«Die Umweltverbände müssen ihre Positionen überdenken.»

Nach Jahren der Planung mit etlichen Beschwerdeverfahren durch Umweltverbände beginnen 2022 endlich die Bauarbeiten für das CKW Wasserkraftwerk Waldemme. Den schier endlosen Weg von der ersten Projektidee bis zur Realisation beleuchten wir mit CEO Martin Schwab.
15.03.2022
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Nach vielen beschwerlichen Jahren wird das Kleinwasserkraftwerk Waldemme endlich realisiert. Mit dem Spatenstich können die Centralschweizerischen Kraftwerke CKW mit dem Bau des Laufwasserkraftwerks im Entlebuch bei Flühli (LU) beginnen. Dauerten Planungs- und Bewilligungsphase endlos lange, fällt die Bauzeit im Vergleich kurz aus. Bereits im Sommer nächsten Jahres soll das Kraftwerk in Betrieb genommen werden und erste Kilowattstunden für 1'500 Familienhaushalte liefern. Immerhin muss man sagen. Ursprünglich hätte das Wasserkraftwerk nämlich 3'800 Haushalte mit erneuerbarem Strom versorgen sollen. Doch der Reihe nach.

2008 bis 2012: Die CKW übernehmen von der UNESCO Biosphäre die Idee eines Entlebucher Kraftwerks und entwickeln ein Konzessions- und Bauprojekt inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Produktionsanlage soll Wasserstrom für 3'800 Haushalte liefern.

2012 bis 2016: Gegen das 2012 eingereichte Konzession- und Baugesuch erheben die Umweltverbände Aqua Viva, Fischereiverband Schweiz und Kanton Luzern, Pro Natura Schweiz und Luzern sowie WWF Schweiz und Luzern Einsprache. Die CKW suchen das Gespräch und kommen den Beschwerdeführenden entgegen, etwa bei der Erhöhung der Restwassermenge. Auch deshalb geben Kanton und betroffene Gemeinden der CKW 2016 grünes Licht für das Kraftwerk.

2016 bis 2018: Die Umweltverbände lassen nicht locker und erheben Verwaltungsbeschwerde – mit Erfolg. 2018 entzieht das Kantonsgericht der CKW die Konzession- und Baubewilligung. Begründung: unzureichende Schutz-Nutzen-Abwägung und unklare Wirtschaftlichkeit aufgrund fehlender KEV-Zusage und erhöhter Restwassermenge. Zurück auf Feld eins für den Energieversorger. Die Beschwerdeführenden Verbände fordern sogar die endgültige Schubladisierung des Projekts.

Es ist paradox: Wir alle wollen die Energiewende, sauberen, CO2-freien Strom, die Dekarbonisierung. Doch die Widerstände sind gross.

2018 bis 2020: Die CKW erhalten die KEV-Zusage und nehmen einen neuerlichen Versuch. Nun mit einem Projekt, das in Zusammenarbeit mit kantonalen Stellen, der Gemeinde Flühli und Umweltverbänden mit stärkerem Fokus auf die ökologische Komponente redimensioniert ist. So bleibt neu die ökologisch wertvolle Lammschlucht unberührt. Gleichzeitig wird ein stark verbauter Abschnitt der Waldemme auf einer Distanz von fast zwei Kilometer wieder fischgängig gemacht. In dieser Form liefert das Kraftwerk noch Wasserstrom für 1'500 Haushalte.

2020 bis 2021: Freie Bahn also für das Konzessions- und Bewilligungsverfahren? Mitnichten. Denn auch gegen das stark reduzierte und ökologischere Wasserkraftwerk erheben dieselben Umweltverbände Beschwerde. Die Kritik bezieht dieses Mal auf angeblich falsche Abflussmengen am Fassungsstandort. Mit umfangreichen Untersuchungen und Abgleichen mit Daten von kantonalen und eidgenössischen Abflussmessstellen in der Region können die CKW die Zweifel über die von den Beschwerdeführenden kontestierten Messdaten zerschlagen.

2021 bis 2022: Der Kanton weist die Beschwerde entsprechend ab und erteilt im Herbst 2021 die Konzession. Der Widerstand der Umweltverbände ist gebrochen. Diese loben in einer Mitteilung die offene Gesprächsbereitschaft der CKW, kritisieren aber den Entscheid des Kantons als «unverhältnismässige Interessengewichtung» für ein Flusskraftwerk mit «geringem Mehrwehrt» für die Stromversorgung. Wie dem auch sei. Der Startschuss für den Bau des Kraftwerks fällt im März 2022 mit dem Spatenstich.

