Reif fürs Museum

Politische Feder 10/2018
01.10.2018
Altmodisches Telefon auf Holzkommode

Ausgerechnet ein Bündner Bundesrat sagte: «Es kann einem Kanton vielleicht passen, ohne Rücksicht auf die Entwicklung unserer Wasserkräfte, möglichst hohe, fast prohibitive Wasserzinse zu verlangen. Dadurch werden aber volkswirtschaftliche Interessen in weitem Umfange beeinträchtigt. Das volkswirtschaftliche Interesse besteht darin, dieses nationale Gut unserer Wasserkräfte so rasch und so rationell als möglich auszubeuten und dem ganzen Volke immer mehr nutzbar zu machen.»

Für Bundesrat Calonder war 1915 klar, dass es im Wasserrechtsgesetz nicht darum gehen durfte, die Wasserkraft zu schröpfen. Im Gegenteil: Der Gesetzgeber hielt ausdrücklich fest, dass der Wasserzins «die Ausnutzung der Wasserkräfte nicht wesentlich erschweren» darf, und plafonierte ihn im Interesse der Wasserkraftnutzung. Die Festlegung der effektiven Höhe der Wasserzinsen innerhalb dieses Plafonds liegt seither in der Verantwortung der Kantone. Allein: Das Wasserzinsmaximum wird schweizweit fast überall ausgeschöpft, ohne Rücksicht auf Sinn und Geist der Wasserzinsregelung und verfassungsmässige Rechte.

Nach hundert Jahren ist klar, dass die starre Wasserzinsregelung nicht funktioniert und dem Grundgedanken ihrer Schöpfer nicht gerecht wird.

Das Verhältnismässigkeitsprinzip und die Eigentumsgarantie hätten längst zu einer Senkung des Wasserzinses führen müssen, macht dieser doch fast ein Viertel der durchschnittlichen Gestehungskosten der Wasserkraft aus. Zudem hat sich in den letzten zehn Jahren eine weit auseinanderklaffende Schere zwischen Wasserzins und Strompreis geöffnet. Der Wasserzins steht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum Marktwert der Nutzung des Wassers und erschwert damit wesentlich die Ausnutzung der Wasserkraft – was gemäss Gesetz just zu vermeiden ist. Er greift in seiner heutigen Form zudem in die mit der Konzession erworbenen Eigentumsrechte ein, welche auch eine gewisse Rentabilität einschliessen. Rechtmässig ist ein Wasserzins erst dann geschuldet, wenn diese Mindestrentabilität erzielt werden kann.

Nach hundert Jahren ist klar, dass die starre Wasserzinsregelung nicht funktioniert und dem Grundgedanken ihrer Schöpfer nicht gerecht wird. Es ist höchste Zeit für einen flexiblen Wasserzins, mit einem fixen und einem variablen Teil. Dies umso mehr, als das vom Bundesrat vorgestellte flexible Modell in der Vernehmlassung auf breiten Zuspruch gestossen ist. Das fixe Wasserzinsmaximum hat ausgedient und ist definitiv reif fürs Museum.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, im Branchenmagazin Bulletin regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.