Gas: kein Fall fürs Abstellgleis

Vor Kurzem ging die Vernehmlassung zu einem neuen Gasversorgungsgesetz zu Ende. Und demnächst steht die Schweizer Klimapolitik wieder zuoberst auf der parlamentarischen Agenda. Bei alldem stellt sich die Frage: Welche Rolle wird Gas künftig noch spielen? In unserer neuen politischen Feder lesen Sie, weshalb Gas kein Fall fürs Abstellgleis ist.
10.03.2020

Netto null – das ist das Klimaziel bis 2050, das der Bundesrat unlängst beschlossen hat. Um es zu erreichen, müssen die CO2-Emissionen in der Schweiz massiv gesenkt werden – in allen Sektoren. Seither hat der Bundesrat auch ein neues Gesetz für eine Liberalisierung des Gasmarktes vorgestellt. Erdgas attraktiver machen, obwohl es in den nächsten zwanzig bis dreissig Jahren gemeinsam mit Erdöl ausgemerzt werden sollte? Die beiden Entscheide scheinen widersprüchlich. Es gibt jedoch gute Gründe, die Rechnung nicht ohne das Gas zu machen.

Die Dekarbonisierung verlangt einen tiefgreifenden Umbau unseres Energiesystems. Strom wird darin eine zentrale Rolle übernehmen: Dank der Elektrifizierung können fossile Energieträger direkt substituiert werden. Die Bereitstellung der dazu notwendigen, immensen Menge erneuerbaren Stroms wird ebenso massive Produktionsschwankungen verursachen, die ausbalanciert werden müssen.

Über Gas zu sprechen, ist mit dem Willen zur Dekarbonisierung durchaus vereinbar und zeugt von einer gesamtheitlichen und langfristigen Perspektive.

Die Sektorkopplung wird hier ihren Beitrag leisten. Durch sie werden die Grenzen der Energiesektoren durchlässig. So können die Stromüberschüsse verwertet werden, indem sie im Gasnetz zwischengespeichert werden. Das Gas kann anschliessend in der Industrie, zum Heizen oder im Verkehr genutzt – oder allenfalls sogar zurückverstromt werden. Das Gasnetz verleiht so dem gesamten Energiesystem wertvolle Flexibilität. Statt Erdgas mitsamt seiner In­fra­struktur über Bord zu werfen, sollte Letztere erhalten und Erdgas durch nicht fossiles Gas ersetzt werden. Gas wird nämlich künftig CO2-neutral sein, sofern es aus erneuerbarem Strom oder aus Biomasse stammt.

Die Herausforderung Stromversorgungssicherheit wird künftig noch grösser. Sie kann nur mit massiven Investitionen in Erhalt und Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion und in die Anpassung der Netze bewältigt werden. Trotzdem können vor allem im Winter kritische Versorgungssituationen auftreten. Exponenten unterschiedlichster Couleur haben daher Gas als sinnvolle Option zur Bereitstellung von gesicherter Leistung ins Spiel gebracht. Das CO2-Gesetz sollte daher die Tür offen lassen für einen gezielten und zeitlich limitierten Einsatz von Gaskraftwerken.

Über Gas zu sprechen, ist mit dem Willen zur Dekarbonisierung durchaus vereinbar und zeugt von einer gesamtheitlichen und langfristigen Perspektive. Gas hat noch eine wichtige Rolle zu spielen und ist kein Fall fürs Abstellgleis!

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.