Stromabkommen: I Want to Break Free

21.02.2024
Obwohl die Schweiz das europäische Verbundnetz 1958 durch den «Stern von Laufenburg» mitbegründet hat, wird sie immer mehr zu einem Dasein als «EU-Drittstaat» verdammt, der aus den Kulissen zusehen muss, wie die EU den europäischen Strommarkt laufend weiterentwickelt. Diese Zuschauerrolle bringt der Schweiz zunehmend versorgungsgefährdende Probleme und beschert ihr steigende Mehrkosten. Der Grund dafür liegt in der fehlenden Regelung der Stromzusammenarbeit.

Der Königsweg, um aus dieser Isolation auszubrechen, besteht in einem Stromabkommen. Der VSE unterstützt daher die anstehenden Verhandlungen mit der EU über ein solches Abkommen. Eine gute Zusammenarbeit mit der europäischen Nachbarschaft ist für die Schweiz zentral, um ihre Energie- und Klimaziele zu erreichen. Denn unser Land wird auch in Zukunft auf einen intensiven grenzüberschreitenden Stromaustausch (Import und Export) angewiesen sein, um seine Energieversorgung effizient sicher zu stellen und seine inländischen Grossanlagen vorteilhaft betreiben zu können. Ohne ein gemeinsames Verständnis wird dies stark erschwert.

Ein Stromabkommen muss zwingend einen Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit in der Schweiz leisten. 

Die Erwartungen des VSE an ein Stromabkommen sind klar: Es muss zwingend einen Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit in der Schweiz leisten, insbesondere indem die Schweiz in die verschiedenen europäischen Plattformen und Prozesse (re-)integriert wird. Der unnötigen Gefährdung der Netzstabilität ist so ein Ende zu setzen. Der gleichberechtigte Marktzugang der Schweiz muss dazu beitragen, dass die durch die Marktintegration bis dato nur in der EU anfallenden Effizienzgewinne auch hierzulande zu einer Kostensenkung führen. Ein Stromabkommen muss Rechtssicherheit schaffen und insbesondere Schutz bieten vor weiteren willkürlichen Entscheiden der EU. Schliesslich muss ein Stromabkommen die Mitgestaltung in den verschiedenen Gremien des gemeinsamen Binnenmarkts ermöglichen. 

Je mehr Vorgaben ein Grundversorgungsmodell zugunsten der Kunden macht, desto mehr müssen nicht nur die Kunden, sondern auch die Stromversorger Sicherheiten erhalten.

Ein Stromabkommen wird sich unweigerlich auf das Schweizer Stromversorgungsrecht auswirken. Insbesondere wird der Schritt hin zu einer vollständigen Strommarktöffnung zu vollziehen sein. Der unmissverständliche politische Wunsch nach einer Grundversorgung ist anzuerkennen. Regulatorische Eingriffe in den Markt sind indes mit grösster Zurückhaltung vorzunehmen. Je mehr Vorgaben ein Grundversorgungsmodell zugunsten der Kunden macht (zum Beispiel eine Preisregulierung), desto mehr müssen nicht nur die Kunden, sondern auch die Stromversorger Sicherheiten erhalten (zum Beispiel bezüglich des möglichen Zeitpunkts eines Versorgerwechsels). 

Gelingt es der Schweiz, ein Stromabkommen auszuhandeln, das den grundlegenden Anforderungen des VSE nachkommt und den hiesigen Partikularitäten hinreichend Rechnung trägt? Dann hat sie intakte Chancen, wieder im Konzert mitzuspielen. Sie würde nicht nur aus ihrer risikobehafteten und kostentreibenden Rolle als Drittstaat ausbrechen, sondern auch ihre Position als Champion der europäischen Stromdrehscheibe zurückgewinnen. 

Bereichsleiter Public Affairs des VSE

Dominique Martin

Unter der Rubrik «Die politische Feder» veröffentlicht Dominique Martin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen. 

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Verhandlungsleitlinien für ein Stromabkommen