Trügerische Sicherheit

Politische Feder 12/2018
01.12.2018
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Seit 2016 hat sich der Strompreis um über 40 Prozent erholt. Das ist eine gute Nachricht. In- und ausserhalb der Strombranche kann tief aufgeatmet werden. Der Bundesrat sieht sich deshalb bestärkt, auf den Markt zu setzen: Die Wasserkraft könne ihre Gestehungskosten wieder decken. Ist also alles wieder paletti?

Dazu drei Gedanken:

Erstens: Starke Treiber des Strompreises sind die Kohle- und die CO2-Preise. Beide sind unter anderem getrieben von globalen politischen Entscheiden, auf welche die Schweiz keinen Einfluss hat. Sollte beispielsweise die Wirtschaftsentwicklung in der EU ins Stocken geraten, könnten die Klimapolitik und mit ihr die Zertifikatepreise rasch unter politischen Druck kommen.

Um die Produktion im Inland zu erhalten und weiter auszubauen, ist indes ein grosser und langfristig angelegter Investitionseffort gefragt.

Zweitens: Die jüngsten Preisaufschläge waren auch der extremen Trockenheit geschuldet. Wassermangel bedeutet Produktionseinbusse bei der Laufwasserkraft und bei flussgekühlten thermischen Kraftwerken. Zudem leiden die Rheintransporte unter tiefen Pegelständen; Lieferengpässe und steigende Transportkosten, beispielsweise für Kohlelieferungen, sind die Folge.

Drittens: Investitionen in den Erhalt und Ausbau der Produktion hängen von der Erwartung einer langfristig angemessenen Rendite ab. Fehlt diese, werden die Investitionen auf ein Minimum reduziert und grössere Erneuerungsinvestitionen verschoben. Um ein gewisses Vertrauen zu schaffen, muss der Marktpreis dauerhaft deutlich über den Gestehungskosten liegen.

Die kräftezehrende Tiefpreis-Talsohle ist vorerst durchschritten. Mit dem Hochpreisumfeld von 2008 ist jedoch kein Vergleich, und die weitere Entwicklung ist ungewiss. Der langfristige Investitionshorizont – 20 Jahre bei Photovoltaik, 50 Jahre aufwärts bei der Wasserkraft – verträgt sich schlecht mit den Unwägbarkeiten eines rasch veränderlichen Preisumfelds.

Um die Produktion im Inland zu erhalten und weiter auszubauen, ist indes ein grosser und langfristig angelegter Investitionseffort gefragt. Sich dafür auf den momentanen Aufschwung der Marktpreise zu verlassen, könnte sich als trügerische Sicherheit erweisen. Es braucht vielmehr einen Rahmen, der sich auf das Marktumfeld einstellen und gegebenenfalls die nötigen Anreize setzen kann.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, im Branchenmagazin Bulletin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.