Die Stunde der Wahrheit

In der Herbstsession 2019 berät der Nationalrat voraussichtlich über eine für die Wasserkraft zentrale Vorlage (parlamentarische Initiative Rösti). Damit bietet sich für die Unterstützer der Energiestrategie 2050 Gelegenheit, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Lesen Sie hierzu unsere «politische Feder».
15.08.2019
Hammer

Im Mai feierte die Energiestrategie 2050 das zweijährige Jubiläum ihrer Annahme an der Urne. Eine ihrer Errungenschaften war die Überwindung der früheren Grabenkämpfe. Die Wasserkraft wurde plötzlich wieder geschätzt und als unverzichtbares Gegenstück zu den fluktuierenden erneuerbaren Energien anerkannt.
 
Entsprechend wurden Massnahmen beschlossen, um die Wasserkraft – gleich wie die anderen erneuerbaren Energien – wirtschaftlich zu unterstützen. Und es wurde eine Neugewichtung von Schutz- und Nutzungsinteressen vorgenommen. Denn ohne die nötigen Rahmenbedingungen wird nicht investiert – ungeachtet der Technologie.

Für all jene, die es ernst meinen mit der Energiestrategie, schlägt nun die Stunde der Wahrheit – oder war alles nichts als heisse Luft?

Nun ist die Zeit gekommen, um zu fragen: Sind den hehren Absichten auch Taten gefolgt? Die Bilanz ist ernüchternd. Die erste Nagelprobe präsentierte sich mit dem Wasserzins. Statt sich endlich von der veralteten und rigiden Regelung zu verabschieden und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der Wasserkraft zu verbessern, hielten die Promotoren der Energiestrategie praktisch geschlossen am unzumutbaren Status quo fest.
 
Nun steht bereits die nächste Gelegenheit an, den Tatbeweis zu erbringen: Mit der parlamentarischen Initiative Rösti liegt der Vorschlag auf dem Tisch, eine grosse Verfahrenshürde abzubauen. Wird eine Wasserkraftanlage neu konzessioniert, muss heute bei der dazu notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfung von einem fiktiven Zustand ohne Kraftwerk ausgegangen werden. Eine absurde Anforderung, ist doch gerade in der kleinräumigen Schweiz davon auszugehen, dass ohne Kraftwerksbau ein Gebiet anderweitig genutzt worden wäre. Zudem widerspricht es dem Vertrauensschutz, dass nachträglich Ersatz geleistet werden muss für Bauten, die vor Jahrzehnten rechtmässig erstellt wurden und über das Konzessionsende hinaus bewilligt bleiben.

Dem Vorschlag der Initiative, den heutigen, realen Zustand als Beurteilungsgrundlage festzulegen, ist ohne Wenn und Aber zuzustimmen. Dies ist im Sinn der Energiestrategie und hat keine negativen Folgen für die Umwelt, denn neu konzessionierte Anlagen müssen sämtliche umweltrechtlichen Vorgaben uneingeschränkt einhalten.
 
Für all jene, die es ernst meinen mit der Energiestrategie, schlägt nun die Stunde der Wahrheit – oder war alles nichts als heisse Luft?

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.