Du hast Anfang November beim VSE als Bereichsleiter Public Affairs angefangen. In der Energiepolitik steht viel an. Wo setzt du deine Prioritäten?
Meine erste Priorität ist, dass wir als Branche gegenüber der Politik möglichst einheitliche, schlagkräftige Positionen vertreten können. Beim Stromabkommen ist es dem VSE beispielweise sehr gut gelungen, die unterschiedlichen Befindlichkeiten und Bedenken aufzunehmen und in eine Stellungnahme zu fassen, hinter der die ganze Branche stehen kann. Mein Wunsch und mein Ziel ist es, dass uns dies auch künftig gelingt. Je geschlossener wir als Branche auftreten, desto mehr Gewicht haben wir in der Politik.
Du hast das Stromabkommen angesprochen. Wie geht es hier für den Bereich Public Affairs und den VSE weiter?
Im Frühling stehen die parlamentarischen Beratungen an. Unser wichtigstes Ziel und unsere grösste Aufgabe ist es, den jetzt vorgeschlagenen, nicht praktikablen «Swiss Finish» abzuwenden und stattdessen mehrheitsfähige und praktikable Lösungen zu finden. Wir stehen in Gesprächen mit dem Bundesamt für Energie (BFE) und werden unsere Positionen auch in die Parlamentsdebatte einbringen. Wir müssen vermitteln, dass man nicht gleichzeitig den Markt öffnen und an einer völlig überregulierten Grundversorgung festhalten kann. Damit ist niemandem geholfen. Den Grundversorgern nicht, die einen hohen Aufwand haben und die finanziellen Risiken tragen müssen, aber auch den Kundinnen und Kunden nicht, da die Grundversorgung auf diese Weise teuer und unattraktiv wird.
Jan Flückiger
Jan Flückiger (47) hat am 1. November 2025 die Nachfolge von Dominique Martin als Leiter Public Affairs beim VSE angetreten. Zuvor war er unter anderem Generalsekretär der EnDK, Leiter Public Affairs bei Swisspower und Bundeshausredaktor bei der NZZ. Zuletzt war er in einer Kommunikationsagentur tätig.
Gibt es weitere Themen, die dich neben dem Stromabkommen in den nächsten Monaten beschäftigen werden?
Da gibt es einige, ja. Ein zentrales Thema ist das Stromnetz der Zukunft. Zunächst werden wir im Rahmen des Netzexpress dafür sorgen, dass auch für das Verteilnetz nötige Verbesserungen kommen. Aber das Thema wird uns auch über den Netzexpress hinaus beschäftigen – das Netz steht vor grossen Herausforderungen. Weitere wichtige Themen, die anstehen, sind die Blackout-Initiative und der Gegenvorschlag dazu, die Anti-Windkraftinitiativen sowie die Integration der zunehmend dezentralen Produktion, insbesondere Photovoltaik, ins Gesamtsystem.
Es braucht die richtigen Anreize, damit der Strom dann ins Netz eingespeist wird, wenn er auch gebraucht wird. Es kann nicht sein, dass die Energieversorger sämtliche Risiken und Kosten tragen. Die «Prosumer» müssen ebenfalls Verantwortung übernehmen, ihren Eigenverbrauch optimieren und beispielsweise Batterien anschaffen. Das machen sie natürlich nur, wenn es sich auch finanziell rechnet. Deshalb braucht es die richtigen Preissignale und eine Förderpolitik, die das Gesamtsystem im Auge hat.