Trockenheit und Energiekrise führen zu HKN-Knappheit

28.02.2023
Die Jahrhundert-Trockenheit in ganz Europa im Jahr 2022 führte zu einer deutlich geringeren Stromproduktion aus Wasserkraft in der Schweiz und ihren Nachbarländern und damit auch zu einer Knappheit an Herkunftsnachweisen (HKN) für Wasserkraft. Die Energiekrise hat diese Knappheit noch verschärft. Versorger können somit ihre Liefer- und Produkteversprechen zwecks Stromkennzeichnung für das Jahr 2022 nur mit einschneidenden Massnahmen einhalten.

Das Jahr 2022 war geprägt durch eine Jahrhundert-Trockenheit. Vielerorts war es das niederschlagsärmste, wärmste und gleichzeitig auch das sonnigste Jahr seit Messbeginn (1864). Dies führte dazu, dass die Stromproduktion aus Wasserkraft und die damit verbundene Ausstellung von Herkunftsnachweisen (HKN) im Jahr 2022 ausser­gewöhnlich tief ausfiel. Neben der Trockenheit spielte zudem die Energiekrise eine relevante Rolle (Konstitution der Wasserkraftreserve und freiwilliges Zurückhalten von Wassermengen für den Winter 2022/2023 zu Lasten der Wasserkraft­sproduktion im Jahr 2022).

Hinzu kommt eine seit 2018 kontinuierlich steigende Nachfrage in der Schweiz nach Herkunftsnachweisen aus Schweizer Wasserkraft durch Marktkunden und Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung. Während in den Jahren 2018-2021 jeweils noch ein Überschuss an Herkunftsnachweisen aus Schweizer Wasserkraft von +5.5 bis +9.5 TWh bestand, ist für 2022 ein deutliches Defizit zu erwarten. Die Fehlmenge dürfte rund -4 bis -6 TWh bzw. 13-18% betragen (Meldefrist für Dezember noch nicht abgelaufen).

Der VSE hat das UVEK gebeten, das HKN-Kalenderjahrprinzip für zwei Jahre aufzuheben - leider erfolglos.

Die Problematik der Unterversorgung trifft zahlreiche Unternehmen der Branche. Bereits seit Sommer 2022 gab es unabhängig von der Zahlungsbereitschaft praktisch keine Marktangebote von Herkunftsnachweisen für Schweizer Wasserkraft mehr. Auch im Ausland waren kaum mehr Angebote für Herkunftsnachweise für Wasserkraft verfügbar. Daher wurden bereits zu diesem Zeitpunkt von den betroffenen Unternehmen vielseitige Massnahmen umgesetzt. Dazu zählen Ersatzbeschaffungen von HKN aus anderen erneuerbaren Energien sowohl im In- als auch im Ausland sowie die Anpassung von Verträgen mit Marktkunden. Dies reichte jedoch nicht um die fehlenden Mengen zu kompensieren.

UVEK tritt nicht auf VSE Lösungsvorschlag ein

Der VSE hat deshalb das UVEK gebeten, das HKN-Kalenderjahrprinzip für zwei Jahre aufzuheben - leider erfolglos. Dazu wäre eine Verordnungsrevision nötig gewesen. Der VSE war der Meinung, die Aufhebung des Kalenderjahrprinzips für zwei Jahre würde einerseits die Knappheitssituation 2022 entschärfen, und anderseits genügend Zeit geben, bis sich die hydrologische Situation wieder normalisiert. Mit der Aufhebung des Kalenderjahrprinzips hätten die Herkunftsnachweise (des jeweilig ersten Quartals) des neuen Jahres ausnahmsweise für die Stromkennzeichnung des vorangehenden Jahres angerechnet werden dürfen.

Die Branche versucht unter den aktuellen Vorzeichen, so nahe wie möglich an ihre Produkteversprechen heranzukommen.

Das UVEK vertritt die Meinung, dass die fehlende Wasserkraft durch andere Produkte wie Solarstrom, allenfalls Wind oder ausländische Wasserkraft ersetzt werden kann. Wichtig dabei sei, den Endkundinnen und -kunden transparent und plausibel darzustellen, weshalb dieses Jahr diese Anpassungen nötig waren.

So nahe wie möglich an Produkteversprechen, aber nicht um jeden Preis

Die Branche versucht unter den aktuellen Vorzeichen, dem zu folgen und so nahe wie möglich an ihre Produkteversprechen heranzukommen, auch wenn HKN aus Wasserkraft und folglich auch aus anderen erneuerbaren Energien für das Jahr 2022 in ganz Europa knapp sind. Die Stromkennzeichnung für das Jahr 2022 muss bis Ende Juni 2023 abgeschlossen sein.

Die Elcom bestätigt in ihre Mitteilung «Steigende Elektrizitätspreise: Fragen und Antworten zur unterjährigen Anpassung der Elektrizitätstarife, zur Ersatzversorgung und zur Rückliefervergütung» vom 24. Februar 2023, dass die Möglichkeit besteht, alternative HKN aus dem In- oder Ausland oder gar Ersatznachweise für die Erfüllung der Produkteversprechen zu verwenden. Sie weist auch darauf hin, dass Produkteversprechen nicht zu jedem Preis zu erfüllen sind. HKN-Preise, welche erheblich höher liegen als der publizierte Tarif für das entsprechende Produkt, dürften in der Grundversorgung im Umfang der Mehrkosten nicht anrechenbar sein.

Saisonalisierung der Stromkennzeichnung

Mindestens einmal im Jahr müssen die Stromlieferanten ihre Kundinnen und Kunden darüber informieren, aus welchen Quellen der von ihnen konsumierte Strom stammt und ob besagter Strom in der Schweiz oder im Ausland produziert wurde. Um diesen Nachweis anzutreten, erwerben die Versorger Herkunftsnachweise (HKN), welche für jede produzierte Kilowattstunde ausgestellt werden, auf Jahresbasis und künftig auf Quartalsbasis.

Die Verfügbarkeit von HKN aus erneuerbaren Energien ist wetterabhängig und schwankt von Jahr zu Jahr. Mit einer Stromkennzeichnung auf Quartalsbasis werden diese Schwankungen deutlich ausgeprägter. Im Voraus konkrete Produkteversprechen bzw. Produktangebote zu machen, wird somit schwieriger. Insbesondere Wetterextreme wie 2022 sind nicht antizipierbar.

Die Stromkennzeichnung auf Quartalsbasis wird daher dazu führen, dass nur noch sehr generische Produktangebote gemacht werden können, wie z.B. HKN «Erneuerbare Energie aus der Schweiz und dem Ausland». Das ursprüngliche Ziel der Politik, mit der Saisonalisierung explizit erneuerbare Energien in der Schweiz zu fördern, wird somit verfehlt.