Stau im Verteilnetz verhindern

27.11.2025
Die beste erneuerbare Stromproduktion nützt nichts, wenn der Strom nicht zu den Konsument:innen transportiert werden kann. Um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten, braucht es nicht nur «Strom-Autobahnen», sondern auch «Quartierstrassen», «Parkplätze» und «Verkehrsknotenpunkte», die den heutigen Anforderungen gewachsen sind.

Das Stromnetz lässt sich ein Stück weit mit dem Strassennetz vergleichen. Wie jeder Vergleich hinkt allerdings auch dieser. Denn, wenn es auf der Strasse zu Engpässen kommt, dann gibt es lediglich Stau. Das ist zwar für alle Beteiligten mühsam, aber deswegen kollabiert nicht gleich das ganze Verkehrssystem. 

Anders beim Stromnetz: Wenn es hier zum «Stau» kommt, bricht die Stromversorgung im entsprechenden Netzgebiet zusammen. Mit möglichen Folgen für die übergeordneten Netzebenen und damit das ganze Land – oder im Extremfall für ganz Europa.

Engpässe im Netz ausgleichen

Um dies zu verhindern, gibt es Massnahmen, die sofort greifen, wenn sich Engpässe im Netz abzeichnen. Produzenten und/oder Verbraucher werden zu- oder abgeschaltet. Oder, um im Bild zu bleiben: Ein Hubschrauber entfernt einige Autos von der Strasse, bevor es zum Stau kommt.

Der Haken daran: Diese Sofortmassnahmen sind erstens teuer und gehen zu Lasten aller Stromkonsument:innnen und sie sind zweitens auch riskant, weil sie nicht in beliebiger Menge und Häufigkeit zur Verfügung stehen.

«Die beste Autobahn nützt nichts, wenn es bei der Autobahnausfahrt zum Rückstau kommt, weil innerorts der Verkehr überlastet ist.»

Deshalb ist es dringend nötig, das Netz schneller auszubauen und intelligenter zu machen. Die Strassen müssen einerseits breiter werden. Andererseits brauchen wir eine vorausschauende Verkehrssteuerung. Ein wichtiger Bestandteil einer solchen Verkehrssteuerung für das Stromnetz, ist die Nutzung von Flexibilitäten. Durch das vorausschauende Zu- und Abschalten von Produktion und Verbrauch können «Staus» verhindert werden.

Das gesamte System mitdenken

Bundesrat und Parlament haben dies erkannt und eine entsprechende Vorlage zur Beschleunigung des Netzausbaus, den so genannten Netzexpress ausgearbeitet, der in der anstehenden Wintersession im Nationalrat behandelt wird.

Der Fokus lag dabei vorerst vor allem auf dem Übertragungsnetz, also den «Autobahnen» des Stromnetzes. Diese sind unabdingbar, insbesondere auch, um den «Schwerverkehr» mit unseren Nachbarstaaten reibungslos zu gewährleisten. 

Doch die beste Autobahn nützt nichts, wenn es bei der Autobahnausfahrt zum Rückstau kommt, weil innerorts der Verkehr überlastet ist. Deshalb braucht es eine Beschleunigung des Netzausbaus nicht nur im Übertragungsnetz, sondern auch in den regionalen und lokalen Verteilnetzen.

«Während früher grosse Lastwagen über die Autobahn rollten und der Ortsverkehr relativ gemächlich und meist im Einbahnverkehr vonstattenging, werden heute Quartierstrassen vermehrt in beide Richtungen stark befahren.»

Dies umso mehr, weil immer mehr Produzenten und Verbraucher an dieses regionale Netz angeschlossen sind. Während früher, um im Bild zu bleiben, grosse Lastwagen über die Autobahn rollten und der Ortsverkehr relativ gemächlich und meist im Einbahnverkehr vonstattenging, werden heute Quartierstrassen vermehrt in beide Richtungen stark befahren.

Das hängt einerseits damit zusammen, dass die Stromproduktion nicht mehr nur «top-down» von zentralen, grossen Kraftwerken geschieht, sondern zunehmend «bottom-up» von Hausbesitzer:innen mit eigenen Photovoltaik-Anlagen. Andererseits nehmen auch die dezentralen Stromverbraucher zu, beispielsweise durch E-Autos, die zuhause geladen werden.

Netzausbau, Anreize und vorausschauende Planung 

Es gibt also immer mehr Verkehr in den Quartier- und Ortsstrassen. Diesen Verkehr gilt es intelligent zu steuern. Das heisst beispielsweise, genügend Flexibilitäten in Form von Batterien, also genügend «Parkplätze» vorzuhalten. Es gilt aber auch, verlässliche Prognosen zu machen und entsprechende intelligente Anreize (Preissignale) zu setzen, damit der Verkehr die Strassen gar nicht erst überlastet.

Bei aller Intelligenz und Steuerung wird man nicht umhinkommen, gewisse Strassen zu verbreitern, um einen Rückstau – und damit negative Effekte auf das Gesamtsystem – zu vermeiden. Und auch grosse «Parkplätze» (also Batterien oder andere Speicher) ausserhalb der dicht besiedelten Gebiete müssen ermöglicht werden, ebenso wie entsprechende «Autobahnanschlüsse» und «Verkehrsknotenpunkte» (in Form von Trafo-Stationen).

Denn die beste erneuerbare Stromproduktion nützt nichts, wenn der Strom nicht von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach oder vom Wasserkraftwerk in den Bergen zu den Konsument:innen transportiert werden kann.

Lösungen für dicht besiedelte Quartiere

Die zuständige Kommission des Nationalrats hat dies erkannt und den «Netzexpress» bereits entscheidend ergänzt. So soll es beispielweise möglich sein, Batterien oder Trafo-Stationen in klar definierten Fällen auch ausserhalb der Bauzone zu errichten. Dies, damit der produzierte Strom einer Anlage ausserhalb der Bauzone auch abgeleitet (oder gespeichert) werden kann. 

Das sind erste wichtige Schritte in die richtige Richtung. Es gibt aber noch Verbesserungspotenzial: So wird es auch in dicht besiedelten Wohnquartieren zunehmend schwierig, Standorte für Trafo-Stationen zu finden. Es braucht deshalb auch dort mehr Flexibilität auf der Suche nach passenden Standorten. Der VSE setzt sich dafür ein, dass die Vorlage weiter optimiert wird, damit es auch künftig zu keinen Staus im Stromnetz kommt und eine sichere, bezahlbare und klimaneutrale Stromversorgung gewährleistet wird.

Jan Flückiger
Bereichsleiter Public Affairs des VSE

Jan Flückiger

Unter der Rubrik «Die politische Feder» veröffentlicht Jan Flückiger regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen. 

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