Ein triftiger Grund für die Wasserkraft

Der Klimawandel lässt unsere Gletscher schmelzen. Doch die Kraftwerke Oberhasli machen aus der Not eine Tugend. Das Projekt Trift nutzt ein freigelegtes Geländebecken für eine neue «Batterie in den Alpen».
17.08.2020

Mit der Energiestrategie 2050 will die Schweiz dem menschgemachten Klimawandel begegnen. Gerade bei unseren Gletschern ist dieser auch schon deutlich sichtbar. In den vergangenen Jahren hat sich der Triftgletscher markant zurückgezogen – geblieben ist ein Geländebecken mit einem See. Das Potenzial genau dieses Beckens wollen die Kraftwerke Oberhasli (KWO) nutzen – und dort einen Speichersee und ein Wasserkraftwerk anlegen. 

Plus 215 Gigawattstunden Speicher für die Knappheit im Winter 

Bereits seit den 1950er Jahren wird das Wasser aus dem Gadmertal mit verschiedenen Wasserfassungen für die Stromproduktion genutzt. Bisher besteht jedoch keine Speichermöglichkeit. Das Wasser fliesst also derzeit vor allem in den Sommermonaten ab, dann, wenn bereits viel Energie im Netz vorhanden ist. Im Winter, wenn die Schweiz Strom aus dem Ausland importieren muss, kommt ein Speichersee einer «Batterie in den Alpen» gleich. Mit dem Kraftwerk, das im Trift-Projekt gemeinsam mit dem neuen Speichersee vorgesehen ist, würden jährlich 145 Gigawattstunden mehr Strom produziert. Die KWO könnte das Speichervolumen in ihren bereits bestehenden Anlagen im Susten- und Grimselgebiet um das Anderthalbfache steigern, nämlich von heute 195 auf 280 Millionen Kubikmeter. Ein Speichersee Trift hält zudem bei starken Regenfällen das Wasser im Triftgebiet zurück, was bisher auf natürliche Weise der Gletscher erledigt hat. Das Projekt trägt so auch zum Hochwasserschutz im Aareboden bis Brienz bei.

Die Gletscher verschwinden. Ein Reservoir an der Trift kann jedoch 50% des Wassers zurückhalten, das sich in dem Gebiet ansammelt.

Gemeinsam erarbeitet, darum breit akzeptiert 

Am 12. September 2017 reichte die KWO das Konzessionsgesuch für das Trift-Projekt bei der Bau-­, Verkehrs-­ und Energiedirektion des Kantons Bern ein. Das Projekt für den Stausee entstand in enger Zusammenarbeit mit einer Begleitgruppe aus Umweltverbänden, Politik, Tourismus und Vertretern der Region. Nach mehrjährigem Prozess konnten sich alle Beteiligten inklusive Naturschutzverbände auf einen Konsens einigen. Dies unter anderem, weil im Konzessionsgesuch umfangreiche Ersatz­- und Ausgleichsmassnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft vorgesehen sind. Zum Beispiel gibt die KWO die heute bestehende Fassung Fuhren auf und revitalisiert das Gadmerwasser auf einer Strecke von zwei Kilometern. Ausserdem wird mit dem einen grossen Kraftwerk ca. die Hälfte des Zubauziels an Wasserkraft im Kanton Bern erfüllt.  

Raimund Rodewald, Geschäftsführer Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, spricht sich für das Projekt aus. So sei es besser, die Wasserkraft an einigen wenigen Standorten mit gutem Ertrag zu nutzen, anstatt unzählige Kleinwasserkraftwerke zu bauen: «Ich erachte es als plausibel, dass sich der See grösstenteils selber füllen wird und nur wenige Wasser-Zuleitungen nötig sind. Zudem besteht mit dem Felsriegel praktisch eine natürliche Stausituation. Ich schätze den ernsthaften Willen der verantwortlichen Personen bei der KWO, mit den Umweltverbänden in Dialog zu treten. Man nimmt uns ernst und man versucht nachzuvollziehen, welche Fragen in Hinsicht auf den Landschaftsschutz wichtig sind.»

Man nimmt uns ernst und man versucht nachzuvollziehen, welche Fragen in Hinsicht auf den Landschaftsschutz wichtig sind.

Sarah Galatioto, Präsidentin Sektion Bern des Schweizer Alpen-Clubs, streicht die Rolle der Trift als Erholungsraum heraus: «Das Triftgebiet ist ein eigentliches Bergsportjuwel. Aus Sicht des SAC ist es wichtig, dies zu erhalten. Die Sektion Bern ist seit über 150 Jahren an der Entwicklung dieser Landschaft beteiligt und deshalb sind wir froh, dass wir unsere strategischen Ziele in die Diskussionen in der Begleitgruppe einbringen konnten.» Dass alle interessierten Gruppen involviert würden, sei positiv. «Im Gremium herrscht ein Spirit von konstruktiver Zusammenarbeit.» 

Bis die Baubewilligung für das Triftprojekt da ist, wird es aber noch dauern. Falls alle Hürden der Finanzierung und des politischen Zuspruchs einmal genommen sind, braucht der Bau der neuen Staumauer und der Fassungen dann rund acht Jahre. «Wir wissen aus Erfahrung: Wasserkraft ist eine langfristige Sache», so KWO-Projektleiter Benno Schwegler.