Infrastrukturprojekte: Langer Atem ist gefragt

30.03.2023
Grosse Infrastrukturprojekte rufen regelmässig Widerstand und Ablehnung hervor. Wer ein solches Projekt umsetzen will, braucht daher einen langen Atem, denn die bestehenden Einsprache- und Beschwerdemöglichkeiten in der Schweiz sind mannigfaltig und erlauben Gegnern, solche Vorhaben bisweilen während mehrerer Jahre zu blockieren.
Disclaimer
Infrastrukturprojekte zu realisieren, setzt viel Ausdauer voraus. Was es braucht, um solche Projekte dennoch zu einem guten Ende zu bringen, zeigt das Beispiel des geplanten Container-Terminals «Gateway Basel Nord» auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs im Nordosten der Stadt Basel. Das Projekt ist aktuell auf Kurs, obwohl es viel Widerstand dagegen gab und gibt. Einige wichtige Faktoren sind für diesen Erfolg verantwortlich: Die Projektanten waren stets präsent, sie verkündeten immer die gleiche Grundbotschaft und diese ist in sich schlüssig.

2008 stellte Eniwa (welche damals noch IBAarau hiess) ein Projekt zum Neubau des Kraftwerks Aarau vor. Aufgrund zahlreicher Einsprachen ist aber auch 15 Jahre später noch nichts gebaut. Eniwa ist dabei nicht allein. Diverse Infrastrukturprojekte aus der Energiebranche sind im Moment blockiert, oder es zeichnet sich massiver Widerstand ab. Weil es sich dabei meistens um Projekte handelt, welche die Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen erhöhen sollen, ist solcherart provozierter Stillstand doppelt ärgerlich. Jede benötigte Kilowattstunde, die nicht aus inländischen erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden kann, muss entweder importiert oder aus fossilen Quellen gewonnen werden. Dabei müsste – angesichts der erklärten Klimaziele und -strategien – der Umsetzung von Massnahmen gegen den Klimawandel doch eigentlich höchste Priorität eingeräumt werden.

Auch andere Branchen sind betroffen

Indes, nicht nur Projekten für die Energieinfrastruktur erwächst Widerstand. Ein Lied davon singen können Florian Röthlingshöfer, Direktor der Schweizerischen Rheinhäfen, und Simon Oberbeck, verantwortlich für die Kommunikation. Auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs der Deutschen Bahn im Nordosten der Stadt Basel plant die Gateway Basel Nord AG (ein Unternehmen von SBB Cargo, Hupac und Contargo (einer Rhenus-Tochter)) einen neuen Container-Terminal: Gateway Basel Nord. Dieser trilaterale Terminal soll dereinst die Binnenschifffahrt vom Rhein sowie den Güterverkehr von der Strasse mit der Bahn verbinden. Die Schweizerischen Rheinhäfen wollen mit einem neuen Hafenbecken die Schifffahrt an dieses Terminal anschliessen.

So soll der neue Container-Terminal mit dem Hafenbecken 3 dereinst aussehen.

Zwar existiert bereits eine Terminal-Infrastruktur in den Rheinhäfen, diese genügt allerdings den Ansprüchen der heute gängigen 750 Metern langen Güterzügen längst nicht mehr. Das geplante Bahnterminal ermöglicht Güterzügen, sich auf der deutschen Seite aufzustellen, um von der Hauptstrecke direkt in den Terminal einzufahren. Nach ihrer Behandlung können sie den Terminal umgehend wieder Richtung Süden oder Norden verlassen. Um die Rheinschifffahrt an den Terminal anzubinden, soll ein drittes Hafenbecken, direkt unterhalb des neuen Terminals gebaut werden. «Das Ziel dieses Projekts ist, dass genügend Kapazität bereitgestellt werden kann, um die Weiterverteilung der Container in Zukunft mindestens zur Hälfte per Bahn, statt per LKW sicherzustellen.» Dafür sei das Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs der Deutschen Bahn prädestiniert. «Nirgendwo sonst kommen der Rhein und die Zug-Hauptachse zwischen Basel (Richtung Italien) und Karlsruhe (nach ganz Europa) so zusammen.» Die Schweizerischen Rheinhäfen selbst sind aber nicht am Container-Umschlag beteiligt: «Wir sind ein öffentlich-rechtliches Unternehmen und stellen die Infrastruktur zur Verfügung, betont Florian Röthlingshöfer.» Daher sind die Schweizerischen Rheinhäfen im Rahmen des Projekts für den Bau des neuen «Hafenbecken 3» verantwortlich.

