Wasserkraft: Ein Schritt in die richtige Richtung – und weitere müssen folgen

Das Parlament hat mit der Annahme des Beschleunigungserlasses eine wichtige Grundlage für die 16 Wasserkraftprojekten mit übergeordnetem nationalem Interesse geschaffen. Doch die in der Volksabstimmung vom Juni 2024 angenommenen Ziele für die Wasserkraft fordern mehr. Über 80% des erforderlichen Ausbaus muss aus anderen Projekten kommen, und nimmt dabei insbesondere die Kantone in die Pflicht.
26.09.2025

Das ist eine Medienmitteilung von Swiss Small Hydro – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder.

 

Bei der Abstimmung über das Stromgesetz am 9. Juni 2024 hat sich das Stimmvolk auch für höhere Ziele bei der Stromproduktion aus Wasserkraftwerken ausgesprochen. Bis 2050 soll die Wasserkraft jährlich 39,2 Milliarden Kilowattstunden (TWh) Strom produzieren. Heute sind es im langjährigen Mittel 37,4 TWh[i], die Zielerreichung scheint - zumindest auf den ersten Blick - möglich. Bei vertiefter Betrachtung zeigt sich jedoch, dass aufgrund von Restwassersanierungen bestehender Kraftwerke weitere fast 2 TWh Produktion verloren gehen. Unter Berücksichtigung der sich ändernden klimatischen Verhältnisse ist damit ein Zubau von rund 4 TWh Jahresproduktion aus Wasserkraft bis 2050 erforderlich. 

In Antwort auf das Postulat 23.3006 „Potenzial für Erneuerungen und Erweiterungen bei der Grosswasserkraft” hat der Bundesrat im Juni 2025[ii] ein theoretisches Ausbaupotenzial von 1,35 TWh Jahresproduktion ausgewiesen. Gut ein Drittel dieses Potenzials wäre nur mit zusätzlicher Förderung der Grosswasserkraft erschliessbar. Im Ausbaupotenzial enthalten ist auch der Beitrag der 15 Projekte des Runden Tischs, welcher mit nur 361 GWh verhältnismässig gering ist (<10%). Die Stärke und Bedeutung dieser Projekte liegt bei der sicher abrufbaren Winterproduktion, welche für eine verbesserte Versorgungssicherheit erforderlich ist. Im August teilte der Bundesrat zudem mit, dass die Liste der 15 Wasserkraftprojekte angepasst werden soll[iii]. Inwiefern sich das auf den damit verbundenen Produktionszubau auswirkt, ist noch nicht bekannt. 

Im Vergleich zu den erforderlichen 4 TWh genügen diese Potenziale bei weitem nicht. In der Potenzialstudie des BFE aus dem Jahr 2012[iv] ist ein gangbarer Weg beschrieben, wie das Ziel bis 2050 grundsätzlich erreicht werden kann. Es braucht sowohl optimierte Nutzungsbedingungen als auch die Nutzung der Kleinwasserkraft. Letztere werden jedoch seit dem Energiegesetz von 2017 nicht mehr gefördert. Die Vertreter des Gewässerschutzes reiten seither auf einer Erfolgswelle und konnten bereits die Stilllegung zahlreicher kleiner Wasserkraftwerke erreichen. Sie arbeiten sogar darauf hin, dass die Stilllegung kleiner Wasserkraftwerke als Ausgleichsmassnahme für grössere Wasserkraftanlagen angerechnet wird. Die Gefahr, dass sich die Wasserkraft damit selbst kannibalisiert und die Ziele für das Jahr 2050 in weite Ferne rücken, ist real. 

Auch auf kantonaler Ebene zeigt sich wiederholt, dass die Herausforderung nicht erkannt wird. So erwähnt der Kanton Bern in seiner Wasserstrategie 2040[v] explizit nur die Grosswasserkraft. Der Kanton Aargau bezeichnet sich in seiner Strategie „EnergieAargau 2025”[vi] zwar als Wasserkraft-Pionier, verfügt gleichzeitig die Stilllegung von Wasserkraftwerken[vii] und verzichtet auf die Nutzung von Anlagen mit einer Leistung von weniger als 50 kW. Und der Kanton St. Gallen kommuniziert ein „realistisches” Wasserkraft-Potenzial von 30 bis 40 GWh als gering[viii], obwohl es ein Mehrfaches davon betragen könnte.

Für die Entwicklung des verbleibenden Potenzials sind neben viel Durchhaltewillen auch enorme finanzielle Mittel erforderlich. Denn heftiger Widerstand seitens des mächtigen Gewässerschutzes mit dazugehörigen Rechtsverfahren ist eigentlich garantiert. Neben schlankeren Bewilligungsverfahren wären insbesondere auch Fördergelder hilfreich, um die Risiken der Projektentwickler zu mindern. Erstaunlicherweise zeigen jedoch insbesondere die allerkleinsten Wasserkraftwerke, was grundsätzlich möglich wäre: Sie brillieren im Rahmen neuer dezentraler Energiekonzepte, die eigentlich für die Photovoltaik konzipiert wurden. Dank ihrer hohen Verfügbarkeit und attraktiven Gestehungskosten machen sie vor, wie auch ohne Fördergelder ein Beitrag zur Energiewende geleistet werden kann. Das mit dem Watt d’Or ausgezeichnete Projekt der Papieri Cham[ix] ist dafür das beste Beispiel. (Swiss Small Hydro)


 


[i] https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/erneuerbare-energien/wasserkraft.html

[ii] https://www.news.admin.ch/de/newnsb/gnrrPED1iJUFZ6aCo9DqB

[iii] https://www.news.admin.ch/de/newnsb/vwhqqT4H51mWElAGWH6Vs

[iv] https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/versorgung/erneuerbare-energien/wasserkraft.exturl.html/aHR0cHM6Ly9wdWJkYi5iZmUuYWRtaW4uY2gvZGUvcHVibGljYX/Rpb24vZG93bmxvYWQvNjUxNg==.html

[v] https://swissmallhydro.ch/wp-content/uploads/2025/06/SSH-Stellungnahme_Wasserstrategie_2040_BE.pdf

[vi] https://swissmallhydro.ch/wp-content/uploads/2025/06/Stellungnahme-v250610-eingereicht.pdf

[vii] https://www.srf.ch/audio/regionaljournal-aargau-solothurn/trotz-stromknappheit-wasserkraftwerk-in-baden-stillgelegt?id=37e5f00e-8cfb-40b3-b830-a7d4fbf3b56a

[viii] https://www.sg.ch/news/sgch_allgemein/2025/05/st-galler-wasserkraft--geringes-ausbaupotenzial.html

[ix] https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/das-bfe/watt-d-or/gewinner-des-watt-dor/gewinner-des-watt-d-or-2024.html