Verantwortung für Versorgungssicherheit und Klima – in der Krise und darüber hinaus

11.05.2023
Michael Wider betonte an der 134. Generalversammlung des Verbands, dass die Energie- und Klimaziele nicht verhandelbar seien, und lobte die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bund in der Krise. Die Rede des VSE Präsidenten im Wortlaut.

Die Energiekrise hat die letzten eineinhalb Jahre unser aller Arbeit geprägt. Unsere Arbeit als VSE, die der Kommissionen, die aller unserer Mitgliedunternehmen. Herr und Frau Schweizer wissen jetzt, was eine Strommangellage ist, sind auf Energie sparen sensibilisiert, haben vielleicht zum ersten Mal den Strompreis bewusst wahrgenommen und wissen – so hoffen wir –, dass die Versorgungssicherheit selbst in der Schweiz nicht Gott gegeben ist.

Wetter sei Dank, sind wir diesen Winter an einer Strommangellage vorbeigeschrammt. Wir haben als VSE und als Branche eng mit dem Bund zusammengearbeitet, um für den Ernstfall, der hätte eintreffen können - das Risiko war real -, so gut wie möglich vorbereitet zu sein. Diese Zusammenarbeit und der Austausch war und ist konstruktiv und ergiebig. In der Krise ist es entscheidend, sich zu kennen, am gleichen Tisch zu sitzen, kurze Wege zu haben, aufeinander zählen zu können.

Diese intensive Zusammenarbeit, diese Massnahmen und Vorbereitungen sind Vorleistungen für die Zukunft. Das ist wichtig, denn die Energiekrise hat verdeutlicht, was wir schon vorher wussten: Wir haben – auch wenn der Krieg in der Ukraine hoffentlich irgendwann vorbei sein wird – in der Schweiz ein strukturelles Winterstromproblem, produzieren in der kalten Jahreszeit zu wenig Strom im Inland und können die Versorgung zu einem guten Teil nur dank Importen gewährleisten. Importe, die in Zukunft – notabene ohne Stromabkommen – alles andere als sicher sind. Und der Strombedarf wird nicht weniger, im Gegenteil.

Der forcierte Ausbau der erneuerbaren inländischen Produktion bedingt eine viel grössere gesellschaftliche Akzeptanz und Kompromisse von uns allen.

Unsere Energie- und Klimaziele sind nicht verhandelbar und Klimaneutralität erreichen wir nur mit Elektrifizierung. Der Ausstieg aus fossilen Energien führt gemäss der Studie «Energiezukunft 2050», die der VSE in Zusammenarbeit mit der Empa letztes Jahr umgesetzt hat, zu einem Strommehrbedarf gegenüber heute von 25-40 Prozent bis 2050, je nach Szenario. Um diesen Strommehrbedarf zu decken, braucht es einen forcierten Ausbau der erneuerbaren inländischen Produktion, das wissen wir seit über 10 Jahren. Dieser bedingt aber eine viel grössere gesellschaftliche Akzeptanz und Kompromisse von uns allen.

Der Mantelerlass, über den sich als nächstes wieder der Ständerat beugen wird, stellt richtige Weichen bezüglich Versorgungssicherheit und Klimaneutralität – die politische Stossrichtung stimmt. Wollen wir in der Energiepolitik und -wirtschaft die Blockaden der letzten 10 Jahre durchbrechen und weiterkommen auf dem Weg zu Klimaneutralität und Versorgungssicherheit, muss der Mantelerlass so rasch wie möglich mit einer kompromissbereiten und pragmatischen Haltung verabschiedet werden.

Die Politik erwartet von uns, dass wir gestalten. Wir werden gehört, die Türen stehen offen. Allerdings nur dann, wenn wir Lösungen bringen.

Und eine solche muss auch für uns als Branche conditio sine qua non sein. Die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Behörden funktioniert gut. Die Politik erwartet von uns, dass wir gestalten. Wir werden gehört, die Türen stehen offen. Allerdings nur dann, wenn wir Lösungen bringen. Es ist ein Geben und Nehmen – wir müssen uns als Branche gut überlegen, was uns wirklich wichtig ist und die Prioritäten entsprechend setzen.

Dabei dürfen und sollen wir auch kritisch sein – aber immer konstruktiv und lösungsorientiert. Einfach nur dagegen zu sein, bringt uns nicht weiter. Wenn wir mitgestalten wollen, müssen unsere Ideen und Vorschläge konkret, konstruktiv und politisch machbar sein.

So vertrauenswürdig die Zusammenarbeit in der Krise war, so soll sie auch im normalen politischen Prozess sein. Wir wollen Verantwortung für die Versorgungssicherheit und das Klima übernehmen – in der Krise und darüber hinaus.

VSE Präsident

Michael Wider

Michael Wider ist seit 2017 Präsident des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen, VSE. Er ist seit über 25 Jahren in der Energiebranche tätig und ebenfalls seit 2017 Head Generation Switzerland und stellvertretender CEO bei Alpiq. Weiter engagiert sich Michael Wider in verschiedenen Verwaltungsräten der Branche und als Vorstandsmitglied bei Eurelectric.