Erfolgreicher Abstimmungskampf

Als Ende November 2020 über 57 Prozent der Basler Stimmbevölkerung ja zum 115-Millionen-Kredit für den Bau des Hafenbeckens sagten, hatte das Projekt eine grosse Hürde genommen. Obwohl in dieser Abstimmung über den Kredit für diesen Teil des Projekts befunden wurde, hatte sich die Diskussion im vorangegangenen Abstimmungskampf auf das komplette Projekt Gateway Basel Nord erstreckt. «Es wurde grundsätzlich. Ist das Projekt sinnvoll? Brauchen wir es in der Schweiz? Dabei wurden viele Themen auf das Tapet gebracht, und es wurde beispielsweise über die nationale Bedeutung des Vorhabens, den Eingriff in das Naturareal oder die Wirtschaftlichkeit des Projekts diskutiert», sagt Florian Röthlingshöfer. Besonders stark rückte dabei auch das Thema Umweltschutz in den Fokus.

Der ehemalige Rangierbahnhof war vor gut 100 Jahren geschaffen worden. Damals war das ganze Areal grossflächig um fünf bis sechs Meter aufgeschüttet worden, damit die Züge in der Ebene stehen und den Badischen Bahnhof erreichen konnten. Nach der Stilllegung des Bahnhofs und der Entfernung der Gleise überliess man das Gelände der Natur. Auf den brachliegenden grossen Schotterflächen entwickelte sich eine wertvolle Fauna und Flora, weshalb das Areal in der zweiten Hälfte der Nuller-Jahre als trocken-warme Wiese von nationaler Bedeutung unter nationalen Schutzstatus gestellt werden sollte. Weil bereits zu jener Zeit Pläne für einen Container-Terminal bestanden, wurde es jedoch nicht als definitives Projekt eingetragen.

«Nirgendwo sonst kommen der Rhein und die Zug-Hauptachse zwischen Basel und Karlsruhe so zusammen.»
Florian Röthlingshöfer

«Die Natur ist aber trotzdem da, und sie ist wertvoll. Deshalb haben wir zusammen mit den ersten Projektstudien im Jahr 2010 Umweltplaner beauftragt, um das Areal zu kartieren und zu ermitteln, was es beherbergt.» Ziel dieser Erhebung war, herauszufinden, in welcher Form und vor allem an welchem Ort adäquate Ausgleichsmassnahmen ergriffen werden müssen. Dabei wird jeder Quadratmeter nach einem Punktesystem bewertet. Dieser Ausgleich muss so nah wie möglich erfolgen, «aber im Kanton Basel-Stadt und in der Agglomeration ist es schwierig, so grosse freie Flächen zu finden», erklärt Florian Röthlingshöfer. Ausserdem gebe es kaum noch Flächen mit einem Wert Null. In Frage kommende Acker- oder Bahnflächen haben aber alle bereits einen gewissen Punktewert, was bedeutet, dass die Ausgleichsfläche grösser sein muss als das Areal im ehemaligen Rangierbahnhof. In vorliegenden Fall kommt man auf den Faktor 4 bei der Flächengrösse.

Ausgleichsflächen im Kanton Basel-Landschaft

Fündig wurden die Projektanten schliesslich in den Gebieten Spittelmatt (Gemeinde Riehen BS) sowie im Birsfelder Hafen, im Auhafen und beim Rangierbahnhof Muttenz, also bereits auf Gebieten des Kantons Basel-Landschaft. Einfach haben sie es sich dabei nicht gemacht: Der Aufwand, der für die Ersatzflächen betrieben wurde, war deutlich höher als für die eigentliche technische Planung des Projekts. «Aber das war wichtig und richtig», ergänzt Simon Oberbeck, verantwortlich für Kommunikation bei den Schweizerischen Rheinhäfen. «Beim Thema Ersatzflächen sind wir in eine Tiefe gegangen, die wohl ihresgleichen sucht. Aber nur so konnten wir bei der Abstimmung hinstehen und zeigen, dass wir uns ernsthaft mit einem adäquaten Ersatz auseinandergesetzt haben.»

