Bis 2050 braucht die Schweiz massiv mehr Strom. Denn nicht nur muss der steigende Strombedarf gedeckt werden – der Landesstromverbrauch steigt bis 2050 um rund 50% auf ca. 90 TWh –, sondern auch die Abschaltung der Kernkraftwerke kompensiert werden (ab 2040er Jahre). Seit Anfang 2025 ist das neue Stromgesetz in Kraft. Es legt die Grundlage für die zukünftige Versorgungssicherheit und Klimaneutralität, indem es ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien bis ins Jahr 2050 festsetzt.
Es mangelt nicht an guten Grossprojekten, um den Ausbau der Schweizer (Winter-)Stromproduktion substanziell voranzutreiben, wie die Übersicht des VSE zeigt. Es ist die erste Plattform, die den schweizweiten Ausbau der Stromproduktion sichtbar macht und die zahlreichen bekannten Grossprojekte, die geplant oder am Laufen sind, sowie Details dazu auflistet.
Realitätscheck: Wird das grosse Ausbaupotenzial tatsächlich realisiert?
Die Plattform soll zum einen zeigen, wie gross das Produktionspotenzial in der Schweiz anhand der aktuell bekannten Grossprojekte ist. So ist eine Abschätzung ihres Beitrags zur Schliessung der Stromlücke bis 2050 möglich. Im Wissen darum, dass es praktisch gegen jedes Ausbauprojekt grossen Widerstand und jahrelange Rechtsstreitigkeiten gibt, soll die Liste zum anderen darüber Aufschluss geben, ob der Ausbau der Stromproduktion in Realität stattfindet oder nicht. Also wie viele Terawattstunden tatsächlich zugebaut werden, und welche Grossprojekte verhindert und nicht realisiert werden.
Nicht Bestandteil dieser Projektübersicht sind PV-Anlagen auf bestehender Infrastruktur wie Dächer und Fassaden, die für das Erreichen der Energieziele in Summe von grosser Bedeutung sind.
Übersicht: bekannte Ausbauprojekte in der Schweiz
Gemäss dieser Übersicht gibt es schweizweit 131 bekannte Ausbauprojekte (Stand: 01.04.2025). Davon sind 42 Wasserkraftprojekte, 44 geplante alpine PV-Freiflächenanlagen, 40 Windkraftprojekte, 3 Biomasse-Projekte und 2 Geothermie-Projekte. Aufsummiert würde bei Realisierung sämtlicher Grossprojekte eine Jahresproduktion von 4,8 Terawattstunden erreicht und mindestens 3,8 TWh zusätzlicher Winterstrom.
Die folgende interaktive Grafik zeigt, wo in der Schweiz bekannte Grossprojekte zum Ausbau der Stromproduktion in Planung bzw. am Laufen sind oder waren. Die Tabellen unter der interaktiven Grafik fassen die Ausbauprojekte nach Projektstand und Technologie zusammen.
Projektliste: Details zu den zukünftigen neuen Produktionsanlagen
Die anschliessende Liste führt die wichtigsten Informationen zu den dem VSE bekannten Grossprojekten auf. Dazu gehören Standort, Technologie, Projektstand, erwartete Jahresproduktion und, von grosser Bedeutung, der Beitrag, der die Anlage dereinst für die so kritische Winterversorgung liefern wird.
Nicht jedes geplante Grossprojekt zielt darauf ab, die Jahresproduktion auszubauen.
Staumauererhöhungen dienen zur saisonalen Verlagerung der Stromproduktion vom Sommer- in das Winterhalbjahr. Denn aufgrund der höheren Staumauer muss das Wasser im Sommer nicht turbiniert, sondern kann für den Winter im Stausee gespart werden. Ein typisches Beispiel ist die Dammerhöhung Mattmark: Über das gesamte Jahr betrachtet ist mit dem geplanten Projekt keine Mehrproduktion vorgesehen, da kein zusätzliches Wasser gefasst werden kann. Es kann aber substanziell mehr Winterstrom aufgrund der saisonalen Verlagerung durch die Staumauererhöhung produzieren.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind teilweise noch nicht alle Projektdetails bekannt bzw. verfügbar (= NA).
