Klimawandel: Die Strombranche hat die Lösung

Jacques Dubochet setzt sich schon seit vielen Jahren für die Umwelt ein. Jetzt tritt er für seine Überzeugungen ein und nutzt seine Berühmtheit als Träger des Nobelpreises für Chemie 2017 für eines seiner Anliegen: das Klima. Er ist überzeugt, dass die Lösung eine Dekarbonisierung impliziert und dass die Strombranche die Lösung bereithält.
25.02.2021

Bulletin: Das Klima heute, was stellen Sie fest?

Jacques Dubochet: Die Lage ist nicht nur ernst, wir haben den Klima­notstand schon erreicht. Unsere Gesellschaft, die sich in einem Netz von Konsum und wirtschaftlicher Entwicklung verfangen hat, ist zu weit gegangen. Wir müssen nun in die andere Richtung gehen, denn es wäre unverantwortlich, den künftigen Generationen die Lösung dieses Problems aufzubürden. Und alle Elemente zum Handeln sind ja da. Man weiss beispielsweise, dass ein Ausstieg aus der Wirtschaft der fossilen Brennstoffe notwendig ist und wir uns auf erneuerbare Energiequellen konzentrieren müssen. Und die gibt es ja.

Ihre Meinung zum CO2-Gesetz?

Dieses Gesetz ist unzureichend, verschafft uns aber für die nächsten zehn Jahre ein gutes Gewissen. Ich verstehe, dass es wirtschaftliche und politische Herausforderungen gibt, aber wir haben keine Wahl, wenn wir das «programmierte Ende» korrigieren wollen. Alle politischen Parteien wissen, dass dieses Gesetz die Hoffnung, die Erwärmung auf 1,5 oder 2 °C zu begrenzen, nicht erfüllen wird.

Ich weiss nicht, ob das Referendum eine gute Idee ist, aber ich weiss, dass die Jungen im Grunde recht haben, auch wenn die Art des Vorgehens Fragezeichen hervorruft. Ich persönlich erwarte viel stärkere Massnahmen in diesen Klimafragen.

Ich verstehe jene, welche die Vorlage ablehnen, sehr gut, denn sie ist nicht ehrgeizig genug. Sie wird die Politik der kleinen Schritte verankern, während wir grosse Sprünge bräuchten.

Ist die Dekarbonisierung Ihrer Ansicht nach möglich?

Klimaerwärmung, CO2 und fossiler Kohlenstoff sind eng miteinander verzahnt. Ihre statistischen Kurven zeigen dasselbe exponenzielle Wachstum. Wenn bei einem Element dieser Gleichung angesetzt wird, wird sich dies auch auf die anderen Elemente auswirken.

Da die Wirtschaft der fossilen Brennstoffe direkt mit dem Verhalten unserer Gesellschaft zusammenhängt, können wir Bürgerinnen und Bürger unsere Art des Konsums revidieren. Es geht dabei nicht um einen Rückschritt, sondern darum, auf eine andere Art reich zu sein und nicht von fossilem Kohlenstoff abhängig zu sein. Dieser Wandel wird sich auf das CO2 auswirken und somit auf die Klimaerwärmung.

Die Art und Weise, wie Energie erzeugt und verbraucht wird, gilt es zu ändern. Ich bin überzeugt, dass wir netto null weit vor 2040 erreichen müssen, indem wir uns auf erneuerbare Energiequellen konzentrieren.

Ist die Entwicklung erneuerbarer Energien Ihrer Meinung nach eine Utopie?

Die erneuerbaren Energiequellen existieren ja bereits. Mit einer Vervielfachung der solaren Stromerzeugung zusammen mit einem vernünftigen Zusatzaufwand bei Wind- und Wasserkraft könnten wir uns rasch und günstig von den fossilen Brennstoffen verabschieden, aber auch von anderen nicht erneuerbaren Energiequellen. Die Dekarbonisierung erfolgt über die Elektrifizierung. Ich bin daher davon überzeugt, dass die Strombranche die Lösung für die Klimapolitik bereithält.

Sind alle erneuerbaren Energiequellen brauchbar?

Ja, aber sie müssen intelligent genutzt werden. Unsere Versorgungssicherheit im Strombereich ist jahreszeitenabhängig mit der jeweiligen Sonnenscheindauer, dem Wind und den verfügbaren Wasserreserven. Die Schweiz muss auf einen ausgewogenen Mix an erneuerbaren Energiequellen setzen. Den Worten müssen nun Taten folgen. Die Entwicklung von Solar-, Wind- und Wasserenergie muss gefördert werden.

Was halten Sie von den Menschen, die gegen bestimmte erneuerbare Energiequellen sind?

Ich verstehe den Aufschrei der Personen gut, die keine Windräder in ihrer Nähe wollen oder die sich gegen die Erhöhung von Staumauern oder gegen Pumpspeicherkraftwerke wehren. Aber wenn es brennt und unser Leben auf dem Spiel steht, ist es dann wirklich nötig, an der Uniform der Feuerwehr herumzunörgeln?

Was ist Ihre Botschaft an die Strombranche?

Der eingeschlagene Weg muss weiterverfolgt werden. Dazu müssen die Bestrebungen bei der Entwicklung von Solarenergie, Windkraft und Pumpspeicherwerken fortgeführt werden.

Meine Botschaft richtet sich eigentlich eher an die Politik sowie an die Bürgerinnen und Bürger ganz allgemein: Es gilt, diese Entwicklung zu unterstützen, Widerstände jeglicher Art aufzugeben und die Bewilligungsverfahren zu beschleunigen.

Noch ein Wort zum Schluss?

Heute ist alles schwieriger als damals, als ich jung war, das gebe ich gerne zu. Aber ich bin realistischer Pessimist und zweckbedingter Optimist. Auch wenn die Situation schwierig und trostlos ist, bin ich fest davon überzeugt, dass unsere Gesellschaft das Klima retten kann. Aber die Zeit für Diskussionen ist nun wirklich vorbei. Hören Sie auf, auf den Feuerwehrmann zu schiessen, der soeben Ihr Haus gerettet hat. Denn nun ist es Zeit zu handeln, hier und jetzt.

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Biographie

Jacques Dubochet ist ein Mann mit Drang zum Wissen. Seine Kindheit hat er zwischen dem Wallis und Lausanne verbracht. 1973 promovierte er bei Edouard Kellenberger in Biophysik. 1978 entdeckte er in Heidelberg die Vitrifikation und die Entwicklung der Kryo-Elektronenmikroskopie. Diese Entdeckung brachte ihm 2017 den Nobelpreis für Chemie ein. Bei seinem persönlichen Engagement spielt das Klima eine wichtige Rolle.