Wasserstoff: Das unternehmen Schweizer EVU (Teil 2)

Vom Ölzeitalter zur Wasserstoffwirtschaft? Die grössten EVU der Schweiz rüsten sich für diesen neuen, klimafreundlichen Energieträger. Wir haben bei Axpo, Alpiq und BKW nachgehakt was in der Pipeline steckt. Heute: Alpiq.

27.05.2021

Alpiq hat das grosse Potenzial von grünem Wasserstoff zur Erreichung der Klimaziele sehr früh erkannt – und insbesondere Anfang 2019 ins Joint Venture Hydrospider investiert. Der daraus resultierende Bau der Produktionsanlage beim Alpiq Wasserkraftwerk Gösgen sieht das Unternehmen als "ersten Meilenstein für die Etablierung von grünem Wasserstoff in der Schweiz".

Rolle und Stellenwert von Wasserstoff in Bezug auf die ES2050 und das Netto-Null-Ziel

Alpiq ist überzeugt, dass grüner Wasserstoff eine sehr wichtige Rolle in Bezug auf die Erreichung des Netto-Null-Emissionsziels spielen wird – insbesondere durch den Einsatz im Bereich der emissionsfreien Mobilität. Wichtig sei, dass es sich dabei wirklich um grünen Wasserstoff handelt – also Wasserstoff, der durch Elektrolyse und mit Strom aus erneuerbarer Energie produziert wird. "Bei der Dekarbonisierung bildet Wasserstoff eine Brücke von Strom in Bereiche, die nicht so leicht elektrifiziert werden können", sagt der Alpiq-Mediensprecher Guido Lichtensteiger. "Vor allem mit grünem Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen-Elektro-LKW sind ein zentrales Element zur Dekarbonisierung des Schwerverkehrs. Hier sehen wir ein sehr grosses Potenzial."

Grüner Wasserstoff steigert die Effizienz des Gesamtenergiesystems: Die Integration von PV und Wind ins Energiesystem wird ermöglicht, indem Strom mit H2 speicherbar gemacht wird. Mit zunehmender Produktion von Strom aus PV – eines der Ziele der ES2050 – wird dieser Prozess immer wichtiger. Auch dem flexibilisierten und netzdienlichen Betrieb von Flusskraftwerken (Bandlast) wird durch die Wasserstoff-Technologie Vorschub geleistet.

Das Joint Venture 'Hydrospider AG' stellt die Produktion, Beschaffung und Logistik von grünem Wasserstoff aus CO2-freier Produktion sicher

Konkrete Wasserstoff-Projekte von Alpiq

Anfang 2019 haben Alpiq und Wasserstoffpionier H2 Energy die Hydrospider AG gegründet. Das Joint Venture stellt die Produktion, Beschaffung und Logistik von grünem Wasserstoff aus CO2-freier Produktion sicher. Im Herbst 2019 beteiligte sich Linde/PanGas am Unternehmen, seither ist das Aktionariat folgendermassen aufgeteilt: Alpiq 45%, H2 Energy 45% und Linde 10%. Seit Frühling 2020 betreibt Hydrospider in Niedergösgen eine 2-MW-Elektrolyseanlage zur Produktion von grünem Wasserstoff. Es handelt sich um die grösste Anlage der Schweiz für die Produktion von grünem Wasserstoff. Der Strom für die Elektrolyse stammt direkt aus dem Alpiq Wasserkraftwerk Gösgen. Pro Jahr können in Gösgen rund 300 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden, was dem Jahresverbrauch von etwa 50 LKW oder rund 1700 Personenwagen entspricht.

Hydrospider etabliert zusammen mit Hyundai Hydrogen Mobility (HHM), dem Förderverein H2 Mobilität Schweiz und, auf Initiative des Wasserstoffpioniers H2 Energy, ein europaweit bisher einzigartiges Geschäftsmodell für die emissionsfreie Mobilität. Hydrospider liefert dabei den grünen Wasserstoff für den Betrieb der 1600 Brennstoffzellen-Elektro-LKW, die Hyundai bis 2025 auf Schweizer Strassen bringen wird – die ersten dieser LKW sind in der Schweiz seit Oktober im Einsatz, und es werden immer mehr. Parallel dazu werden Mitglieder des Fördervereins H2 Mobilität Schweiz für die Tankstelleninfrastruktur besorgt sein; in den letzten Monaten haben sie mehrere H2-Tankstellen eröffnet: St. Gallen (Avia), Zofingen (Agrola), Rümlang (AVIA), Rothenburg (Agrola), Crissier/Lausanne (Coop), Geuensee (AVIA). Dadurch ist die Achse vom Boden- bis zum Genfersee abgedeckt.

"Ein solches Geschäftsmodell, ein Wasserstoff-Ökosystem, entsteht nicht über Nacht", sagt Lichtensteiger. Eine ganze Infrastruktur müsse neu aufgebaut werden – "sehr viele Parteien arbeiten Hand in Hand, damit dies möglich wird und das «Henne-Ei-Problem» überwunden wird. Das ist Pionierarbeit."

Die Kooperation für emissionsfreie Mobilität erhielt Anfang 2021 den Watt d’Or des BFE in der Kategorie energieeffiziente Mobilität. Hydrospider eruiert und plant aber schon intensiv mögliche weitere Produktionsanlagen für grünen Wasserstoff; zum Teil in Eigenregie, zum Teil mit Partnern. "Mit der wachsenden Brennstoffzellen-LKW-Flotte steigt auch die Nachfrage nach H2". Fortgeschritten ist die Planung zum Ausbau der Produktion von grünem Wasserstoff in Niedergösgen, aber auch hier gilt genau wie andernorts: Spruchreif ist derzeit noch nichts.

Derzeit fehlen erdverlegte Wasserstoff-Versorgungsinfrastrukturen. Der Wasserstoff muss auf der Strasse zu den Tankstellen gebracht werden

Hindernisse und Herausforderungen beim Thema grüner Wasserstoff

"Die wohl grösste Herausforderung besteht darin, ausreichend grünen Wasserstoff zu wirtschaftlich attraktiven Konditionen produzieren und distribuieren zu können", so Lichtensteiger. Dies sei für den Durchbruch von grünem Wasserstoff vor allem im Bereich Schwerverkehr zentral "denn hier steht der «Treibstoff von morgen» im direkten und harten Preis-Wettkampf zu den herkömmlichen Treibstoffen Diesel/Benzin."

Die Befreiung von H2-Trucks von der LSVA (Emissionsabgabe) sei ein grosser Vorteil. "Je nach Einsatzgebiet ist die Kostenparität heute schon da, zum Teil haben Diesel/Benzin noch Vorteile. Aber wir sind auf gutem Weg."

Eine weitere Herausforderung sei der Transport von Wasserstoff. "Derzeit fehlen erdverlegte Wasserstoff-Versorgungsinfrastrukturen (Gasleitungen). Der Wasserstoff muss auf der Strasse zu den Tankstellen gebracht werden". Deshalb seien kurze Transportdistanzen sowohl aus ökonomischen wie auch aus ökologischen Gründen zentral. "Künftig ist es sicherlich sehr wichtig, dass Produktion/Verbrauch möglichst nahe beieinander sind".

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