Wer heute eine Verteilkabine oder Transformatorenstation – kurz Trafostation oder Trafo – in einem Wohnquartier bauen will, hat es schwer. Wo soll der unansehnliche Kasten hin? Zwischen schnieken Einfamilienhäusern, adretten Hecken und verkehrsberuhigten Quartierstrassen ein Plätzchen zu finden, ist wie Tetris spielen: Man muss die perfekte Lücke finden. Und das immer und immer wieder, denn die rasant zunehmende Anzahl Photovoltaik (PV)-Anlagen auf den Hausdächern steigert den Bedarf für neue Trafostationen. Doch Platz ist wenig vorhanden und selbst an eigentlich geeigneten Standorten sind die Grundeigentümer häufig nicht bereit, eine Verteilkabine oder einen Trafo auf ihrem Boden zu dulden.
Was nach einem spannenden Spiel klingen mag, ist in Realität vor allem zeitraubend und ineffizient. Aktuelle Beispiele aus dem Versorgungsgebiet der CKW zeigen, dass innerhalb der Bauzonen kaum Trafostationen gebaut werden können, obwohl der Bedarf riesig und eine Rückspeisung der mit PV-Anlagen produzierten Energie zum Teil schon nicht mehr möglich ist. Die Suche nach Standorten kann über ein Jahr dauern und treibt die Projektkosten unnötig in die Höhe. Wie müssen die Rahmenbedingungen also angepasst werden, damit das Stromnetz inklusive Trafostationen rasch und den Bedürfnissen gerecht ausgebaut werden kann?

Netzbeschleunigungsvorlage des Bundes lässt Verteilnetze ausser Acht
Der Bund hat die Notwendigkeit für eine Beschleunigung der Planungs- und Bewilligungsverfahren zum Ausbau des Stromnetzes erkannt und eine entsprechende Vorlage in die Vernehmlassung gegeben. Der VSE begrüsst diesen wichtigen Schritt. Die Beschleunigungsvorlage des Bundes konzentriert sich allerdings auf Massnahmen im Übertragungsnetz und bringt somit wenig Beschleunigung für die Verteilnetze. Gerade dort sind die Herausforderungen mit dem Ausbau der PV-Produktion und der zunehmenden Anzahl Elektroautos und Wärmepumpen jedoch besonders gross. Der VSE fordert deshalb weitergehende Massnahmen, auch für eine Beschleunigung der Verfahren auf den tieferen Netzebenen. Neben verfahrensrechtlichen Anpassungen braucht es aus Sicht des VSE vor allem auch Änderungen des materiellen Rechts – insbesondere raumplanungsrechtliche Hürden müssen abgebaut werden.
Standortgebundenheit für Anlagen des Verteilnetzes
Der VSE hat im Rahmen seiner Stellungnahme zur Netzbeschleunigungsvorlage des Bundes mehrere Vorschläge erarbeitet, wie der Um- und Ausbau der Verteilnetze beschleunigt werden kann. Um das Trafo-Tetris im Wohnquartier zu entschärfen, müssen vor allem Trafostationen der Netzebene 6 unter gewissen Voraussetzungen als standortgebunden gelten und damit ausserhalb der Bauzonen einfacher gebaut werden dürfen. Aber auch Anlagen höherer Netzebenen, die für den Netzanschluss sowie die Zu- und Wegleitung des Stroms aus Produktionsanlagen ausserhalb der Bauzone nötig sind, müssen zukünftig als standortgebunden gelten. Unter den aktuellen regulatorischen Voraussetzungen müssen Netzbetreiber wie die CKW viel Zeit investieren, um den Standort des Trafos oder Netzanschlusses ausserhalb der Bauzone überzeugend zu begründen. Nur wenn die dringend benötigten Anlagen des Verteilnetzes zukünftig als standortgebunden gelten, können sie rasch projektiert und bewilligt werden, was auch die Projektkosten reduziert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Stromnetz zum Flaschenhals der Energiewende wird.
Gleiche Gewichtung für Produktion und Netz
Ein weiterer Knackpunkt beim Netzanschluss von Produktionsanlagen ist das fehlende nationale Interesse. Gemäss geltendem Recht ist nur das Übertragungsnetz – also die «Stromautobahn» – von nationalem Interesse. Mit dem neuen Stromgesetz wird zudem ausgewählten Produktionsanlagen nationales Interesse beigemessen. Diese Produktionsanlagen werden aber nicht zwingend ans Übertragungsnetz angeschlossen – gerade bei Solar- und Windanlagen ist die installierte Leistung dafür häufig zu klein. Wird nun eine Produktionsanlage von nationalem Interesse gebaut (beispielsweise eine alpine PV-Anlage), die ans Verteilnetz angeschlossen werden muss, ist dieser Netzanschluss aktuell nicht von nationalem Interesse. Hier fordert der VSE eine gesetzliche Anpassung, damit das Interesse am Netzanschluss – egal auf welcher Netzebene – gleich gewichtet werden kann wie die Produktionsanlage.
Nutzen für Kunden und Netzbetreiber
Profitieren vom beschleunigten Netzausbau, den die vom VSE vorgeschlagenen Massnahmen ermöglichen, würden vor allem auch die Kunden: Die Versorgungssicherheit würde erhöht, die Rückspeisung aus PV-Anlagen wäre schneller möglich, personelle Ressourcen auf Seiten der Netzbetreiber wären weniger lange gebunden und die Projektkosten würden sinken, was sich im Endeffekt positiv auf die Netztarife und damit auf die Stromrechnung der Kunden auswirken würde.