Endlich durchstarten

Erneuerbare Energien, Gaskraftwerke oder gar neue Kernkraftwerke? Wie dem auch sei: Endlich kommt Schwung in die Diskussion über die Stromversorgungssicherheit. Das ist gut so, denn da sich die Schweiz faktisch aus dem europäischen Strommarkt verabschiedet, hat sich die Dringlichkeit zu handeln deutlich verschärft.
20.08.2021

Kaum hat der Bundesrat seine Vorschläge für eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien vorgelegt, kursieren bereits weitere Ideen: Gaskraftwerke, ein längerer Betrieb der bestehenden Kernkraftwerke, ja gar neue Kernkraftwerke.

Dass nun endlich Schwung in die Diskussion über die Stromversorgungssicherheit kommt, ist gut, denn diese ist der Nerv von Wirtschaft und Gesellschaft und damit absolut prioritär. Allerdings ist der Diskussionsbedarf nicht neu. Es ist längst klar: Die Kernenergie muss ersetzt werden und die Dekarbonisierung lässt den Strombedarf steigen. Zudem schwinden in ganz Europa die gesicherten Kapazitäten durch Kernenergie- und Kohleausstieg, so dass sich die Schweiz nicht blind auf Importe verlassen kann.

Unsere Versorgung steht nicht erst 2050, sondern schon innert 10 bis 15 Jahren auf dem Prüfstand.

Trotzdem kommt der Ausbau im Inland nicht vom Fleck. Der Markt gibt nicht genügend Investitionssicherheit, die Bewilligungsverfahren sind hürdenreich und viel zu lang – zudem fehlt die politische und gesellschaftliche Akzeptanz, so dass auf sämtliche grösseren Projekte Einsprachen und Opposition einprasseln.

Das Resultat der anhaltenden Blockade: Längst abgeschlossen geglaubte Diskussionen flammen neu auf. Doch der Ausstieg aus der Kernenergie entspricht dem Volkswillen. Der Souverän hat aber auch entschieden, dass die bestehenden Kraftwerke so lange betrieben werden können, wie sie sicher sind. Die Beurteilung aus sicherheitstechnischer Sicht obliegt dem ENSI, jene aus Sicht der Wirtschaftlichkeit den Betreibern. Der Weiterbetrieb der Kraftwerke verschafft jedenfalls wertvolle Zeit, um für Ersatz zu sorgen. Doch er darf uns keinesfalls dazu verleiten, weiter abzuwarten. Im Gegenteil.

Die Dringlichkeit zu handeln hat sich sogar weiter erhöht, da sich die Schweiz faktisch aus dem europäischen Strommarkt verabschiedet. Die Aufrechterhaltung der Netzstabilität wird dadurch immer schwieriger und es drohen einschneidende Einschränkungen der Importkapazitäten – und dies bereits in den nächsten Jahren.

Unsere Versorgung steht also nicht erst 2050, sondern schon innert 10 bis 15 Jahren auf dem Prüfstand. In dieser kurzen Zeit muss die benötigte Inlandproduktion bereitgestellt werden. Die erneuerbaren Energien stehen dafür längst in den Startlöchern. Lassen wir sie endlich durchstarten.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, im Branchenmagazin Bulletin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.