Wie prägt die Dekarbonisierung die EVU-Landschaft?

Strom ist der Schlüssel für die Erreichung der Klimaziele. Mittels Elektrifizierung tragen EVU stark zum Netto-Null-Ziel bei. Doch wie verändert dieser Weg die EVU als Unternehmen? Eine neue Ernst&Young-Studie liefert Antworten.
18.08.2021

Sicher, bezahlbar, umweltfreundlich: So soll die Stromversorgung der Zukunft aussehen. Nicht nur die Politik, sondern auch die Kundschaft von Elektrizitätsversorgungsunternehmen legt immer stärker den Fokus auf nachhaltige Geschäftsmodelle sowie grüne Energieprodukte – und «Sustainable Investment» boomt unter den AnlegerInnen. Die Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young haben zusammen mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bei 75 Teilnehmenden aus der Beschaffung nachgefragt, wie die «grüne Welle» sich auf die Branche konkret auswirkt.

Erkenntnis 1: Grün ist Trumpf – Over the Counter

Die Fokussierung im Energiehandel liegt gemäss E&Y in Zukunft auf grünen Energieprodukten. Die Mehrheit der EVU verbindet mit grünen Energieprodukten eine Kombination aus Strom bzw. Gas und Herkunftsnachweisen (HKN) aus Erneuerbaren. Eine Schlüsselrolle im Commodity-Handel übernimmt zukünftig Wasserstoff als Energieträger und Speichermedium von erneuerbarer Energie. 40% der Marktteilnehmer werden demnach Wasserstoff beschaffen oder vermarkten, wodurch in Power-to-X- und Großhandels-Know-how investiert wird. Die dominierenden Handelsplätze bleiben OTC-Märkte, da grüne Energieprodukte und passende Absicherungs-Instrumente noch nicht ausreichend für den börslichen Handel standardisiert sind.

Erkenntnis 2: Klare Trennung bei den Geschäftsmodellen

Viele EVU richten grüne Geschäftsmodelle nach Upstream- oder Downstream-Aktivitäten aus, bzw. splitten danach auf: EVU, die bereits vornehmlich auf Upstream-Aktivitäten wie die Produktion setzen, forcieren also den Ausbau eigener Anlagen der erneuerbaren Produktion und den Direktbezug aus Erneuerbaren ohne Zwischenhändler. EVU mit Downstream-Geschäftsmodell fokussieren derweil stärker auf die Weitervermarktung von grünen Energieprodukten an Industrie- und Haushaltskunden. Wichtigster Druck-Faktor für die Produktion/Beschaffung von grüner Energie ist gemäss der Umfrage die steigende Nachfrage von Industriekunden. Regulatorischer Druck wird erst an vierter Stelle genannt.

Erkenntnis 3: Hoch entwickelte Digitalprodukte als Enabler

Die noch geringe Standardisierung grüner Energieprodukte hemmt derzeit sowohl die Geschäftsanbahnung als auch die Geschäftsabwicklung. In der Umsetzung des Handels mit grünen Energieprodukten rechnen die Marktteilnehmer mit einer Zunahme von Preis-, Volumen- und regulatorischen Risiken. Deutlichen Zuwachs erfahren darum digitale Hilfsmittel, wie Analytics-Anwendungen in Verbindung mit KI-Lösungen (Künstliche Intelligenz), die Verbrauchs- und Erzeugungsdaten in Echtzeit auswerten können. Hieraus werden Handelsentscheidungen zeitnah abgeleitet, was zur Minimierung von Mengenrisiken beiträgt. Über die Hälfte der Survey-Teilnehmer verbleiben aber aktuell noch bei der Einschätzung, dass sie bis 2025 die naheliegende Blockchain – mit ihrer Technik der verteilten Kassenbücher (distributed ledger) – nicht operativ einsetzen werden.