Die Digitalisierung ist eine wesentliche Voraussetzung für den Umbau des Energiesystems. Die Energieversorgungsunternehmen sind sich der Bedeutung der Digitalisierung bewusst, verfolgen digitale Strategien und gehen entsprechende Partnerschaften ein, um ihre Digitalisierungsprojekte voranzutreiben. Das sind die wesentlichen Erkenntnisse der Studie «Digital@EVU 2023» von Kearney, IMP3ROVE, BDEW und dem VSE. An der Studie haben über 100 EVU verschiedener Unternehmensgrössen in 13 Ländern teilgenommen. Mit über 600 Unternehmen – vom international tätigen Konzern bis zur in einer Gemeinde integrierten Abteilung – ist die Schweizer Strombranche sehr heterogen, was die Aussagekraft der Studie für Schweizer Stromversorgungsunternehmen etwas einschränkt. Die Studienergebnisse unterstützen sie dennoch dabei, branchenübliche Praktiken besser zu verstehen und das eigene Unternehmen mit der Konkurrenz zu vergleichen. Zudem identifiziert die Studie Zukunftstrends und Chancen des digitalen Zeitalters.
Einsparungen und Umsatzsteigerung
Die diesjährige Studie hebt das Potenzial von Synergien zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Schlüssel zu einer klimaneutralen Zukunft hervor. Sie identifiziert eine klare Korrelation zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit: 54 Prozent der teilnehmenden EVU geben an, dass ihre digitale Strategie ein wichtiger Enabler ist, um die eigene «grüne Agenda» umzusetzen. Die Hälfte der Unternehmen haben vor, ihr IT-Budget in den nächsten drei Jahren zu erhöhen. Von der Digitalisierung erwarten rund ein Viertel Kosteneinsparungen von 9 Prozent und mehr. Digitalisierung soll aber auch zur Umsatzsteigerung beitragen, Wachstumspotenzial wird in verschiedenen Tätigkeitsfeldern identifiziert, u. a. bei smarten Heizsystemen, der Ladeinfrastruktur oder im Energiehandel. Besonders fortgeschritten ist die Digitalisierung im Bereich IT- und Datensicherheit. Das erstaunt nicht: Mit fortschreitender Digitalisierung wachsen die Ansprüche an Datenschutz und Datensicherheit, zumal EVU für die Stromversorgung kritische Infrastruktur betreiben.
Das Engagement des VSE für die digitale Transformation der Branche
Der VSE engagiert sich dafür, dass sich die Branche in verschiedensten Bereichen weiter digitalisiert und auf die dafür notwendigen Fachkräfte zählen kann, u.a. mit eigenen Weiterbildungsangeboten wie der IT-/OT-Cyber-Security-Schulung. Als Dachverband erarbeitet der VSE Grundlagen und stellt der Branche Richtlinien, Kurse, Werkzeuge und Plattformen zur Verfügung. Zudem betreibt er das «Forum für Digitalisierung in der Energiebranche», auf der sich EVU, IT-Dienstleister und weitere Digital-Expertinnen und -experten austauschen und unterstützen können. Das Forum ist der virtuelle Treffpunkt für die digitale Transformation der Branche.
Unklarheit über benötigte digitale Skills
Grosses Potenzial hingegen, unabhängig von der Grösse des EVU, liegt bei der Kundenorientierung, der Prozessdigitalisierung und der Datenanalyse brach. Über alle Aktionsfelder und Digitalisierungsinstrumente hinweg fällt zudem auf, dass der Digitalisierungsstand von grossen EVU und Konzernen (Umsatz ab 250 Millionen Euro pro Jahr) fortgeschrittener ist als von kleinen und mittleren EVU mit kleinerem Umsatzvolumen. Es zeigt sich zudem, dass acht von zehn Unternehmen keine überliegende digitale Strategie über die gesamte Wertschöpfungskette definiert haben. Das dürfte der Grund dafür sein, dass die Digitalisierung nicht in allen Bereichen gleichermassen vorankommt. Zudem ist einer Mehrheit der Unternehmen unklar, welche digitalen Skills und welches Know-how sie in Zukunft benötigen. Folglich fehlt auch den Personalverantwortlichen die Orientierung, um entsprechende Aus- und Weiterbildungen anzubieten sowie neues Personal zu rekrutieren.
Chancen der Digitalisierung aufzeigen
Interne Hürden abbauen und digitale Skills aufbauen sind für Markus Riner, Leiter IT und Digitalisierung beim VSE, zentrale Erkenntnisse der Digital-Studie: «Veraltete Systeme, routinierte Abläufe sowie teilweise der Widerstand der Mitarbeitenden hemmen den Digitalisierungsprozess. Hier sind die Unternehmen gefragt, mit Fingerspitzengefühl die Chancen der Digitalisierung aufzuzeigen.» Eine Digitalisierungsstrategie, welche die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur einzelne Bereiche umfasst, Etappen und Zwischenziele definiert sowie eine Innovationskultur fördert, würde zu mehr Akzeptanz führen, ist Markus Riner überzeugt.