Grossprojekte in den Kantonen
Die Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien sind nicht in jedem Kanton gleich günstig: weil es in einigen Kantonen mehr Flüsse oder Gletscher gibt, die Sonne länger und in günstigem Winkel scheint oder der Wind regelmässiger und stärker weht. Auch wurde das Ausbaupotenzial in einigen Kantonen schon weitestgehend erschlossen. In folgenden Kantonen sind Ausbauprojekte geplant bzw. am Laufen.
Fehlt Ihr Ausbauprojekt?
Die Projektübersicht und die Visualisierungen werden laufend weiterentwickelt und mit neuen Grossprojekten sowie Informationen dazu ergänzt. Der VSE bittet seine Mitglieder und weitere Projektanten, ihre Grossprojekte zu melden, um ein möglichst akkurates Bild zeigen zu können. In die Projektliste aufgenommen werden einerseits von Mitgliedunternehmen gemeldete Grossprojekte, und andererseits Grossprojekte, über die es öffentlich verfügbare Informationen gibt (Medien, Richtpläne usw.). Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben.
Falls Sie also ein Projekt planen, das noch nicht bei uns abgebildet ist, melden Sie es uns! Nutzen Sie dafür diese Vorlage und senden Sie sie vollständig ausgefüllt an Michel Piot, Senior Experte Energie beim VSE. Vielen Dank!
Politische Massnahmen
Stromgesetz (Mantelerlass)
Das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, welches eine Revision des Energie- und des Stromversorgungsgesetzes umfasst und Mantelerlass genannt wird, setzt wichtige Akzente und stellt richtige Weichen für einen schnellen und starken Ausbau der erneuerbaren Energien, die Stärkung der Stromversorgungssicherheit und den weiteren Weg hin zur Erreichung der Klimaneutralität. Das Stromgesetz wurde am 9. Juni 2024 von der Bevölkerung klar angenommen.
Die Resultate der VSE Studie «Energiezukunft 2050» zeigen, dass Versorgungssicherheit und Klimaneutralität entscheidend von der Umsetzung des Stromgesetzes abhängen.
Runder Tisch Wasserkraft
Die Speicherwasserkraft ist zur Stärkung der Versorgungssicherheit im Winter auszubauen. Bis 2040 sollen zusätzlich 2 TWh aus Speicherwasserkraft sicher abrufbar sein, um so einen wertvollen Beitrag zur kritischen Winterversorgung zu liefern. Bund, Kantone, Strombranche und Umweltverbände haben sich an einem Runden Tisch Wasserkraft im Dezember 2021 auf 15 Wasserkraftprojekte geeinigt, mit denen das Ausbauziel erreicht werden soll. In der gemeinsamen Erklärung vereinbarten die Akteure auch Ausgleichsmassnahmen und hielten allgemeine Empfehlungen zu Schutz von Biodiversität und Landschaft fest.
Entsprechende Wasserkraftprojekte (+ das Projekt Chlus) sind im Stromgesetz, das mit grosser Mehrheit von der Bevölkerung angenommen wurde, explizit aufgeführt.
Solar-Offensive
Im Herbst 2022 beschloss das Parlament eine Solar-Offensive, um die Versorgungssicherheit im Winter rasch zu stärken. Die Solaroffensive will im Kern, dass bis Ende 2025 alpine PV-Grossanlagen im Umfang von 2 TWh zugebaut werden. Dafür werden die Bewilligungsvoraussetzungen vereinfacht und eine spezielle Förderung ausgerichtet. Für die Förderung solcher Projekte ist eine Einmalvergütung von bis zu 60 % der Investitionskosten festgesetzt. Um von dieser Einmalvergütung profitieren zu können, muss die Anlage über eine vom Kanton ausgestellte rechtskräftige Baubewilligung verfügen. Für die Bewilligung werden Hürden gesenkt. So sind die Anlagen von nationalem Interesse, gelten der Bedarfsnachweis und die Standortgebundenheit als gegeben und entfällt die Planungspflicht.
