Auf dem Weg zu Europas grösster Indoor-Ladestation

12.06.2023
In Basel-Stadt wird punkto Elektrifizierung des öffentlichen Verkehrs mit der grossen Kelle angerührt. Bis 2027 muss die BVB (Basler Verkehrs-Betriebe) ihre komplette Busflotte auf emissionsfreie Elektrofahrzeuge umrüsten. Der lokale Energieversorger IWB unterstützt die BVB bei der Umsetzung dieses gewaltigen Projekts.

Im Jahr 2015 hat der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt das Gesetz über den öffentlichen Verkehr geändert. Das Kantonsparlament beschloss damals, dass die BVB ihre Busflotte bis spätestens 2027 vollständig mit erneuerbarer Energie betreiben müsse. In einer Vorstudie eruierte die BVB gemeinsam mit dem Kanton, welche Antriebsform sich dafür am besten eignet. Dabei wurden verschiedene Antriebstechnologien (beispielsweise Wasserstoff, Biogas, Plug-in-Hybrid oder batterieelektrisch) hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Stadtverträglichkeit sowie der Auswirkungen auf den Betrieb analysiert.

Das Rennen machten schliesslich Busse mit batterieelektrischem Antrieb. Für den täglichen Betrieb in einer grossen Stadt mit vielen Bremsvorgängen (bei denen Energie rekuperiert werden kann), ist diese Antriebsform am effizientesten. Neben der Effizienz verweist die BVB auf ihrer Website auch auf die reduzierten Lärm- und Schadstoffemissionen. So entspreche die CO2-Einsparung durch einen Elektrobus dem CO2-Ausstoss von 3500 PKWs – und zwar jedes Jahr.

Ein Neubau ersetzt die bestehende Garage Rank

Insgesamt beschafft die BVB bis 2027 126 neue Elektrobusse, welche die Flotte von heute 120 mit Diesel und Gas betriebenen Bussen ersetzen werden (vgl. «126 neue Elektrobusse»). Geladen werden die Fahrzeuge an Ladestationen in der Garage Rank. Die bestehende Garage reicht für diesen Zweck jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht aus. Das Gebäude stammt aus den 1950er Jahren und müsste erdbebenertüchtigt werden. Vor 70 Jahren hatte der öffentliche Verkehr in Basel noch nicht die Dimensionen von heute, weshalb das Gebäude zwar den damaligen Bedürfnissen genügte, heute aber viel zu klein ist. Ausserdem wäre es auch wirtschaftlich nicht sinnvoll, das sanierungsbedürftige Gebäude anzupassen oder gar zu erweitern.

Luftaufnahme der heutigen Garage Rank, die bis 2027 durch einen Neubau ersetzt werden wird. (Bild: Geoportal Basel-Stadt)

Daher entschied die BVB, die bestehende Garage im Rank abzureissen und durch einen Neubau zu ersetzen. Dieser Neubau verfügt über drei Ebenen und wird vollständig auf die Ansprüche der E-Mobilität ausgerichtet. «Auf jeder Etage stehen und laden Busse», erklärt Patrick Wellnitz, Gesamtprojektleiter bei IWB. Die Ladeinfrastruktur, welche eingebaut werden muss, besteht aus einer Ladehaube für jeden Stellplatz, an dem der Pantograph auf dem Dach der Elektrobusse andockt. Jede Ladehaube wird von einem Gleichrichter gespeist. Die Gleichrichterräume werden durch Kühlanlagen auf maximal 35°C Durchschnittstemperatur gehalten. Die Erschliessung erfolgt über dedizierte Netzanschlüsse, die gelegt werden müssen.

Völlig neue Dimensionen

Der Neubau ist ein Projekt in völlig neuen Dimensionen: «Wenn die Garage steht, verfügt Basel-Stadt über die wohl grösste Indoor-Ladestation Europas.» Bei Bedarf könnte das Gebäude sogar noch um ein viertes Obergeschoss aufgestockt werden, falls die BVB-Busflotte dereinst ausgebaut werden müsste. Pro Etage werden im Neubau 32 bis 44 Busse Platz finden, um zu laden. Auf dem Dach soll eine PV-Anlage installiert werden, mit der zirka 1 GWh des Gesamtstromverbrauchs von voraussichtlich 12 GWh pro Jahr produziert werden kann. Produziert die Anlage mehr Energie als die neue Garage Rank verbraucht, wird der Überschuss in ausrangierten Batterien zwischengespeichert. Heutige Bus-Batterien können während etwa sieben Jahren im Linienverkehr eingesetzt werden. Weil sie dann aber immer noch über eine Kapazität von 80 Prozent verfügen, eignen sie sich bestens als Pufferspeicher. Reicht ihre Kapazität auch dafür nicht mehr aus, werden die Batterien rezykliert.

