Mit Leib und Seele (und Auto)

10.10.2023
Roland Keller ist Netzelektriker bei der EKT AG. Und obwohl er seinen Beruf und das Draussen-Sein liebt, hält er sich aktuell zumeist drinnen auf. Das verlangt seine Aufgabe als Berufsbildner. Glücklicherweise erfüllt ihn diese mindestens so sehr, wie die Arbeit im Graben und auf dem Mast.
Obwohl Roland Keller gerne draussen arbeitet, verlangt seine Aufgabe als Berufsbildner aktuell viel Büropräsenz.

Seit fünf Jahren arbeitet der 52-Jährige beim kantonalen Energieversorger des Kantons Thurgau; zu Beginn als Teamleiter, seit letztem Jahr als «Vollzeit-Berufsbildner». Mit 28 absolvierte Roland Keller die Berufsprüfung und bildete sich anschliessend zum Berufsbildner weiter, unter anderem als einer der Teilnehmer des ersten Zertifikat-Lehrgangs zum Berufsbildner, welchen der VSE 2014 lancierte. Schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber hatte sich Roland Keller der Lernenden angenommen. «Ursprünglich war ich als Praxisbildner mit den Lernenden unterwegs. Das fand ich spannend, und so bewegte ich mich immer stärker in die Richtung Berufsbildner.»

Vor fünf Jahren hat die EKT damit begonnen, Netzelektriker/innen selbst auszubilden. Dieser Schritt erfolgte einerseits als Reaktion auf den ausgetrockneten Fachkräftemarkt und die Schwierigkeiten, offene Stellen von Netzelektriker/innen zu besetzen. Andererseits aber auch aufgrund der Überzeugung, dass die EKT mitverantwortlich ist für gut ausgebildeten Berufsnachwuchs und sich deshalb hier verstärkt engagieren wollte. Roland Keller gab danach seine Rolle als Teamleiter auf und widmete sich fortan voll und ganz dem Bereich Ausbildung in der EKT – und der ersten Lernenden.

Ausbildung von Grund auf neu ausgerichtet

Während diese ihre Ausbildung, die sie mittlerweile abgeschlossen hat, nach dem damals bestehenden Bildungsplan absolvierte, dachte Roland Keller schon weiter. Im Hinblick auf die Ausbildungsreform 2023 baute er die Ausbildung in der EKT von Grund auf um. Dies beinhaltete auch die Koordination mit anderen Ausbildungsberufen in der EKT, wobei Verantwortlichkeiten geklärt und zum Teil neu organisiert werden mussten. Parallel dazu suchte die EKT Lernende und bot weiterhin Schnupperlehren an. Mit Erfolg: Im August 2023 haben gleich zwei Lernende – eine junge Frau und ein junger Mann – bei der EKT ihre Ausbildung als Netzelektriker/in in Angriff genommen. «Das ist quasi der Roll-out unserer neu aufgebauten Ausbildung gemäss Bildungsplan 23.»

Die Veränderungen gegenüber früher seien markant, sagt Roland Keller: «Die Ausbildung erfolgt nun auftragsbasiert und nicht mehr isoliert.» Diese Herangehensweise ermögliche den Lernenden, zu erkennen, dass auch Vor- und Nachbereitung dazugehörten. «So lernen sie ihre Arbeit, ihr Handwerk als Ganzes kennen.» Diese Veränderungen haben Auswirkungen: «Früher konnte man einen Lernenden bis zum Abschluss der Ausbildung quasi mitziehen, auch wenn die schulischen Leistungen nicht so besonders waren. Das geht heute nicht mehr. Da sind auch wir als Betrieb gefordert, und wir müssen von Anfang an aktiv sein.»

Kontakt mit Menschen und frische Luft

Er arbeite wahnsinnig gerne als Netzelektriker, sagt Roland Keller: «Die Vielseitigkeit dieses Berufs ist unschlagbar: Von Holz- und Metallbearbeitung über Kabelarbeiten bis hin zum Bau von Freileitungen ist einfach alles dabei.» Ausserdem schätze er es, sich draussen an der frischen Luft aufzuhalten. Darüber hinaus erlaube ihm dieser Beruf, mit vielen Menschen – Kunden, Anwohnern, Landwirten – in Kontakt zu kommen. «Man ist in der Region unterwegs. Es bleibt persönlich, und die Menschen hier kennen einen.»

