Die Schweizer Strombranche – vertreten durch den VSE – steht hinter dem Stromabkommen mit der EU. Die innerstaatliche Umsetzung des Abkommens weist er hingegen entschieden zurück und verlangt eine grundlegende Überarbeitung. Das hat der VSE Vorstand an seiner Sitzung vom 15. Oktober 2025 beschlossen. Voraussetzung bleibt, dass die innerstaatliche Ausgestaltung marktnah erfolgt und keine weitergehenden Auflagen gegenüber den Vorgaben der EU enthält. Im Zusammenhang mit der Vernehmlassung des Bundesrats zum Verhandlungsmandat hatte der VSE letztes Jahr seine Anforderungen an ein Stromabkommen formuliert (vgl. Forderungen VSE). Einige der Anforderungen an das Abkommen erachtet er als erfüllt – den vorliegenden innerstaatlichen Umsetzungsentwurf erachtet der VSE allerdings als nicht tragbar.
Stromabkommen stärkt Versorgungssicherheit
Die Schweiz und die EU haben mit dem Stromabkommen einen entscheidenden Schritt für eine sichere, stabile und wirtschaftliche Stromversorgung gemacht. Das Abkommen integriert die Schweiz vollständig in den europäischen Strombinnenmarkt und stärkt die Zusammenarbeit beim sicheren Netzbetrieb. Dadurch erhält die Schweiz uneingeschränkten Zugang zu zentralen europäischen Koordinationsplattformen – etwa für Regelenergie – und kann ihre Rolle als Stromdrehscheibe im Herzen Europas wieder einnehmen. Dies stärkt die Versorgungssicherheit insbesondere im Winter, senkt die Kosten für die Netzstabilität, ermöglicht einen effizienteren Stromhandel über die Landesgrenzen hinweg und stärkt den Wirtschaftsstandort Schweiz.
Das Abkommen erlaubt es den Konsument:innen, ihren präferierten Stromanbieter frei zu wählen, fördert Wettbewerb und Innovation im Energiemarkt und verbessert die Integration von erneuerbaren Energien und dezentralen Flexibilitäten wie beispielsweise Speichern. Die Schweiz bleibt zudem im Bereich der Wasserkraft souverän und kann weiterhin ihre Konzessionen eigenständig regeln. Gleichzeitig erhält sie Zugang zu allen relevanten EU-Gremien und sichert sich damit Mitgestaltungsrechte bei der Weiterentwicklung des europäischen Energiesystems. Das Stromabkommen sorgt für langfristige Planungs- und Rechtssicherheit in allen Bereichen der Stromversorgung.
«Das Stromabkommen stärkt die Versorgungssicherheit der Schweiz und ist ein Meilenstein für die gesamteuropäische Netzstabilität», betont Martin Schwab, Präsident des VSE. «Damit die positiven Effekte tatsächlich realisiert werden, muss der Entwurf zur innerstaatlichen Umsetzung fundamental überarbeitet werden.»
Entwurf zur innerstaatlichen Umsetzung verfehlt Ziel der Marktöffnung
Der VSE ist von den Vorteilen des Stromabkommens überzeugt, fordert allerdings eine fundamentale Überarbeitung der innerstaatlichen Umsetzung des Abkommens. Der VSE fordert eine schlanke, praktikable und marktgerechte Regulierung im Strombereich. Zusätzliche nationale Auflagen über die EU-Vorgaben hinaus – einen sogenannten Swiss Finish – lehnt er klar ab, da sie den Schweizer Konsument:innen sowie dem gesamten Strommarkt keinen Mehrwert bringen und die Preise unnötig in die Höhe treiben. Insbesondere bei der vollständigen Marktöffnung und der Grundversorgung müssen zusätzliche Vorgaben vermieden werden. Der VSE fordert eine zentrale Abnahmestelle für die Produktion aus kleinen Erzeugungsanlagen sowie klare, realistische Übergangsfristen. Nur so ist eine erfolgreiche Implementierung des Abkommens möglich. Der VSE bietet seine konstruktive Mitarbeit bei der Ausgestaltung einer schlanken, marktnahen innerstaatlichen Umsetzung an.
Grundversorgung: einfach, zuverlässig und marktgerecht
Der VSE anerkennt den Wunsch nach einer Grundversorgung, stellt aber zugleich klar, dass das vom Bundesrat vorgeschlagene Modell einer vollständigen Marktöffnung fundamental widerspricht. Die Grundversorgung soll mit Ausnahme der strukturierten Beschaffung ohne zusätzliche Vorgaben auskommen und marktbasiert sein. Ziel der Grundversorgung muss aus Sicht des VSE sein, für Kund:innen eine garantierte Versorgung zu einem jährlich fixen Preis ohne Marktpreisschwankungen und ohne Wechselaufwand anzubieten. Wollen die Kundinnen und Kunden zu einem auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Angebot wechseln, können sie aus einer breiten Palette an Marktprodukten wählen.
Vorgaben verteuern die Grundversorgung
Der Bundesrat schlägt eine Grundversorgung vor, die nahezu vollständig auf dem neuen Stromgesetz basiert. Es gelten beispielsweise weiterhin unnötig strikte Vorgaben zur Herkunft des Stroms. Der VSE erachtet diese Qualitätsvorgaben des Bundes als ungeeignet und fordert deren Streichung. Sie stehen einer effizienten und bezahlbaren Grundversorgung entgegen. Die Grundversorgung muss eine faire Alternative zu den Marktprodukten darstellen. Damit das möglich ist, sind die Vorgaben für die Grundversorger deutlich zu lockern: Im Vordergrund steht die Beschaffung von Strom für die Grundversorgung, die so gestaltet werden muss, dass die Preise weitgehend gegen Marktpreisschwankungen abgesichert sind (strukturierte Beschaffung). Auf weitere Qualitätsvorgaben ist zu verzichten. Sie verteuern die Grundversorgung zu Lasten der grundversorgten Kundinnen und Kunden, welche ihren Anbieter nicht wechseln wollen. Dass es viel einfacher ginge, zeigt auch die Tatsache, dass der Bundesrat bei der Gasversorgung ganz auf eine regulierte Versorgung verzichten und lediglich missbräuchliche Preise durch den Preisüberwacher überwachen lassen will.
VSE Direktor Michael Frank warnt: «Der Entwurf in seiner jetzigen Form führt zu höheren Kosten und Risiken. Für die Strombranche würde die vorgeschlagene innerstaatliche Umsetzung aufwändiger, teurer und unattraktiver. In dieser Form ist der Umsetzungsentwurf für den VSE nicht tragbar.»
Der VSE reicht bis Ende Oktober seine Änderungsanträge ein und stellt dem Bund seine Vorschläge und sein Fachwissen für die fundamentale Überarbeitung der innerstaatlichen Umsetzung zur Verfügung. Die abschliessende Beurteilung des Gesamtpakets wird der VSE nach den parlamentarischen Beratungen vornehmen, in die er sich intensiv einbringen wird.
Irit Mandel
Tel. +41 62 825 25 30, irit.mandel@strom.ch
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