und die Branche muss die Politik hier unterstützen.»

Den Abschluss des ersten Kongress-Tages machte schliesslich Reto Knutti, der aktuelle «Shooting Star» in Sachen Klimawandel. Der ETH-Professor zeigte eindrücklich auf, dass der Klimawandel real ist und dass etwas dagegen getan werden muss, und zwar schnell: «Wir haben nicht mehr viel Zeit, um zu handeln, denn was wir heute tun, hat Auswirkungen nicht nur auf Jahrhunderte, sondern auf Jahrtausende.» Und wer weiss, vielleicht ist Michael Widers Wunsch nach weniger Dogmen und Behauptungen und mehr Aufmerksamkeit für Forschung und Wissenschaft ja bereits an diesem Abend in Erfüllung gegangen.

Stromkongress 2020: Video