Trotzdem hat sich Roland Keller dazu entschieden, die Umstrukturierung der Ausbildung der Netzelektriker/innen EFZ in der EKT zu übernehmen; eine Arbeit, die zu einem grossen Teil im Büro stattfindet. «Ich konnte bei der Trägerschaft in der Arbeitsgruppe ‹Betrieb› an der Reform der Netzelektriker/innen-Ausbildung mitarbeiten. Da spürte ich, dass das genau die Schiene ist, auf der ich künftig fahren will.» Ihm gefiel dabei vor allem, dass gemeinsam etwas erarbeitet, dass zusammen nach Lösungen gesucht wurde. «Ich konnte aktiv daran arbeiten, etwas in die richtige Richtung zu lenken.» Als in der EKT schliesslich die Neuausrichtung der Ausbildung anstand, habe er sich gemeldet – obwohl das bedeutete, dass er vorläufig nicht mehr draussen als Netzelektriker arbeiten konnte.

Roland Keller im Gespräch mit «seinen» beiden Lernenden, vor seinem Geländewagen mit Netzelektriker/in-Schriftzug.

«Hält mich jung im Kopf»

Roland Keller sind «seine» Lernenden wichtig, das merkt man schnell: «Ich arbeite gerne mit jungen Menschen. Das hält auch mich jung im Kopf und zwingt mich, die eigenen Ansichten ständig zu hinterfragen.» Die Arbeit mit Schulabgängerinnen und -abgängern sei spannend: «Die machen ihre ersten Schritte ins Berufsleben. Ich darf sie dabei leiten und begleiten.» Dass die Jugend von heute anders tickt als während seiner eigenen Ausbildungszeit, findet der Berufsbildner richtig und wichtig: «Die Jungen müssen sich nicht anpassen, sondern wir müssen schauen, dass wir mit ihnen Schritt halten können.»

Den Ausbildungsalltag in der EKT hat Roland Keller entsprechend angepasst. «Ich muss die Ausbildung abwechslungsreicher gestalten, weil die Aufmerksamkeitsspanne der Jungen kürzer ist als bei früheren Generationen. Da kann ich nicht einen halben Tag lang das Gleiche mit ihnen machen.» Die gesteigerte Affinität zu elektronischen Geräten führe ausserdem zu anderen Denkstrukturen als früher: «Sie arbeiten aber nicht besser oder schlechter, sondern einfach anders.» Entsprechend müsse sich auch die Ausbildung verändern und modernisieren. «Das ist nicht mehr wie früher, als man drei Jahre Lehrling war und am Schluss eine Prüfung absolvierte.»

Gegenseitige Motivation

Als Berufsbildner sind neben Fachwissen auch viel Einfühlungsvermögen und Verständnis für die Sorgen und Nöte junger Erwachsener gefragt. «Die Lernenden motivieren mich genauso, wie ich – hoffentlich – auch sie motiviere.» Wichtig findet er aber auch die Kultur, welche im Ausbildungsbetrieb herrscht: «Diese Mentalität nehmen die Jungen nach der Ausbildung mit in ihr ganzes Berufsleben. Und was ist wertvoller, als wenn jemand sagen kann, dass er eine gute Ausbildungszeit hatte? So etwas stiftet Identifikation und bleibt haften. Und das ist am Ende gleich viel wert wie der Zahltag.»

Um Lernende zu finden, betreibt Roland Keller grossen Aufwand. Er geht in die Schulen, um den Netzelektriker-Beruf vorzustellen, lädt Volksschulklassen zu Führungen und Besichtigungen in die EKT ein, verteilt Flyer und, und, und. Dabei ist Roland Keller viel unterwegs, und er lernt ständig neue Menschen aus der Branche kennen. «Diese Vernetzung ist unglaublich wichtig, und ich habe schon sehr viele wertvolle Kontakte geschlossen.» So könne sichergestellt werden, dass niemand, der Interesse an der Ausbildung als Netzelektriker/in habe, verloren gehe, denn «für die Branche spielt es keine Rolle, wo jemand die Netzelektriker-Ausbildung macht. Wichtig ist, dass er sie macht».

Netzelektriker durch und durch

Für Roland Keller ist daher klar: «Heute muss man aktiv sein, um diesen wunderbaren Beruf bekannt zu machen. Wir können nicht einfach abwarten, sondern müssen Marketing betreiben.» Dass das nicht nur leere Worte sind, demonstriert Roland Keller jedes Mal, wenn er unterwegs ist: Als ob seinen Geländewagen nicht schon auffällig genug wäre, hat er sein Auto zusätzlich mit dem violett-pinken «Netzelektriker/in»-Logo versehen. Eine prominentere Werbeplattform ist eigentlich kaum denkbar.