«Ich habe mich in diesen Beruf schockverliebt»

25.07.2023
Die Vorfreude ist Stefanie Meichtry an diesem heissen Morgen Anfang Juli ins Gesicht geschrieben. Schon bald, Anfang August, wird sie endlich ihre ersehnte Ausbildung als Netzelektrikerin EFZ bei der Arnold AG antreten. Speziell ist, dass diese Ausbildung bereits die zweite Lehre ist, welche die 23-Jährige absolvieren wird. Ursprünglich hat Stefanie Meichtry Detailhandelsfachfrau im Bereich Lebensmittel bei einem Schweizer Grossverteiler gelernt.

Eigentlich hätte Stefanie Meichtry schon von Anfang an Netzelektrikerin werden wollen. Weil sie als Detailhandelsfachfrau aber über mehr Flexibilität punkto Arbeitszeiten verfügte, was ihr damals wichtig war, hatte sie sich für die dreijährige Verkaufslehre entschieden. Nun erfüllt sich ihr Ausbildungswunsch aber doch noch. Und auch zeitlich passt dieser nächste Schritt: «Mein Freund ist Automatiker und wird seinerseits ebenfalls eine Weiterbildung absolvieren.»

Doch warum will Stefanie Meichtry Netzelektrikerin werden? Und woher wusste sie überhaupt, dass es einen solchen Beruf gibt? «Mir hat es schon immer gefallen, draussen an der frischen Luft zu arbeiten. Bei meinen Grosseltern und anderen Verwandten im Wallis arbeitete ich jeweils gerne auf dem Bauernhof und auf den Wiesen und Hängen mit.» Auch auf die Arbeit in der Höhe freut sich Stefanie Meichtry, die sich auch in ihrer Freizeit gerne durch Seilparks hangelt: «Ich kann es kaum erwarten, an Masten hochzuklettern und in der Höhe zu arbeiten.» Sie werde solche Einsätze umso mehr geniessen, zumal sie tendenziell seltener werden, weil Leitungen nach Möglichkeit in den Boden verlegt werden. Den Beruf der Netzelektrikerin hat Stefanie Meichtry an der Berufs- und Ausbildungsmesse BAM in Bern kennengelernt. Die BKW stellte dort an einem Stand das Berufsbild Netzelektriker vor. «Das hatte mich gleich gepackt.»

Women in Power

In einem Meinungsbeitrag vom 8. März 2023 – dem Weltfrauentag – hat Nadine Brauchli, Leiterin Energie beim VSE und Mitglied der Geschäftsleitung, Frauen aufgerufen, in die Energiebranche einzutauchen. In einer losen Serie stellt der VSE unter dem Titel «Women in Power» Frauen vor, die diesem Aufruf nicht mehr Folge leisten müssen, weil sie bereits eingetaucht sind und erfolgreich in den verschiedensten Bereichen der Energiewelt arbeiten.

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Teamgeist über alles

Neben dem Klettern spielt Stefanie Meichtry auch Fussball. Beim Fussball schätzt sie den Team-Gedanken sehr. «Das ist genau wie hier bei der Arnold AG. Mein Team hat mich von Anfang an sehr gut aufgenommen und integriert.» Die angehende Netzelektrikerin arbeitet bereits jetzt als Hilfsmonteurin im gleichen Team, dem sie ab August als Lernende angehören wird. «Die Stimmung ist super und ich erlebe viel Hilfsbereitschaft, und das nicht, weil ich eine Frau bin, sondern weil wir ein Team sind.» Die Arbeit als Hilfsmonteurin war ein Angebot von Arnold, damit Stefanie Meichtry schon vor Lehrbeginn praktische Erfahrung sammeln konnte, welches sie gerne angenommen hatte.

