«Strom wurde mir in die Wiege gelegt»

29.08.2023
Barbara Brun arbeitet seit drei Jahren als Fachexpertin Berufsbildung beim VSE, und sie ist eine waschechte «Woman in Power»: Nach der Erstausbildung zur Kauffrau EFZ absolvierte sie eine Lehre als Elektrozeichnerin EFZ. Zwar kehrte sie der Energiebranche während einiger Jahre auch den Rücken, fand jedoch den Weg wieder zurück, um sich fortan vor allem der Berufsbildung zu widmen.

Als sich Barbara Brun in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre für eine Ausbildung zu entscheiden hatte, war der Weg der Bernerin eigentlich vorgespurt: Ihre Eltern führten ein Elektroinstallationsgeschäft mit integriertem Verkaufsladen in Spiez, ihr Vater war Elektroinstallations-Meister und auch Barbara Bruns Bruder hatte Elektroinstallateur EFZ gelernt. So entschied sie sich für eine dreijährige Lehre als Kauffrau im elterlichen Betrieb. Nach dem Abschluss arbeitete sie dann während eines Jahres auf dem erlernten Beruf, bevor sich bei ihr eine gewisse «Langeweile» einschlich.

Und so tauchte Barbara Brun schliesslich doch noch tiefer in die Energiebranche ein und nahm eine zweite Lehre bei der BKW als Elektrozeichnerin EFZ mit Schwerpunkt «Hausinstallation» in Angriff. Der Umweg über die KV-Ausbildung sollte ihr insofern zugutekommen, als sie die eigentlich vierjährige Ausbildung in drei Jahren durchlaufen konnte. Dies, weil sie Allgemeinbildung, Branchenkunde sowie Themen zur Beleuchtung schon im Rahmen ihrer ersten Lehre behandelt hatte. «Mein damaliger ‹Oberstift› war im Gegensatz zu mir im Bereich ‹Energie› tätig, und so bekam ich viel aus diesem Gebiet mit.» Diese erste Begegnung mit dem Berufsbild der Netzelektrikerin hatte für die junge Lernende den Vorteil, dass sie bei ihrer Lehrabschlussprüfung das geforderte «einfache Hochspannungsprojekt» ohne grössere Anstrengung zeichnen konnte.

Neugierde, wie die Welt funktioniert, als Antrieb

Doch woher rührt das grosse Interesse am Strom? Auch wenn Barbara Brun von Anfang an mit dem Thema Strom in Kontakt war, muss das ja nicht zwangsläufig dazu führen, dass sie sich auch beruflich mit dieser Materie auseinandersetzen will. «Ich habe eine Antriebsfeder: Neugierde. Ich will wissen, wie etwas funktioniert. Wenn mein Vater und mein Bruder beim Abendessen über ihre Arbeit sprachen, wollte ich verstehen, worüber die da reden. Erst wenn ich das Gefühl habe, es verstanden zu haben, rede ich auch gerne mit.» Und da Barbara Brun heute mehr als nur mitreden kann, ist davon auszugehen, dass im Hause Brun offenbar viel über Strom gesprochen wurde. Bleibt noch die Frage, was passiert wäre, hätte Vater Brun beispielsweise eine Metzgerei gehabt…

Nach ihrem zweiten Abschluss war die Spiezerin lange im neuen Beruf tätig und absolvierte später auch noch die höhere Berufsbildung Elektroplanerin mit eidgenössischem Fachausweis, welche sie als erste Frau in der Schweiz erfolgreich abschloss. Heute heisst die berufliche Grundbildung nicht mehr Elektrozeichnerin EFZ, sondern Elektroplanerin EFZ.

Nach dem Abschluss der Berufsprüfung arbeitete sie bei der Firma Regent als Beleuchtungsberaterin im Aussendienst. Dieses Thema hat es ihr auch heute noch immer angetan: «Wenn ich in einen Raum komme und ein spezielles Lichtkonzept erkenne, bin ich fasziniert. Es ist erstaunlich, was mit Licht alles möglich ist, wie man etwas hervorheben oder buchstäblich in den Schatten stellen kann.»

