Wasserkraftwerk Hagneck: Wegweiser für Wanderfische

Die freie Wanderung ist für Fische flussauf- und -abwärts überlebenswichtig. Die Wasserkraft kann diesem Vorhaben im Weg stehen. Doch mit den richtigen Massnahmen wird das Dilemma gelöst, wie das Musterbeispiel Hagneck eindrücklich beweist.
09.11.2020

In Hagneck, wo der Aarekanal in den Bielersee mündet, baute die damalige Aktiengesellschaft Elektrizitätswerk Hagneck, die Vorläufergesellschaft der BKW Energie AG, vor 110 Jahren ihr erstes grosses Kraftwerk. Es gilt als «Wiege» des bernischen Energieunternehmens. 2015 eröffnete an diesem historischen Standort das neue Kraftwerk Hagneck. Mit seiner Energieproduktion von 110 Gigawattstunden leistet es einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der Region Seeland mit einheimischer erneuerbarer Energie. Damit das Projekt überhaupt zustande kam, waren jedoch aufwendige Massnahmen zum Schutz der Fische nötig.

Wegweisend: Umgehungsrinnen und Lockströmungen 
Zu den wichtigsten Aspekten der ökologischen Aufwertung in Hagneck gehört die Verbesserung der Fischwanderung: Dank zwei naturnahen Gerinnen mit zusätzlichen Lockströmungen werden die Fische wortwörtlich in die «richtige Bahn» gelenkt. Die früher meist stufenartig angelegten Fischtreppen wurden aufgrund neuer Erkenntnisse zu naturnahen Umgehungsgerinnen weiterentwickelt. Das alte und das neue Kraftwerk besitzen nun je ein eigenes, einem flachen Wildbach nachempfundenes Umgehungsgerinne. Beide Gerinne werden zusammengeführt und dann gemeinsam als flacher Bach zum Oberwasserkanal geführt. Ausserdem renaturiert die Bielersee Kraftwerke AG (BIK) den Unterwasserlauf – und schuf eine ausgedehnte, rund 20 000 m² grosse Auenlandschaft. Insgesamt betrugen die Aufwendungen für die ökologische Aufwertung rund 15 Mio. CHF, also etwa 10 % der Bausumme. 


Dereinst auch mit Lachs? 
Die Fischexperten hoffen, im Zählbecken irgendwann einmal auch Lachse zu sichten. Vor den Kraftwerksbauten an Rhein und Aare stieg der Lachs vom Meer bis in den Thunersee auf. Zwischen Basel und Hagneck gibt es derzeit aber noch etliche unüberwindbare Hindernisse. Der Fischaufstieg beim neuen Kraftwerk muss trotzdem lachstauglich sein – schliesslich wird die Konzession für die nächsten 80 Jahre erteilt.  Insgesamt schlucken die Umgehungsgerinne für die Fische 4,6 Kubikmeter Wasser pro Sekunde – Wasser, das nicht verstromt werden kann. Laut BIK-Projektleiter Thomas Richli könnte damit Strom für weitere gut 1000 Haushaltungen erzeugt werden. Für die Rentabilität des Kraftwerks sei dies nicht gerade förderlich. Dafür freuts die Fische: «Die Fischwanderung aufwärts wird stark verbessert», heisst es auch vom Kanton. 


Schwieriger für die Fische ist der Abstieg. Denn nur wenige Tiere nutzen das Umgehungsgerinne auch in die umgekehrte Richtung. Der grosse Teil der Fische wählt wohl oder übel den Weg durch die Turbinen. Sogenannte «Scheuchanlagen» können dies kaum verhindern – und engmaschige Gitter würden sofort verstopfen. Hagneck verwendet darum nun sogenannte «fish-friendly»-Turbinen mit abgerundeten Kanten. Sie drehen lediglich 115 Mal pro Minute. Verluste können nicht komplett vermieden werden – doch der Naturschutz gibt Hagneck den Segen: Die Belastung der Natur könne durch die vorgesehenen Massnahmen weitgehend gemindert werden. «Da hat man sich wirklich Mühe gegeben», lobte Rosmarie Kiener, Geschäftsleiterin der Berner Sektion des WWF das Projekt. Den Einwänden, welche die Natur- und Umweltschutzorganisationen in ihrer Einsprache geltend gemacht hatte, sei weitgehend Rechnung getragen worden. «Jetzt kann das neue Kraftwerk mehr Strom produzieren und belastet gleichzeitig die Umwelt weniger.»

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