«Der nächste wichtige Meilenstein»

17.05.2023
Am 18. Juni 2023 befinden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über das Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit. Das Klima- und Innovationsgesetz soll dazu beitragen, den Verbrauch fossiler Energien zu senken, und verankert explizit das Netto-Null-Ziel für 2050. Damit ist die Vorlage ein indirekter Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative. Nadine Brauchli, Bereichsleiterin Energie und Mitglied der Geschäftsleitung des VSE, sagt im Interview, warum der Verband das Gesetz unterstützt.

Warum unterstützen der VSE und die Strombranche dieses Gesetz?

Der VSE begrüsst die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Dekarbonisierung ist in allen Sektoren (wie Strom, Gas, Wärme, Verkehr) bis 2050 voranzutreiben. Mit dem Umbau des Energiesystems – hin zu einer auf erneuerbaren Energien basierenden Versorgung – hat die Schweiz bereits seit geraumer Zeit begonnen. Wichtigster Meilenstein war das Volks-Ja zur Energiestrategie 2050. Nun müssen auch weitere Bereiche und Sektoren folgen. Das Klimaschutzgesetz schafft dazu wichtige Voraussetzungen. Der VSE hat mit seiner Studie «Energiezukunft 2050» aufgezeigt, dass der Umbau des Energiesystems machbar ist und zu gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führt. Aber der eingeschlagene Weg ist anspruchsvoll. Wir müssen ihn unverzüglich konsequent gehen. Das Klimaschutzgesetz ist der nächste wichtige Meilenstein.

Welche Punkte sind aus Sicht der Branche zentral, und warum?

Die laufenden, hohen Investitionen in das Energiesystem und auch in seinen Umbau erfordern eindeutige und beständige Rahmenbedingungen. Es muss allen klar sein, wohin die Reise gehen soll. Daher ist die Zielvorgabe – netto Null ab 2050 – zentral. Im Interesse der Planungs- und der Investitionssicherheit ist auch eine Abstimmung des CO2-Gesetzes mit dem Energiegesetz (EnG), dem Stromversorgungsgesetz (StromVG) und dem künftigen Gasversorgungsgesetz (GasVG) sowie der kantonalen Energiegesetzgebungen (Umsetzung der MuKEn) nötig, denn die Integration aller Sektoren hinsichtlich Klimaziele verlangt auch eine Integration der Rahmenbedingungen. Da zur Erreichung der Klimaziele die fossilen Brenn- und Treibstoffe grossmehrheitlich durch Strom aus erneuerbaren Energien ersetzt werden, wird Strom künftig für die Energieversorgung eine noch wichtigere Rolle spielen. Daher ist Hand in Hand mit der Klimagesetzgebung auch der Ausbau der inländischen erneuerbaren Stromproduktion zügig voranzutreiben. Mit dem Mantelerlass ist ein weiterer Meilenstein auf gutem Weg.

Dieses Gesetz ist nicht nur für die Branche, sondern für die ganze Schweiz wichtig. Warum?

Ohne dieses Gesetz könnte die Schweiz international ins Abseits geraten. Gegenüber der internationalen Gemeinschaft hat sie ja ihren Beitrag an den globalen Klimaschutz versprochen. Gerade im Vergleich zu ihren engsten Partnern in Europa, aber auch vielen weiteren Staaten, würde unser Land viel weniger ambitionierte Ziele verfolgen. Neben einem Imageschaden könnte darunter schlimmstenfalls auch die Zusammenarbeit mit der europäischen Nachbarschaft weiter leiden. Aktuell ist das Emissionshandelssystem der Schweiz mit demjenigen der EU verlinkt. Diese Verlinkung trägt wesentlich dazu bei, dass die Schweiz nicht vom neuen CO2-Grenzausgleichsystem der EU betroffen ist. Während die EU die Klimapolitik mit Volldampf vorantreibt und unter anderem das Emissionshandelssystem auf weitere Sektoren (Verkehr und Wärme) ausweitet, bliebe die Schweiz stehen. Damit könnten schlimmstenfalls eine Entkopplung des Emissionshandelssystems und neue Handelsschranken drohen. Auch der Beitritt zu einem internationalen Klima-Club geriete ausser Reichweite. Am direktesten und einschneidendsten würde sich ein Nein aber im Inland auswirken. Es würde zu grosser Rechts- und Investitionsunsicherheit führen. Die Anstrengungen der Wirtschaft, des Energiesektors und auch von vielen Privaten auf dem Weg hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung würden dadurch gebremst, statt beflügelt.