Ein Eigentor

Der Umbau des Energiesystems wird viel Zeit und vor allem viel Geld kosten. Dieses Kapital wiederum braucht gewisse Sicherheiten. Doch nun überlegt sich der Bund eine Änderung der Berechnungsmethode für die Kapitalverzinsung (WACC) – und riskiert damit verheerende Folgen für seine eigene Energie- und Klimastrategie.
20.05.2021

Auf satte 1500 Milliarden Franken schätzt der Bund gemäss seinen Energieperspektiven die Investitionen in den Energiebereich bis 2050 – Reinvestitionen und Umbau für das Netto-Null-Ziel eingerechnet. Damit dieser kolossale Betrag zur Verfügung stehen wird, brauchen die Kapitalgeber gewisse Sicherheiten.

Entscheidend dabei ist, dass das investierte Kapital Zinsen abwirft – und zwar stabil und angemessen. Dies ist vor allem für Investitionen in die Wasserkraft und die Netze mit ihrem Anlagehorizont von rund 80 Jahren absolut zentral. Da das Netz ein natürliches Monopol darstellt, wird für dieses ein kalkulatorischer Zinssatz festgesetzt (WACC, Weighted Average Cost of Capital).

Erstaunlicherweise überlegt der Bund nun, die Regeln für die Berechnung der Kapitalverzinsung zu ändern, um die Marktzinse zu widerspiegeln. Er blendet dabei aus, dass diese nicht mehr als Referenz taugen: Sie werden künstlich tief gehalten und verzerren den Geldmarkt sogar für langfristige Anlagen. Das ist nicht nachhaltig und kann nicht als das «neue Normal» gelten. Mit einer Anpassung des WACC nach unten würde der Bund seine eigene Energie- und Klimastrategie ausbremsen. Das Stromnetz ist nämlich der Enabler der erneuerbaren Energieversorgung und Elektrifizierung – benötigt dafür künftig jedoch erheblich höhere Investitionen und dafür wiederum Investitionssicherheit.

Die Senkung des WACC hätte verheerende Folgen für genau die Investitionen, die für den Umbau des Energiesystems unabdingbar sind.

Damit nicht genug: Auch direkte Auswirkungen auf den Zubau erneuerbarer Energien wären die Folge, denn die Berechnung der Kapitalverzinsung für die Förderung ist direkt an die Methodik des Netz-WACC gekoppelt. Dessen Senkung hätte also auf der ganzen Linie verheerende Folgen: Das Vertrauen der Investoren würde schwinden, und mit ihm das Kapital für die Investitionen ins Netz und in die erneuerbaren Energien – Investitionen, die für den Umbau des Energiesystems unabdingbar sind und erst noch eine hoch willkommene Arbeitsplatz- und Wertschöpfungswirkung in der Schweiz haben.

Am WACC zu rütteln würde also der Energie- und Klimastrategie des Bundes und der langfristigen Versorgungssicherheit diametral zuwiderlaufen. Bleibt zu hoffen, dass der Bund noch rechtzeitig merkt, dass er drauf und dran ist, ein Eigentor zu schiessen.

Siehe auch


Die politische Feder

Unter der Rubrik "Die politische Feder" veröffentlicht Dominique Martin, Bereichsleiter Public Affairs des VSE, regelmässig Kommentare und Einschätzungen zu energiepolitischen Themen.