In Schönheit untergehen?

Der haushälterische Umgang mit dem Boden ist eine der zentralen Maximen der Raumplanung. So richtig diese ist, so hoch, ja fast unüberwindbar setzt sie allerdings die Hürden für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Energieangebot hält sich nämlich nicht an planerische Grundsätze. Nein, es kann nur dort erschlossen werden, wo Wasser fliesst, der Wind weht, Biomasse anfällt oder oft die Sonne scheint.
22.10.2021

Das Val Müstair, die Corbusier-Stadt La Chaux-de-Fonds, die Rebberge der Lavaux oder die mittelalterliche Berner Altstadt: Solche Orte stehen sinnbildlich für das Schöne und das Natur- und Kulturerbe unseres Landes. Auch andere Orte werden geschätzt – als Kulturstätte, Erholungsgebiet, Wohn- oder Arbeitsort. Wie sie geschützt oder genutzt werden können, das definiert die Raumplanung.

Dass dabei unterschiedliche, gar widersprüchliche Interessen aufeinanderprallen, liegt auf der Hand. Um alle unter einen Hut zu bringen, arbeitet die Raumplanung mit mehrstufigen Planungsprozessen und Planungsgrundsätzen. Ein haushälterischer Umgang mit dem Boden ist dabei eine der zentralen Maximen. So richtig diese ist, so hoch, ja fast unüberwindbar setzt sie allerdings die Hürden für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Energieangebot hält sich nämlich nicht an planerische Grundsätze. Nein, es kann nur dort erschlossen werden, wo Wasser fliesst, der Wind weht, Biomasse anfällt oder oft die Sonne scheint.

Eine Photovoltaikanlage entlang der Autobahn mag aus Sicht der Energie- und Klimastrategie noch so sinnvoll sein – raumplanungsrechtlich ist sie vermutlich ein No-Go.

Die Notwendigkeit, für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien Produktionsanlagen, Speicher und die für die Erschliessung nötigen Netze zu erstellen, kollidiert mit dem Grundsatz, dass ausserhalb des Baugebiets nur Bauten zulässig sind, die an ihren Standort gebunden sind. Genau das ist für Biomasse, landwirtschaftliche oder alpine Photovoltaik und das Verteilnetz nicht gegeben. Eine Photovoltaikanlage entlang der Autobahn oder eine Biogasanlage neben dem Bauernhof mögen aus Sicht der Energie- und Klimastrategie noch so sinnvoll sein – raumplanungsrechtlich sind sie vermutlich ein No-Go, mangels Standortgebundenheit und Zonenkonformität.

Es schleckt keine Geiss weg: Stand heute ist der angestrebte Umbau der Energieversorgung mit unserer Raumplanung unvereinbar. Wollen wir nicht in Schönheit untergehen, führt daher kein Weg an Änderungen vorbei: Einerseits müssen Interessen noch stärker und frühzeitig in den Planungen identifiziert und aufeinander abgestimmt werden. Andererseits müssen Vorhaben im Dienst der Energie- und Klimastrategie zwingend auch ausserhalb der Bauzone bewilligungsfähig sein. Nur so kann es gelingen, unsere Antworten auf den Klimawandel flankiert durch eine sichere und erneuerbare Stromversorgung in die Tat umzusetzen.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.