Wasserstoff: Das unternehmen Schweizer EVU (Teil 1)

Die grössten EVU der Schweiz rüsten sich für den klimafreundlichen Energieträger Wasserstoff. Und der VSE sieht H2 in einer Schlüsselrolle für die Dekarbonisierung des Energiesystems. Wir haben bei Axpo, Alpiq und BKW nachgefragt, was in der Pipeline steckt. Heute: René Lenzin, Head of Media & Newsroom bei BKW.
06.05.2021

Herr Lenzin, welche Rolle und welchen Stellenwert sieht die BKW für H2, in Bezug auf die ES2050 und das Netto-Null-Ziel?

René Lenzin: Wir gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff zukünftig vor allem bei CO2-intensiven Industrien zum Einsatz kommen und in Europa eine wichtige Rolle auf dem Weg zu Null-Emissionen spielen wird. Dies gilt insbesondere in Industrien, in denen signifikante Effizienzmassnahmen oder eine direkte Elektrifizierung nicht möglich/sehr teuer sind. Wasserstoff ist ein Eckpfeiler des europäischen «Green Deals» und seine Einsatzmöglichkeiten sind äusserst vielseitig. In vielen EU-Ländern entstehen derzeit ambitionierte Strategien und Förderprogramme, um die Produktions- und Transportkapazitäten in den nächsten Jahren stark auszubauen. Es dürfte also langfristig ein grosser Wasserstoffmarkt entstehen. Für die Schweiz rechnen wir ebenfalls mit einer deutlichen Zunahme des Bedarfs an Wasserstoff, allerdings weniger ausgeprägt als in Ländern mit einem höheren Anteil an Hochtemperatur- und Schwerindustrie. In der Schweiz fokussiert sich der Markt für grünen Wasserstoff derzeit noch stark auf die Mobilität, bei der er aufgrund des vergleichsweise ineffizienten Herstellungsprozesses jedoch in sehr starker Konkurrenz zur direkten Elektrifizierung (Batterie-Mobilität) steht. In Zukunft wird der Einsatz von Wasserstoff in der Industrie aber auch hierzulande an Bedeutung gewinnen, sofern an den ambitionierten Klimazielen festgehalten wird. Wasserstoff dürfte somit in der Energiestrategie der Schweiz so oder so eine wichtige Rolle spielen.

Die BKW ist bereits seit 2016 zusammen mit ThyssenKrupp Industriepartner von Swiss Liquid Future AG

Welche Projekte werden gerade aufgegleist, mit welchem Ziel?

Zu aktuellen Projekten sowie zu Projektanfragen, die sich derzeit in der frühen Umsetzungs- respektive in der internen Abklärungsphase befinden, können wir uns noch nicht äussern. Jedoch ist es erwähnenswert, dass die BKW AG bereits früh die Relevanz solcher Anwendungen als einen Teil zur Erreichung der ambitionierten Klimaziele erkannt hat. Daher ist die BKW bereits seit 2016 zusammen mit ThyssenKrupp Industriepartner von Swiss Liquid Future AG. Ziel dieser Partnerschaft ist es, die Möglichkeiten von Wasserstoff zur CO2 Reduktion in verschiedenen Sektoren zu prüfen. Dazu gehört u.a. auch die Prüfung standortspezifischer Voraussetzungen für industrielle Power-to-Liquid-Anlagen in der Schweiz. Wir stellen fest, dass der Green Deal der EU sowie die vielfältigen nationalen und internationalen Klimaziele und Strategien eine hohe Dynamik in den Markt bringen und die Projektlandschaft «befeuern». Dies sehen wir zurzeit auch an unseren Projektanfragen. Bezüglich wirtschaftlicher Umsetzung und Machbarkeit solcher Projekte gibt es allerdings noch eine Vielzahl von Hürden und Unsicherheiten – sowohl marktseitig als auch regulatorisch. Die BKW Gruppe vereint aber mit ihrem vielseitigen Kompetenzangebot und ihren Erfahrungen u.a. in der optimalen Bewirtschaftung und Vermarktung von Einzel- und Verbundsystemen sowie im Bau von PV, Wind, Wasserkraft- aber auch H2-Produktionsanlagen beste Voraussetzungen, um als kompetente Partnerin in der gesamten Wertschöpfungskette aktiv zu sein, insofern die Rahmenbedingungen stimmen.

Für die Produktion von grünem Wasserstoff wird eine enorme Menge an zusätzlichem erneuerbarem Strom benötigt

Wo sehen Sie die konkreten Hindernisse und Herausforderungen beim Thema (grüner) Wasserstoff?

Wie bereits erwähnt, gibt es zurzeit diverse nationale und internationale Bestrebungen, den H2-Markthochlauf möglichst zeitnah zu schaffen. Dabei sind die Zielsetzungen und Massnahmen national und regional teilweise sehr unterschiedlich. Um den hohen Zielerwartungen zu entsprechen, müssen marktseitige und regulatorische Hürden abgebaut und Investitionssicherheiten geschaffen werden. Grüner H2 ist derzeit nicht wirtschaftlich. Entsprechende Fördermassnahmen müssen implementiert werden, um Investitionssicherheit zu bieten. Bis 2030 sehen wir auch eine hohe Kostendegression bei den Elektrolyseuren. Hier bedarf es Massnahmen, um das Risiko von sogenannten  «Stranded Assets» von Unternehmen zu vermeiden, die sich heute schon aktiv am H2-Markthochlauf und somit an der Erreichung der Zero Emission Ziele beteiligen wollen, dabei aber zurzeit in die risikobehaftete Vorleistung gehen müssten. Generell gibt es derzeit noch viele Unsicherheiten, dies sieht man auch bereits an der rechtlichen Definitionsfrage: «Was ist (grüner) Wasserstoff?».

Viele offene Diskussionspunkte gibt es auch hinsichtlich der zukünftigen H2-Infrastruktur. Wie sieht die optimale Zielnetzplanung aus, um schnellstmöglich den Markthochlauf zu schaffen und dabei die Kosten minimal zu halten? Dabei gibt es viele regulatorische und technische Herausforderungen zu meistern, um den Wasserstoff auch zu den Endverbraucherinnen und -verbraucher zu bringen. Letztlich werden die Transportkosten einen signifikanten Teil der H2-Endkosten ausmachen. Auch bedarf es eines HKN-Systems für H2, in dem eindeutig belegt werden kann, dass es sich am Ende der Leitung um (grünen) H2 handelt. Die Entwicklung eines solchen Systems auf europäischer Ebene bedingt sehr viel Detailarbeit und Abstimmungsbedarf. In der Schweiz sowie auch in unserem Nachbarland Deutschland wird hauptsächlich grüner H2 eine Rolle spielen. [...] Bei aller Euphorie über H2 muss man auch bedenken, dass es sich im Vergleich zur direkten Elektrifizierung um einen vergleichsweisen ineffizienten Prozess handelt. Für die Produktion von grünem Wasserstoff wird eine enorme Menge an zusätzlichem erneuerbarem Strom benötigt. Gemäss Berechnungen der EU-Kommission soll bis 2050 ein Viertel der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten (700 GW) für die Produktion von grünem Wasserstoff verwendet werden. Selbst diese enormen Zubaukapazitäten reichen nicht ansatzweise aus, um den angestrebten Bedarf an grünem H2 zu decken. Daher muss die Mehrheit importiert werden. Länder wie Australien, Saudi-Arabien und Nordafrika haben hier ganz klare Exportstrategien.

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