Eurelectric-Studie betont Notwendigkeit grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit Drittstaaten wie der Schweiz

24.02.2025
Der VSE hat an einer Eurelectric-Studie mitgewirkt, die sich mit den Anforderungen an die zukünftige europäische Versorgungssicherheit befasst. Bei den Ergebnissen gibt es diverse Parallelen zur aktuellen VSE Studie «Energiezukunft 2050». Betont wird die zunehmende Bedeutung von Flexibilitäten und Anreizsystemen sowie die Notwendigkeit, innerhalb von Europa grenzüberschreitend im Bereich der Energieversorgungssicherheit zusammenzuarbeiten.

An der Münchner Sicherheitskonferenz vom 14.-16. Februar 2025 präsentierte Eurelectric, der Dachverband der europäischen Elektrizitätswirtschaft die Studie «Redifining Security of Supply – in the age of electricity». Diese Studie befasst sich mit den bisherigen und neuen Anforderungen der Versorgungssicherheit im künftigen europäischen Energiesystem («Versorgungssicherheit 2.0»).

Die Studie legt den Fokus vor allem auf den zu erweiternden Regulierungs- und Marktrahmen. Auch berücksichtigt sie exogene Risiken wie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromnachfrage, die Stromversorgung und die Infrastruktur. Geopolitische Spannungen sowie physische und virtuelle Bedrohungen (z.B. Cyberkriminalität), der globale Energiehandel sowie der Zugang zu Rohstoffen und die Kontrolle über wichtige Lieferketten sind ebenfalls Bestandteil dieser gesamtheitlichen Betrachtung der Versorgungssicherheit.

Die Schweiz als Alpenland mitten in Europa wurde in dieser europaweiten Energiestudie mitberücksichtigt. Der VSE, Mitglied bei Eurelectric, wirkte aktiv an der Studie mit und brachte die Schweizer Perspektive ein. 

Wichtigste Erkenntnisse und Empfehlungen der Studie

  • Europa braucht eine koordinierte und umfassende Energiesicherheitsstrategie. Für mehr Effizienz, Sicherheit und Resilienz des Elektrizitätssystems ist eine Gesamtsystembetrachtung unerlässlich, die die gesamte Wertschöpfungskette, alle Energiesektoren und Endverbraucher einbezieht. Damit kann der konkrete Bedarf und alle Optionen für das Energiesystem ermittelt werden.
  • Mit dem Ausbau der wetterabhängigen erneuerbaren Stromproduktion, hauptsächlich aus Wind- und Solarenergie, steigen die Anforderungen, Angebot und Nachfrage zu jeder Zeit auszugleichen. Der Bedarf an Flexibilität im Energiesystem sowie einem strategisch durchdachten Ausbau der Stromnetze und deren Digitalisierung gewinnen dadurch zunehmend an Bedeutung. Daher wird empfohlen, die Definition des Flexibilitätsbedarfs zu vereinheitlichen, um eine einheitliche Sichtweise in ganz Europa zu gewährleisten. Zudem soll ebenfalls das Flexibilitätspotenzials der Verbraucher durch nachfrageseitige Massnahmen erschlossen werden.
  • Es braucht einen konsistenteren und markgerechteren Investitionsrahmen. Dazu gehören Förderinstrumente und -mechanismen, um die notwendigen Investitionen in steuerbare und flexible Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette (Erzeugung, Verteilung, Verbrauch, usw.) zu sichern und zu koordinieren. Es wird empfohlen, Förderinstrumente und -mechanismen so zu gestalten, dass die wichtigsten Grundsätze – marktorientierte, marktweite, nicht wettbewerbsverzerrende Mechanismen, die ein langfristiges Contracting unterstützen und für alle Technologien offen sind – eingehalten werden. Zudem muss eine Harmonisierung sowie die grenzüberschreitende Integration auf europäischer Ebene dieser Instrumente stattfinden. Kurzfristige Markteingriffe sollen vermieden werden. Stärkere Marktsignale können dazu beitragen, den tatsächlichen Systembedarf widerzuspiegeln und steuerbare und flexible Anlagen abzusichern.  
  • Die Zusammenarbeit innerhalb der EU und mit Drittstaaten wie der Schweiz ist entscheidend für die Gewährleistung der europäischen Versorgungssicherheit. Dabei wird auch empfohlen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Drittländern beim Investitionsrahmen in Betracht zu ziehen.

Parallelen zur VSE «Energiezukunft 2050»

Der VSE teilt die Erkenntnisse der Eurelectric-Studie. Er kommt in seiner aktuellen eigenen Studie «Energiezukunft 2050», welche im Januar veröffentlicht wurde, zu ähnlichen Ergebnissen. Eine Kernaussage der VSE Studie lautet, dass der Abschluss eines Stromabkommens, also eine engere Zusammenarbeit mit der EU und insbesondere mit den Nachbarländern, eine zentrale Voraussetzung für die zukünftige Versorgungssicherheit der Schweiz ist. Mit einem Stromabkommen würde die Schweiz über mehr Kapazitäten für Importe und Exporte verfügen, was mehr Handelsmöglichkeiten für die Versorgung eröffnet. Mit einem Stromabkommen wird die Schweizer Stromversorgung dadurch stabiler und resilienter – aber auch günstiger, weil unter anderem Kosten für teure Systemdienstleistungen und Stromreserven minimiert werden können.

Die «Energiezukunft 2050» zeigt auch deutlich den steigenden Bedarf an Flexibilität in einem dezentralen und erneuerbaren Energiesystem auf, und dass deren Bereitstellung einen Wert erhalten muss (u.a. Anreize, Preissignale). Das Flexibilitätspotenzial besser auszuschöpfen ist auch ein massgeblicher Hebel für einen kosteneffizienten und intelligenten Netzausbau, weil Produktion und Verbrauch bzw. Angebot und Nachfrage besser aufeinander abgestimmt werden. Im Winter braucht es laut der VSE Studie ergänzende Stromproduktion zum Ausbau der Erneuerbaren, wie ihn das Stromgesetz vorschreibt.

Leiterin Energie

Nadine Brauchli

Kommentar

Wir begrüssen die Studie von Eurelectric, welche die europäische Versorgungssicherheit gesamtheitlich entlang der Wertschöpfungskette mitsamt zentralen exogenen und endogenen Faktoren betrachtet. Versorgungssicherheit endet nicht an den Landesgrenzen, da durch das europäische Verbundnetz die Versorgungssicherheit immer europaweit zu betrachten ist. Die Eurelectric-Studie zeigt denn auch, dass eine enge Zusammenarbeit für alle Länder Europas – inkl. der Schweiz – im Bestreben, eine sichere und bezahlbare Stromversorgung zu gewährleisten, von grossem Vorteil ist. Das europäische Energiesystem steht vor denselben Herausforderungen wie das Schweizer. Von einer Harmonisierung im Sinne ähnlicher und gemeinsamer Lösungen profitiert folglich auch die Schweiz.