Der Bevölkerung ein derart komplexes Projekt zu vermitteln, bleibt aber eine hohe Kunst. Zwar wüssten die Basler, dass es einen Hafen mit einer gewissen Relevanz gebe. Aber darüber hinaus fehle meist das Wissen, wie ein Hafen funktioniere, welche Bedürfnisse seine Nutzer hätten und welche Anforderungen erfüllt werden müssten, erklärt Simon Oberbeck. «Wir mussten sehr viele Stakeholder ins Boot holen und noch viel mehr Partikularinteressen berücksichtigen: diverse Naturschutzorganisationen mit verschiedenen Ansprüchen, die Wirtschaft, die Hafenstadt-Entwicklung, und, und, und.» Eine wirklich komplexe Gemengelage und eine denkbar schwierige Ausgangslage, um den Baslerinnen und Baslern das Projekt näher zu bringen. «Wir haben darauf vertraut, dass der Hafen als Infrastruktur bei der Bevölkerung positiv konnotiert ist und dass sie die ökologischen Vorteile der Verlagerung der Container von der Strasse auf die Schiene sowie die Stärkung des Standorts Basel anerkennt.»

Umweltorganisationen von Anfang an einbezogen

Im Bewusstsein um die heterogenen Ansprüche der diversen Umweltorganisationen (vom Natur- über den Landschaftsschutz zu Biodiversität und Klimafragen) hatten die Initianten diese von Anfang an in die Planung einbezogen. Auch wenn man dabei auf Fundamentalopposition gestossen sei, wollte man den Gesprächsfaden nie abreissen lassen: «Es ist normal, dass alle Parteien mit ihrem Fokus in diese Diskussionen gehen.» Aber es lohne sich, die Projekte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten: national, kantonal, regional. Es könne sich also durchaus lohnen, das Gespräch auf verschiedenen Organisationsebenen zu suchen, um Lösungsansätze zu finden. «Es verlangt von allen Parteien einen langen Atem und Gesprächsbereitschaft.»

«Es ist normal, dass alle Parteien mit ihrem Fokus in diese Diskussionen gehen.»
Simon Oberbeck

Dass der 115-Millionen-Franken-Kredit an der Urne – trotz einer Pandemie-bedingten Verschiebung um über ein halbes Jahr – dennoch angenommen wurde, schreibt Simon Oberbeck den kontinuierlichen Informationstätigkeit der Projektanten zu: «Der Prozess mit all den Planungen, Bewilligungen, Auflagen etc. dauert sehr lang, aber wir waren ständig präsent und haben informiert.» Während eines solchen Prozesses, der gut zehn bis fünfzehn Jahre dauern könne, bestehe die Gefahr, die Menschen irgendwann zu verlieren. Weil ihre Grundbotschaft aber nicht nur «verhebe», sondern sich auch nie verändert habe, sei der Urnengang denn auch positiv ausgefallen, sagt Simon Oberbeck.

Informieren, informieren, informieren

Informiert haben die Projektverantwortlichen auch immer wieder direkt auf dem designierten Standort. Sie hiessen zahlreiche Gruppen Interessierter Personen, Vereine, Verbände oder auch Parteien willkommen, um ihnen das Gelände zu zeigen und das Projekt vor Ort zu erklären. «Wichtig ist dabei, bei den Besucherinnen und Besuchern kein Wissen vorauszusetzen, sondern immer wieder bei null anzufangen», betont Simon Oberbeck.

Der Gateway Basel Nord muss aber nicht mehr bei null anfangen. Aktuell läuft das Bewilligungsverfahren für den Terminal. Sobald das Bundesamt für Verkehr grünes Licht gibt, reichen die Schweizerischen Rheinhäfen das Gesuch für das Hafenbecken ein. Bleiben Einsprachen aus, beginnen 2025 die Bauarbeiten. 2028 könnte die Anlage schliesslich in Betrieb gehen.