Solarexpress: Und er fährt doch!

10.04.2024
Immer wieder machen Meldungen von alpinen Photovoltaikprojekten die Runde, denen in den Standortgemeinden die Zustimmung der Bevölkerung verwehrt bleibt. Böse Zungen behaupten, der Solarexpress sei gescheitert oder im besten Fall ein Bummler.

Was 2022 mitten in der Energiekrise im Parlament mit viel Euphorie begann und einen regelrechten Run auslöste, ist inzwischen in der Realität angekommen. Der Solarexpress steht genau in der Halbzeit. Noch anderthalb Jahre bleiben, bis die erste Energie ins Netz eingespeist werden muss.
 
Eine Bilanz zeigt: über 60 Projekte gingen an den Start. Davon haben 26 die ersten Hürden erfolgreich gemeistert, auch die nötige Zustimmung der Gemeinden. Acht davon wurden schon öffentlich aufgelegt. Für diese Projekte steht nun der nächste Härtetest an. Die Projekte müssen den Bewilligungshürden standhalten, denn jede Verzögerung, z.B. durch Einsprachen, bedeuten jetzt das zeitliche Aus. Und dann steht der Bau im unwirtlichen alpinen Raum an. Damit leistet die Schweiz schon wieder Pionierarbeit. Auch die Wirtschaftlichkeit wird nicht von vornherein gegeben sein, sondern ist Funktion der finanziellen Belastungen, zum Beispiel durch lokale Abgeltungen, der vom Bund letztlich gewährten Förderung und der Entwicklung der Absatzmärkte.
 
Verschiedene Projekte wurden aufgegeben. 11, weil sie von der Bevölkerung abgelehnt wurden, 6 weitere aus anderen Gründen. Somit bleiben mehr als 40 im Rennen. Sollten es alle innert Frist bis zur Ziellinie schaffen, würde die zusätzliche Produktion rund 1 TWh pro Jahr ausmachen, oder rund 500 GWh im Winter. Das wäre etwa halb so viel, wie es sich das Parlament ausgemalt hatte.

Jeder Produktionsbeitrag im Winter ist unerlässlich, um die Risiken möglichst gering zu halten. Solarenergie oberhalb der Nebelgrenze ist dazu prädestiniert.

Deshalb das Handtuch zu werfen, wäre aber grundfalsch. Die Schweiz läuft im Winter in eine steigende Importabhängigkeit. Jeder Produktionsbeitrag im Winter ist unerlässlich, um die Risiken möglichst gering zu halten. Solarenergie oberhalb der Nebelgrenze ist dazu prädestiniert. Die ersten Erfahrungen mit dem Solarexpress sind daher in die Zukunft weiterzuführen. Es braucht auch künftig einen Rahmen, der alpinen Solaranlagen die Bewilligungsfähigkeit ermöglicht und die finanziellen Risiken begrenzt. Dieser muss mit den Verordnungen zum Stromgesetz gewährleistet werden.
 
So richtig in Fahrt ist derzeit nur der Ausbau der Photovoltaik auf Dächern. Ein guter Anfang, aber um die Versorgung sicher zu stellen, reicht das bei weitem nicht. Es braucht den Beitrag aller erneuerbaren Energien, vor allem solcher mit Winterproduktion. Die Annahme des Stromgesetzes am 9. Juni ist dafür die Grundvoraussetzung. Parallel sind die Bewilligungsverfahren für Produktion und Netze zu straffen.
 
Es ist heute klar: Der Solarexpress fährt. Nun muss er auch ins Ziel kommen und dann auf die nächste Strecke einbiegen.

Bereichsleiter Public Affairs des VSE

Dominique Martin

Unter der Rubrik «Die politische Feder» veröffentlicht Dominique Martin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen. 

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