Ihren oberwalliser Ursprung hört man Stefanie Meichtry im Gespräch übrigens nicht an. «Im Wallis war ich jeweils nur während meiner Ferien. Aufgewachsen bin ich im Berner Seeland, weshalb ich normalerweise Berndeutsch spreche.» Ennet des Lötschbergs wechsle sie jedoch fliessend zum Walliser Dialekt ihrer Verwandten. Obwohl sie heute nicht mehr im Seeland wohnt, ist Stefanie Meichtry dem Kanton Bern aber treu geblieben. Aktuell lebt sie in Thörigen bei Herzogenbuchsee, und noch vor Ende Jahr wird sie nach Utzenstorf in der Umgebung von Burgdorf umziehen.

Nach drei Tagen war es um sie geschehen

Die Ausbildung zur Netzelektrikerin wird die Bernerin am Arnold-AG-Standort im solothurnischen Luterbach absolvieren. Hätte es da nicht naheliegendere Optionen gegeben? «Ich war tatsächlich zuerst bei der BKW in Langenthal, um in den Beruf hineinzuschnuppern. Inhaltlich hat mir das sofort zugesagt, aber irgendwie haben wir – also das Team und ich – nicht so gut harmoniert.» Alternativ bot die BKW Stefanie Meichtry dann einen Ausbildungsplatz bei ihrer Tochtergesellschaft in Luterbach an. Nach drei Tagen Schnupperlehre war es schliesslich um sie geschehen: «Ich habe mich in diesen Beruf und diese Stelle schockverliebt.»

Auch die Verantwortlichen bei der Arnold AG waren von der Schnupperlernenden angetan und boten ihr nach drei Tagen eine Lehrstelle an. «Ich bin super froh, dass ich jetzt hier meine Ausbildung absolvieren kann, denn ich habe noch nie ein so gutes Arbeitsklima erlebt.» Im Gegensatz zum Detailhandel sei die Kommunikation bei den Netzelektrikerinnen und Netzelektrikern auch viel unmittelbarer, was sie sehr schätze. Von ihrer Verkaufslehre werde sie wohl wenig Know-how direkt in ihre zweite Ausbildung übernehmen können. «Aber ich bereue nicht, diese Erfahrung gemacht zu haben.»

Endlich loslegen

Stefanie Meichtry freut sich darauf, endlich loslegen zu können: «Ich will endlich selbst Hand anlegen können. Ich will mein Wissen erweitern und auch anwenden. Zusehen ist schön und gut, aber irgendwann reicht das nicht mehr.» Dabei ist sich die junge Frau auch der Bedeutung ihrer Tätigkeit bewusst: «Wir stellen die Infrastruktur zur Verfügung, damit dieses Land funktioniert, denn ohne Strom läuft nichts.» Respekt hat die 23-Jährige vor einigen Anforderungen der Berufsschule, namentlich dem Zeichnen von Plänen und Schemata, weil sie das bislang noch nie gemacht habe und es schlicht nicht kenne. «Aber wenn ich einmal nicht mehr weiterweiss, kann ich mich an mein Team wenden, im Wissen, dass ich garantiert Hilfe und Unterstützung erhalte.»

Hätte es mit der Lehrstelle als Netzelektrikerin nicht geklappt, hätte Stefanie Meichtry gleich aus zwei Stellenangeboten im Bereich Detailhandel auswählen können. «Das war mein Plan B.» Diesen hat sie nun nicht gebraucht. Im Gegenteil: Dass sie ihre Ausbildung nun bei einem BKW-Tochterunternehmen absolvieren könne, bezeichnet sie als grossen Glücksfall: «Ich habe mir auch Stelleninserate von kleineren Unternehmen angesehen, aber hier habe ich ganz andere Möglichkeiten, und ich erhalte Einblick in ganz viele verschiedene Bereiche.»

Neben Stefanie Meichtry nimmt eine weitere junge Frau bei der Arnold AG in Luterbach die Ausbildung zur Netzelektrikerin auf. Ergänzt wird die Lernenden-Riege um einen angehenden Netzelektriker im dritten Lehrjahr, der ebenfalls seine zweite Ausbildung absolviert.