Netzstabilität: Der «Stern von Laufenburg» veränderte alles

Strom, der keine Grenzen kennt – und bei Bedarf aus jeder Steckdose kommt. Was heute selbstverständlich ist, ist das Resultat eines mutigen Unterfangens im Jahr 1958. Dem Geburtsjahr des transnationalen Stromnetzes.
23.07.2019
© Axpo

Strom ist die Grundlage unserer heutigen Zivilisation. Und doch wird er erst dann wahrgenommen, wenn er fehlt. Wie etwa beim kürzlichen Blackout in New York City, der das öffentliche Leben über Stunden lahmlegte. Ampeln, Aufzüge, öffentlicher Verkehr, Filter- und Pumpstationen... die Liste der Ausfälle bei einem Blackout ist lang und erschreckend. Die monetären Folgen davon sind höchst gravierend: Fünf bis sechs Milliarden Franken dürfte ein schweizweiter Blackout kosten. Und zwar pro Tag. Auch aus diesem Grund versorgen sich die Länder Europas schon lange nicht mehr isoliert und autark mit Strom. Vielmehr fungiert das europäische Verbundsystem als engmaschiges Stromnetz aus Hoch- und Höchstspannungs-Leitungen zum Transport und zur Verteilung von elektrischer Energie. Ihren Anfang nahm diese Meisterleistung im aargauischen Fricktal, im malerischen Laufenburg.

Das Herz des Stromverbundes beginnt zu schlagen

Wir schreiben den 16. April 1958: In Laufenburg in der Schaltanlage auf dem Kaister Feld werden erstmals die drei Ländernetze Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz im 220-Kilovolt-Betrieb zusammengeschaltet – zuerst versuchsweise und dann dauerhaft. Dieser «Stern von Laufenburg» ist der Beginn des modernen Verbundbetriebs. Am 15. Mai 1968 wird auch der 380-Kilovolt-Verbundbetrieb aufgenommen. «Die in zweijähriger Arbeit erbaute Schaltanlage Laufenburg ist ein Knotenpunkt von europäischer Bedeutung geworden», heisst es damals.

Im Juni 2018, zum 60sten Geburtstag des Sterns von Laufenburg, hat die Betreiberin und Netzeigentümerin Swissgrid ihren Hauptsitz nach Aarau verlegt. In Laufenburg verbleibt nach wie vor die Netzinfrastruktur,

Im europäischen Verbund werden inzwischen rund 530 Millionen Menschen in über 30 Ländern mit Strom versorgt. Und der Ursprung des kontinentaleuropäischen Verbundnetzes, «der grössten Maschine Europas», liegt in der Schweiz.

50 Schläge pro Sekunde als Mass aller Dinge

50 Hertz beträgt die Standardfrequenz im elektrischen Netz Europas. Damit die Frequenz immer stabil bleibt, muss das Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch stets gegeben sein. Wird weniger Strom verbraucht als produziert, so steigt die Frequenz. Wird hingegen mehr verbraucht als produziert, so sinkt sie. Der Vergleich mit einem Velo bietet sich an: Auf ebener Strasse ist es für den Fahrer einfach, die Geschwindigkeit zu halten. Sobald aber eine Steigung kommt, muss er stärker in die Pedale treten, um gleich schnell zu bleiben. Geht es hingegen bergab, so muss er bremsen, damit er nicht immer schneller wird. Sinkt oder steigt die Frequenz im Netz zu rasch, können netzgesteuerte Uhren falsch gehen. Elektrische Geräte, aber auch wichtige Generatoren, können Schaden nehmen.

Die nationale Netzbetreiberin Swissgrid nimmt daher eine Spezialfunktion in Sachen Frequenzüberwachung wahr. Sie überwacht, ob der Nennwert von 50 Hertz stets eingehalten wird. Unterscheidet sich die «Netzzeit» mehr als +/- 20 Sekunden von der GPS-Zeit, dann macht Swissgrid eine Sollwertanpassung jeweils für den nächsten Tag. Alle kontinentaleuropäischen Übertragungsnetzbetreiber erhalten ein Signal von Swissgrid, um ihren Frequenzsollwert im Netzregler anzugleichen. Zudem ist Swissgrid Koordinationszentrum für den südlichen Teil von Kontinentaleuropa – und eruiert bei erheblichen Frequenzabweichungen die Verursacher in ihrem Überwachungsgebiet.

Die Schweiz spielt also nach wie vor eine zentrale Rolle im europäischen Verbundnetz. Und Laufenburg kam sogar zu internationaler, historischer Ehre – durch das Institute of Electrical and Electronic Engineers (IEEE) in New York. Es hat die Aargauer Pioniertat 2010 als «historischen Meilenstein in der Stromgeschichte» ausgezeichnet.