Bis die neue Garage im Rank bezugsbereit ist, werden die Fahrzeuge in provisorischen Abstellanlagen auf dem Klybeck-Areal sowie in der Messehalle 3 abgestellt. Weil seit Ende 2022 bereits Elektrobusse im Einsatz sind, ist auch in diesen Provisorien eine Ladeinfrastruktur nötig. «Die BVB stellt nicht nur den Busbetrieb um, sondern richtet ein völlig neues Betriebshof-Managementsystem ein, das auch die Trams umfasst. Die beiden Provisorien erlauben uns, alles ausgiebig zu testen und ideale Voraussetzungen für die Garage Rank zu schaffen.» Auf dem Klybeck-Areal hat IWB einen Netzanschluss für zweimal 2,5 MVA gebaut, in der Messehalle für 7 MVA. Die Transformatoren, die an den provisorischen Standorten aufgebaut wurden, werden anschliessend im Neubau Rank eingesetzt. «Da die Busse effizienter sind als gedacht und recht schnell wieder geladen sind, werden wir die Leistung im Rank wohl etwas reduzieren können», sagt Patrick Wellnitz.

Blick in einen Teil des Provisoriums Klybeck, auf dem unter anderem E-Normalbusse abgestellt und geladen werden. (Bild: Basler Verkehrs-Betriebe)

Separate Lademöglichkeiten für zwei Linien

Obwohl die Busse grundsätzlich im Depot geladen werden, mussten für die lange Linie 36 sowie für die Linie 50 zum EuroAirport Lademöglichkeiten an Haltestellen eingerichtet werden. Am Hochbergerplatz wurden dazu zwei Lademasten mit Ladehaube erstellt, wofür eine separate Trafostation mit zwei redundanten Netzanschlüssen installiert werden musste. Die Busse, welche den EuroAirport bedienen, werden am Flughafen nach jedem Umlauf während sieben bis zehn Minuten mit bis zu 600 kW geladen. Diese Ladung reicht jeweils für einen weiteren Umlauf.

126 neue Elektrobusse

Die Beschaffung der neuen Elektrobusse erfolgt in zwei Etappen. Die erste Tranche umfasst 38 Gelenkbusse und 19 Normalbusse von EvoBus sowie 8 Doppelgelenkbusse von der HESS AG im solothurnischen Bellach. Diese Fahrzeuge ersetzen alle bestehenden 38 Gasbusse sowie 14 Dieselbusse, die das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben. Die ersten Normalbusse gingen im Dezember 2022 in Betrieb, die Doppelgelenkbusse, welche nur auf der Strecke zum EuroAirport zum Einsatz kommen, fahren seit Januar 2023. In einer zweiten Tranche werden bis 2027 die verbleibenden 55 Dieselgelenkbusse und fünf Dieselkleinbusse durch 55 Elektrogelenkbusse und sechs Elektrokleinbusse ersetzt.

Ein E-Normalbus während einem Ladetest an der Gelegenheitsladestation am Hochbergerplatz. (Bild: Basler Verkehrs-Betriebe)

Das umfangreiche Vorhaben ist für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung. Rund 360 Millionen Franken hat der Grosse Rat im Jahr 2020 dafür bewilligt, wovon zwischen 42 und 50 Millionen für die Leistungen der IWB anfallen. In der Ausschreibung für das Gesamtsystem hatte ABB das Rennen gemacht. «In dieser Grössenordnung ist das aber auch für diesen Konzern eine echte Hausnummer», erklärt Patrick Wellnitz. Zwar laufe das System im Betrieb bereits, es gebe aber noch einige Punkte, die abgearbeitet werden müssten, damit man bei hundert Prozent sei. So stelle beispielsweise das Monitoring-System spezielle Anforderungen: «Wir wollen die neue Lade- mit der bestehenden Netzinfrastruktur gemeinsam verwalten. Diese beiden zu verheiraten, ist aber nicht so trivial.»

IWB-Leitstelle überwacht das System

Läuft das neue System dereinst vollständig operativ, obliegen Betrieb und Wartung komplett der IWB. Das Monitoring übernehmen die Dispatcher in der IWB-Leitstelle. «Die Spezialisten der ABB werden nur hinzugezogen, wenn unser eigenes Know-how nicht mehr ausreicht, also wenn eine Störungsursache wirklich tief im System liegt.» Für die neuen Ladegleichrichter würden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IWB geschult. Ausserdem nähmen sie bereits jetzt an Pikett- und Wartungseinsätzen teil. «So lernen wir das System quasi fliessend kennen und können von Anfang an Kompetenzen aufbauen.»