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CEO der Centralschweizerischen Kraftwerke

Martin Schwab

Martin Schwab (55) ist seit April 2018 CEO der CKW. Zuvor war der Berner Finanzchef bei der CKW-Muttergesellschaft Axpo. Der Betriebswirtschafter und Experte in Rechnungslegung und Controlling präsidiert zudem die EWA-energieUri AG und ist Mitglied im Vorstand der Zentralschweizer Industrie- und Handelskammer.

Herr Schwab, nach Jahren der Planung mit etlichen Verfahren können die CKW endlich das Wasserkraftwerk Waldemme realisieren. Wie ist Ihre Gefühlslage?

Martin Schwab: Die Erleichterung und auch die Freude sind gross. In erster Linie sind wir froh, dass wir das Kraftwerk bauen können. Wir hätten sehr gerne einen grösseren Beitrag an den so wichtigen Ausbau erneuerbarer Energien geleistet. Das war jedoch aufgrund der Einsprachen der Umweltverbände gegen das ursprüngliche Projekt leider nicht möglich. Wir leisten aber auch mit dem kleineren Kraftwerk einen Beitrag an die Energiewende im Kanton Luzern.

Was ist die Bedeutung des Wasserkraftwerks für die Luzerner Energieversorgung?

An der Waldemme nutzen wir das letzte, grössere Wasserkraftpotenzial im Kanton Luzern. Insofern ist es ein wichtiges und wertvolles Kraftwerk für die Energiewende im Kanton Luzern. Denn bis 2030 soll der Anteil der erneuerbaren Energien gemäss der kantonalen Energiegesetzgebung bei mindestens 30 Prozent liegen. Wichtig ist eine breite Diversifizierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier wollen wir vorwärts machen. Im Kanton Luzern und darüber hinaus. Sowohl bei der Wasserkraft wie auch bei der Windkraft, der Solarenergie und anderen erneuerbaren Technologien. Dabei spielen Wind und Wasser eine besonders wichtige Rolle – denn sie ergänzen dank dem grossen Anteil an Winterproduktion den Solarausbau.

Die heutigen Rahmenbedingungen funktionieren nicht. Sie führen uns in Bezug auf die Versorgungssicherheit ins Abseits.

Waren Sie überrascht, dass auch gegen das redimensionierte Kraftwerkt Einsprache erhoben wurde?

Ja, die Einsprache hat uns überrascht und enttäuscht. Denn es gab viele konstruktive Gespräche. Es ist paradox: Wir alle wollen die Energiewende, wir wollen sauberen, CO2-freien Strom, wir wollen die Dekarbonisierung. Doch die Widerstände sind gross. Die Umweltverbände müssen ihre Positionen überdenken. Mit der Zustimmung zur Energiestrategie 2050 haben wir alle von der Schweizer Bevölkerung den Auftrag erhalten, die erneuerbaren Energien massiv auszubauen. Wir alle – auch die Umweltverbände! Und der Krieg in der Ukraine zeigt die Dringlichkeit noch deutlicher, aus den fossilen Energien auszusteigen. Da erwarte ich in Zukunft eine deutlich grössere Kompromissbereitschaft.

Was nehmen Sie persönlich nach diesem jahrelangen Prozess mit?

Die Waldemme ist das beste Beispiel dafür, dass die heutigen Rahmenbedingungen nicht funktionieren. Im Gegenteil, sie führen uns in Bezug auf die Versorgungssicherheit ins Abseits. Es dauerte insgesamt 17 Jahre von der ersten Projektidee bis zum Spatenstich. Das geht alles viel zu langsam, wir haben diese Zeit nicht und potenzielle Investoren überlegen es sich gut, ob sie sich das in Zukunft wirklich antun wollen. Die Politik muss dringend bessere Rahmenbedingungen schaffen und insbesondere die Bewilligungsverfahren beschleunigen.

Weg von der Blockadepolitik: Verfahren beschleunigen und bündeln

Das Wasserkraftwerk Waldemme der CKW zeigt, wie beschwerlich der Weg ist, um 1'500 Familienhaushalte mit erneuerbarem Strom zu versorgen. 17 Jahre dauerte es von der ersten Projektidee bis zum Baubeginn. Das ist viel zu lange. Leider ist das CKW Wasserkraftwerk kein Einzelfall. Kaum ein Ausbauprojekt wird realisiert ohne Einsprache- und Gerichtsmarathon.

Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf zurecht erkannt und eine Gesetzesvorlage vorgelegt, mit der er das Problem angehen will. Konkret sollen die Bewilligungsprozesse für ausgewählte grosse Energieanlagen beschleunigt und gebündelt werden. Die Vernehmlassung dazu läuft. Der VSE prüft die für den Ausbau der erneuerbaren Energien zentrale Vorlage mit grosser Sorgfalt.