Stromabkommen: Mehr Sicherheit, weniger Kosten

30.01.2025
Eine sichere Stromversorgung ist auch nach dem JA zum Stromgesetz alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Ohne klaren politischen und gesellschaftlichen Willen für den Ausbau der Produktion und den Umbau der Stromnetze wird es nicht gelingen. Und es gibt eine weitere mächtige Stellschraube: die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn.

Der Stromaustausch mit den Nachbarn war schon immer ein entscheidender Faktor für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung in der Schweiz: Im Winter importiert die Schweiz, im Sommer exportiert sie, und bei Knappheiten dies- oder jenseits hilft man sich situativ aus. Dieser Austausch wird mit dem Umbau des Energiesystems noch viel wichtiger. Denn mehr schwankende Produktion heisst auch mehr Ausgleichsbedarf. Je grösser das System ist, desto mehr Optionen bieten sich für diesen Ausgleich, und desto resilienter und effizienter ist es insgesamt.   

So rosig es in der Theorie tönt, so garstig ist es in der Praxis. Die Schweiz war zwar 1958 Pionierin des europäischen Verbundsystems. Doch seit Jahren wird sie mehr und mehr daraus ausgeschlossen, weil in der EU der Binnenmarkt konsolidiert wird. Das bedeutet steigende Risiken für die Versorgung, da im Übertragungsnetz immer häufiger kurzfristige Schwankungen auftreten und Swissgrid eingreifen muss, um das Netz stabil zu halten. Und es bedeutet steigende Kosten für die Konsumentinnen und Konsumenten. Um nur zwei Gründe zu nennen: Die Schweiz muss mehr eigene, kostspielige Notfallreserven vorhalten. Und da sie in Europa von Plattformen ausgeschlossen wurde, wo Energie zur Stabilisierung des Stromnetzes, sogenannte Regelenergie, gehandelt wird, ist das Angebot knapp geworden. Die neuste Eskalationsstufe ist nun, dass die ElCom mit einer Preisobergrenze in den Markt eingegriffen hat. 

Nur mit einem Stromabkommen können die Märkte wieder normal funktionieren und die zunehmend prekäre Situation der Schweiz korrigiert werden.

Nur mit einem Stromabkommen können die Märkte wieder normal funktionieren und die zunehmend prekäre Situation der Schweiz korrigiert werden. Das neuste Update der VSE-Studie «Energiezukunft 2050» zeigt klar und deutlich, dass die Versorgungssicherheit von zwei Faktoren entscheidend abhängt: 1. die Umsetzung des Stromgesetzes und 2. der Abschluss eines Stromabkommens.  

Mit einem Stromabkommen ist die Schweiz Teil des europäischen Energiemarktes. Sie verfügt über viel mehr Kapazitäten für Importe und Exporte, was mehr Optionen für die Versorgung eröffnet und diese insgesamt resilienter, stabiler und günstiger macht. Ohne Stromabkommen hingegen sind die Grenzkapazitäten stark reduziert und werden fast vollständig ausgenutzt – Dauerstress für das Übertragungsnetz. Fehlende Puffer sind gerade in Knappheitssituationen ein zusätzliches Risiko und treiben den Bedarf nach (teuren) inländischen Stromreserven.   

Dass es für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Strombereich eine Lösung braucht, ist schon längst klar. Seit nicht weniger als 17 Jahren haben die Schweiz und die EU darüber verhandelt, mit Unterbrüchen. Nun endlich liegt ein Resultat vor. Der Abschluss der Verhandlungen über ein Stromabkommen ist daher ein grosser Fortschritt. Nun braucht es dafür den innenpolitischen Schulterschluss – für mehr Sicherheit und weniger Kosten. 

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Bereichsleiter Public Affairs des VSE

Dominique Martin

Unter der Rubrik «Die politische Feder» veröffentlicht Dominique Martin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen. 

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