Wind-Offensive
Im Juni 2023 beschloss das Parlament, die Bewilligungsverfahren für bereits fortgeschrittene Windenergieprojekte zu beschleunigen. Es verabschiedete ein «Bundesgesetz über die Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für Windenergieanlagen», welches aus Änderungen des Energiegesetzes und des Bundesgerichtsgesetzes besteht. Das beschleunigte Verfahren soll für eine beschränkte Anzahl weit fortgeschrittener Windkraftprojekte von nationalem Interesse zur Anwendung kommen, welche bereits über einen rechtskräftigen, von der Gemeinde genehmigten Nutzungsplan verfügen. Bei solchen Anlagen stellen neu die Kantone und nicht mehr die Gemeinden die Baubewilligung aus. Die Baubewilligung kann nur am obersten kantonalen Gericht und ggf. vor Bundesgericht angefochten werden. Dies gilt so lange, bis eine zusätzliche Leistung von 600 Megawatt installiert ist.
Beschleunigungserlass
Der Name soll Programm sein: Mit dem Beschleunigungserlass schlägt der Bundesrat Massnahmen vor, die die Verfahren für die Bewilligung von erneuerbaren Energieprojekten beschleunigen sollen. Für Wind- und Solarkraftwerke von nationalem Interesse soll es neu ein konzentriertes kantonales Plangenehmigungsverfahren geben.
Und auch bei den Stromnetzen soll es mehr Tempo geben. Es ist notwendig, dass die Weiterentwicklung der Stromnetze im Gleichschritt mit dem Produktionsausbau erfolgt. Im schlechtesten Fall kann nämlich eine neue Produktionsanlage nicht in Betrieb gehen, weil die Netzkapazitäten fehlen.
VSE Studie «Energiezukunft 2050»
Update 2025
Seit Anfang 2025 ist das neue Stromgesetz in Kraft. Es legt die Grundlage für die zukünftige Versorgungssicherheit und Klimaneutralität, indem es ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien bis ins Jahr 2050 festsetzt. Reicht das für eine sichere Stromversorgung und Netto-Null bis 2050? Diese Frage beantwortet das Update der Studie «Energiezukunft 2050» – eine Weiterentwicklung der Studie, die erstmals im Dezember 2022 publiziert wurde. Das Update berücksichtigt aktuelle Regulierung und politische Entwicklungen und beantwortet zentrale Fragen für die zukünftige Versorgungssicherheit der Schweiz.
Die Resultate zeigen, dass die zukünftige Versorgungssicherheit entscheidend von der Umsetzung des Stromgesetzes und dem Abschluss eines Stromabkommens abhängen. Im Winter braucht es zum Ausbau der Erneuerbaren, wie ihn das Stromgesetz vorschreibt, ergänzende Stromproduktion. Optimalerweise wird wesentlich mehr Windkraft zugebaut. Werden die Ausbauziele im Stromgesetz hingegen nicht erreicht, wird die Stromlücke im Winter deutlich grösser. Im Sommer braucht es Lösungen, um mit dem Stromüberschuss umzugehen.
Akzeptanz
Bevölkerungsumfrage: breiter Rückhalt für Erneuerbare
Seit 2022 führt das Politik- und Kommunikationsforschungsinstitut gfs.bern im Auftrag des VSE eine Bevölkerungsumfrage zur Versorgungssicherheit und Energiepolitik durch. Über alle bisherigen Befragungswellen hinweg zeigt sich, dass die Zustimmung zur Energiewende und zur Förderung der erneuerbaren Energien sehr hoch ist und dass die Gewährleistung der Versorgungssicherheit oberste Priorität geniesst.
Schutz- und Nutzungsinteressen
Die überwältigende Zustimmung zu den Erneuerbaren in der Bevölkerung manifestiert sich aber keineswegs im Ausbautempo. Dafür werden zu viele Projekte wegen Partikularinteressen blockiert. Immer wieder gibt es auch Konflikte zwischen Schutz- und Nutzungsinteressen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht ohne Eingriffe in die Natur und Landschaft zu haben. Den goldenen Mittelweg zwischen Schutz und Nutzung der natürlichen Ressourcen zu finden, ist machbar, wie zahlreiche Beispiele belegen. Es ist unabdingbar, einen konstruktiven und pragmatischen Weg zu finden, denn: Erneuerbare Energien = Klimaschutz = Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen = Schutz der Biodiversität.