Tarife – das fehlende Stück zum Umbau des Energiesystems?

Eurelectric, der Branchenverband der europäischen Elektrizitätswirtschaft, hat eine grosse Studie zu Verteilnetztarifen veröffentlicht. Das Fazit: Die Netztarife können so gestaltet werden, dass sie den kosteneffizienten Ausbau der Verteilnetze und den Umbau des Energiesystems unterstützen.
15.11.2021

«The Missing Piece» heisst die neue Flaggschiffstudie von Eurelectric. Die Veröffentlichung wurde von einem Event begleitet, an dem neben Branchenexperten/innen auch Redner/innen der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) sowie der Europäischen Kommission teilnahmen.

Der Bericht zeigt auf, wie Netztarife gestaltet werden können, um den kosteneffizienten Ausbau der europäischen Verteilnetze zu unterstützen. Kostenreflektierende, statische Nutzungszeit-Netztarife, die durch die Einführung intelligenter Zähler erleichtert werden, können neben Flexibilitätsmärkten einen Anreiz für eine nachhaltige und effiziente Nutzung des Stromsystems schaffen.

Stromnetze sind die Schlüsselfaktoren

Der Bericht legt zudem dar, dass spezifische Tarife für spezifische Nutzungen des Netzes vermieden werden sollten und stattdessen das Prinzip der Kostenreflexion unter Berücksichtigung der Auswirkungen jedes Nutzers/jeder Nutzerin auf das System angewendet werden sollte. Wenn solche Tarife eingeführt werden, sollte man sie sorgfältig konzipieren und überwachen. Zudem sollte auch schon ein Plan für ihre schrittweise Abschaffung über die Zeit ausgearbeitet werden.

Fakt ist: Bis 2030 werden in Europa rund 500 GW an zusätzlicher erneuerbarer Leistung installiert, während 45 Millionen elektrische Wärmepumpen und zwischen 50 und 70 Millionen Elektrofahrzeuge ihre fossilen Gegenstücke ersetzen sollen. Stromnetze sind die Schlüsselfaktoren für eine kosteneffiziente Dekarbonisierung, die Integration dezentraler und variabler erneuerbarer Energien sowie die Einführung elektrischer Anwendungen in Verkehr, Gebäuden und Industrie. Gut konzipierte Netztarife werden dazu beitragen, dass sich die gesteckten Ziele erreichen lassen – zum Vorteil aller Beteiligten des Energiesystems.


Dazu Michael Paulus, Bereichsleiter Netze und Berufsbildung beim VSE:

Auch in der Schweiz fehlt uns dieses Stück einer modernen Netztarifierung für die Energiestrategie 2050. Die Verteilnetze müssen stark um- und ausgebaut werden, um die Basis für den Umbau der Energieversorgung zu legen. Das Netz muss nämlich so dimensioniert werden, dass es die Lastspitzen jederzeit abdecken kann. Für eine optimierte Kapazitätsnachfrage und damit für ein effizientes Netz können Verteilnetzbetreibende heute aber via Netztarifierung nur ungenügende Anreize setzen. Die Eurelectric-Studie unterstreicht: Es braucht dringend eine Weiterentwicklung hin zu einem Modell, das weniger starr ist und mehr Handlungsspielraum gibt. Der VSE setzt sich dafür ein, dass die laufende Revision des StromVG dafür die richtigen Weichenstellungen vornimmt.