Women in Power

In einem Meinungsbeitrag vom 8. März 2023 – dem Weltfrauentag – hat Nadine Brauchli, Leiterin Energie beim VSE und Mitglied der Geschäftsleitung, Frauen aufgerufen, in die Energiebranche einzutauchen. In einer losen Serie stellt der VSE unter dem Titel «Women in Power» Frauen vor, die diesem Aufruf nicht mehr Folge leisten müssen, weil sie bereits eingetaucht sind und erfolgreich in den verschiedensten Bereichen der Energiewelt arbeiten.

Zu den Beiträgen

Abkehr von der Energiebranche…

«Ich leitete einige Projekte, bei denen die Zusammenarbeit mit anderen Branchen – primär aus dem Baugewerbe – kein Miteinander mehr, sondern nur noch ein Gegeneinander war.» Speziell bei grossen Projekten mit entsprechend hohem Druck und kniffliger Koordination sei es immer wieder zu unschönen Situationen gekommen. «Ich bin gewohnt, dass man miteinander spricht, um Lösungen zu finden und nicht, dass man einander Steine in den Weg legt. Das nahm mir die Freude und die Lust an dieser Branche.» Zum «Absprung» nutzte Barbara Brun eine branchenunabhängige, dreijährige Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin HF, die sie da bereits begonnen hatte.

…und Rückkehr in die Energiebranche

Nachdem Sie während sieben Jahren Stellensuchende begleitet hatte, gelangte sie 2012 via SBB wieder zurück in die Technik: zuerst als Bildungsverantwortliche in der Instandhaltung für Sicherheits- und Gleisbaukurse und schliesslich als Verantwortliche für die Berufsbildung bei der Division Infrastruktur. «Dort kam ich erstmals so richtig mit dem Berufsbild «Netzelektriker/in EFZ» in Kontakt, als 2014 der Ausbildungsschwerpunkt Fahrleitungen eingeführt wurde.»

Ebenfalls in Kontakt kam Barbara Brun damals mit dem VSE. «Ich nahm für die SBB in den Gremien und Kommissionen für die Netzelektriker Einsitz und lernte die beiden VSE-Vertreter Andreas Degen und Toni Biser kennen.» Weil die SBB ihren Konzern gerne hin und wieder umstrukturieren, musste auch Barbara Brun eines Tages feststellen, dass ihre Funktion im Prinzip «wegstrukturiert» worden war. Daher wechselte sie zu Cablex, der «Bautochter» der Swisscom, wo sie für die interne Aus- und Weiterbildung arbeitete. Hier durfte Barbara Brun auch den Ausbildungsschwerpunkt «Telekommunikation» für Netzelektriker und Netzelektrikerinnen mitgestalten. «Als Toni Biser 2020 pensioniert wurde, erreichte mich die Anfrage des VSE, bei dem ich nun seit drei Jahren als Fachexpertin Berufsbildung arbeite.»

Berufsbildner als Schlüsselpersonen

Barbara Brun kann auf eine erlebnisreiche Arbeitskarriere zurückblicken, während der sie in viele verschiedene Bereiche hineinsehen und viele Erfahrungen sammeln konnte, und die natürlich noch lange nicht vorbei ist. Stets wichtig sei ihr die Arbeit mit Menschen gewesen: «Ich unterstütze Menschen gerne dabei, ihr Potenzial zu entwickeln, sie zu befähigen.» Deshalb engagiere sie sich auch so stark in der Berufsbildung. «Nur ein gut ausgebildeter Berufsbildner, der sattelfest ist, in dem, was er tut, und der gerne tut, was er tut, bildet selbständige Fachleute aus. Berufsbildner sind die Schlüsselpersonen für kompetente zukünftige Berufsleute.» Zwischenzeitlich hat sich Barbara Brun nun auch noch zur Erlebnis-Pädagogin HF weitergebildet. Was später noch kommen wird, kann sie heute nicht sagen, ausser: «Ich habe mich dem lebenslangen Lernen verschrieben. Mein innerer Antrieb, Menschen zu unterstützen und Zusammenhänge zu verstehen, treibt mich immer weiter.»