Klaren Kurs vorgeben

Corona hat uns schmerzlich in Erinnerung gerufen, dass eine ausreichende Vorsorge im Inland unumgänglich ist. Das gilt ganz besonders für die Stromversorgung. Dazu müssen klare Kriterien für die Versorgungssicherheit definiert werden. Wie diese lauten könnten, lesen Sie in unserer politischen Feder.
22.10.2020

Netto Null – so soll das nächste klimapolitische Ziel der Schweiz lauten. Das strebt eine breit abgestützte Allianz mit der Gletscherinitiative an – ebenso wie der Bundesrat. Somit wird Strom künftig eine ungleich grössere Rolle spielen als heute, denn die Elektrifizierung ist das Schlüsselelement der Dekarbonisierung.
 
Diese Zukunftsmusik wird jedoch unweigerlich verstummen, wenn die Produktion der erneuerbaren Energien im Inland vor allem im kritischen Winterhalbjahr nicht massiv gesteigert werden kann. Offenbar fehlt heute der Wille, die Energiewende nicht nur in der Theorie, sondern auch im Alltag mitzutragen. So ist erst jüngst wieder ein vielversprechendes Windprojekt gescheitert. Ohne einen tragfähigen Kompromiss, wie insbesondere die Photovoltaik in höheren Lagen, die Windenergie und die Wasserkraft ausgebaut werden können, werden die Importabhängigkeit und mit ihr die Risiken für die Versorgungssicherheit zunehmen.

Versorgungssicherheitskriterien sind als klare Vorgabe unerlässlich, damit der einzuschlagende Kurs dereinst ebenso eindeutig ist wie ein Netto-Null-Ziel.

Wie die Coronakrise schmerzlich in Erinnerung gerufen hat, ist trotz guter internationaler Zusammenarbeit eine ausreichende Vorsorge im Inland unumgänglich. Es ist daher kein Zufall, dass die ElCom wiederholt und eindringlich dazu aufgerufen hat, für den Winter vorzusorgen. Die Winterimporte sollen gemäss ElCom 10 TWh nicht übersteigen – auch das wäre allerdings immer noch ein Drittel unseres heutigen Winterstrombedarfs. Sie fordert dazu einen Zubau von mindestens 5 TWh Winterproduktion bis 2035 – also die Winterproduktion des KKW Leibstadt oder mehr.
 
Der VSE ist diesbezüglich mit der ElCom einer Meinung und hat ganz ähnliche Kriterien definiert: durchschnittlich sollen 80% der Winterversorgung im Inland bewerkstelligt werden. Zudem soll sich die Schweiz während mindestens zweier Wochen vollständig aus eigener Kraft versorgen können. Wenn nämlich in ganz Europa eine länger andauernde meteorologische Lage ohne Sonne und Wind eintritt, werden unsere Nachbarländer keinen Strom in die Schweiz exportieren können, selbst wenn sie es wollten.

Solche Versorgungssicherheitskriterien sind als klare Vorgabe unerlässlich, damit der einzuschlagende Kurs dereinst ebenso eindeutig ist wie ein Netto-Null-Ziel. Im Rahmen der anstehenden Revisionen des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes sind diese zu diskutieren, zu verankern und mit konkreten Massnahmen zu versehen.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.