Auf gut Glück?

Der Bundesrat will an verschiedenen Stellschrauben drehen, um die Investitionsbedingungen in erneuerbare Energien zu verbessern. Das ist gut so. Für die Versorgungssicherheit braucht es nun klare Sicht auf Ziele und Zusammenhänge ... auf dass wir nicht auf gut Glück operieren. Lesen Sie dazu unsere neuste politische Feder.
06.07.2020

Frankreich befürchtet schwere Versorgungsprobleme im kommenden Winter. Da Fessenheim und fossile Kraftwerke ausser Betrieb genommen wurden und sich Flamanville und der Ausbau Erneuerbarer verspäten, ist Frankreich für seine Winterversorgung bereits auf dem Quivive. Nun kommt auch noch die coronabedingte Verschiebung der KKW-Revisionen hinzu.

Das Beispiel zeigt, wie schnell ein eigentlich funktionierendes System aus dem Gleichgewicht geraten kann. Und doch: die Stromversorgung muss derartige Stresstests jederzeit bewältigen können – auch in Zeiten des Umbaus.

Für die Versorgungssicherheit müssen die verschiedenen Massnahmen aufeinander abgestimmt und an quantitativen Kriterien und Richtwerten ausgerichtet werden. Denn die Versorgung kann nicht auf gut Glück sichergestellt werden, sondern bedingt eine klare Sicht.

Auch in der Schweiz stehen die Zeichen auf Umbau. Allerdings stockt der Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion. Nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern auch administrative Hürden und fehlende Akzeptanz bremsen die Investitionen. Die Stimmen, die vor Auslandsabhängigkeit und Versorgungsrisiken warnen, werden immer lauter. Der Bundesrat will deshalb an verschiedenen Stellschrauben drehen, um die Versorgungssicherheit zu stärken und die Investitionsbedingungen zu verbessern.

Die Förderung weiterzuführen und sie effizienter und wettbewerblicher auszugestalten ist ein pragmatischer Weg. Durch die Anwendung der Ausschreibungen auf alle Grossanlagen (statt nur Photovoltaik) und deren systematische Ausrichtung auf die Winterproduktion könnte dieser Weg indes noch konsequenter angegangen werden. Auch die vom Bundesrat vorgesehene Einrichtung einer Speicherreserve und von Ausschreibungen von Winterproduktion im Fall einer sich abzeichnenden Gefährdung der Versorgung sind zu begrüssen. Allerdings lassen all diese Ansätze eine Gesamtsicht und eine Zielsetzung vermissen.

Die Erfahrung zeigt, dass eine angemessene heimische Produktion für eine langfristig hohe Versorgungssicherheit zentral ist. Nicht umsonst warnt die ElCom regelmässig vor zu grosser Importabhängigkeit. Sie gibt neu auch einen quantitativen Anhaltspunkt: Die Winterimporte sollten 10 TWh nicht übersteigen – eine Einschätzung, die der VSE notabene teilt.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und der gesellschaftliche Wille sind Basis für die Umsetzung der Energiestrategie. Für die Versorgungssicherheit müssen die verschiedenen Massnahmen aufeinander abgestimmt und an quantitativen Kriterien und Richtwerten ausgerichtet werden. Denn die Versorgung kann nicht auf gut Glück sichergestellt werden, sondern bedingt eine klare Sicht.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.