Projekt «Energiewelten»

Wie versorgt sich die Schweiz im Jahr 2035 mit Energie? Was sind die grössten Herausforderungen? Der VSE lässt Sie anhand des deskriptiven Denkmodells «Energiewelten» in die Energiewelt von morgen eintauchen.
Energiewelten - Trust World to Smart World

Nehmen Sie Platz, und tauchen Sie mit uns in die Zukunft ein. Ob Holzstuhl, Tech-Stuhl, Flugzeugsitz oder Fernsehsessel – auf jeder Sitzgelegenheit nehmen Sie eine andere Haltung und Perspektive ein. Und jede steht für eine extreme, aber durchaus denkbare Energiewelt. Die Stühle versinnbildlichen dabei die wichtigsten Werte der entsprechenden Energiewelt.
 

Wozu dient das Projekt «Energiewelten»?

Die Energiewirtschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Die Rolle der zentralen Energieversorger wird hinterfragt, die Preise für Strom sind historisch tief. Neue, digitale Technologien bieten ganz neue Möglichkeiten – bedrohen aber auch angestammte Geschäftsfelder. In diesem ungewissen Umfeld müssen Gesellschaft, Energieunternehmen und Politiker sich Gedanken über die Welt von morgen machen. Sie müssen mögliche Entwicklungen antizipieren, Möglichkeiten ausloten, Risiken erfassen und Chancen erkennen. Um diesen Prozess zu unterstützen, hat der VSE das Projekt «Energiewelten» initiiert.

Das Projekt «Energiewelten» ist einerseits ein Analyseinstrument für den Verband, kann anderseits aber auch

  • eine Grundlage für Empfehlungen an den Gesetzgeber bilden,
  • eine Basis für Strategieentwicklungen bei den Mitgliedsunternehmen bieten,
  • als Orientierungshilfe für Politik und die interessierte Öffentlichkeit dienen.

Das Projekt soll folgende drei Fragen beantworten: Was ist in Zukunft denkbar? (die Energiewelten), Welche Tendenzen zeichnen sich ab? (Trend), Was ist für die Zukunft wünschenswert? (Vision).

Vision

In einer Vision zeichnet der VSE sein Idealbild von der Energiewirtschaft von morgen: Energie soll auch in Zukunft für alle in ausreichender Menge und zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung steht. Die Schweiz soll einen grossen Teil ihres Stromverbrauchs mit inländischer Produktion decken können. Dabei gilt es, die gut ausgebaute Netzinfrastruktur für Strom und Gas zu erhalten. Bei der Einführung neuer Technologien, insbesondere solcher zur Steigerung der Gesamtenergieeffizienz, soll die Energiewirtschaft eine führende Rolle übernehmen. Im Bericht «Energiewelten 2017» erfahren Sie mehr über die Vision.

Die vier Welten

Da die Realität vom Idealbild abweichen kann, beschreibt der VSE zudem vier sehr weit auseinanderliegende, aber denkbare Energiewelten. Jede dieser Energiewelten besteht aus drei Elementen: einer Beschreibung der Eigenschaften, einem dazugehörigen Marktmodell sowie möglichen Geschäftsmodellen. Keine dieser Welten erhebt den Anspruch, ein exaktes Bild der Zukunft zu vermitteln. Vielmehr spannen die Energiewelten einen breiten Entwicklungskorridor auf, in dem aller Voraussicht nach die tatsächliche Entwicklung in den nächsten 20 Jahren stattfinden wird. Die vier Energiewelten heissen Trust World, Trade World, Local World und Smart World. Für jede Welt steht sinnbildlich ein bestimmter Stuhl. Bei der Trust World zum Beispiel ein bequemer Sessel. Weiter unten erfahren Sie mehr über die vier Welten.

Trust World - zuverlässige Energieproduktion

Vorgeschichte

Der Umbau der Energieversorgung erfolgte viel zu schnell. Folglich wurde es immer schwieriger, die Netze zu regeln. Europaweite Netzzusammenbrüche und Blackouts häuften sich. Daher beschlossen die europäischen Länder gemeinsam, die Stromversorgung wieder zunehmend zentral und autark aufzubauen. Die einzelnen Staaten wollten die Kontrolle über ihre nationalen Netze und Kapazitäten wiedererlangen. Dies war zwar mit steigenden Kosten verbunden, Wirtschaft und Bevölkerung zeigten sich jedoch bereit, diese Kosten zu tragen.

Energieversorgung:

In der Trust World erfolgt die Stromversorgung in der Schweiz weitgehend autonom und mehrheitlich durch steuerbare Wasser- und Gaskraftwerke. Erdgas spielt in dieser Welt zur Deckung des Gasbedarfs der Gaskraftwerke eine grosse Rolle. Die Nachfrage ist aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums sowie wegen der Substitution fossiler Brennstoffe höher als noch 2015.

Marktmodell

In der Trust World gibt es nur wenige, zentrale Produzenten. Wegen des fehlenden Austauschs mit der EU ist der Strommarkt klein und illiquid. Der Handlungsspielraum in der fast vollständig planwirtschaftlich organisierten Energieversorgung ist eingeschränkt. Weil kein funktionierender Markt spielt, braucht es Gebietsmonopole und staatlich garantierte Abnahmepreise. Neue zu erstellende Kraftwerkskapazitäten werden vom Staat ausgeschrieben. Der Staat beobachtet in der Trust World die Energieversorgung durch leitungsgebundene Energieträger genau. Er organisiert die Stromversorgung planwirtschaftlich und vorausschauend. Alle Endverbraucher befinden sich in der Grundversorgung. Auch der Gasmarkt wurde für die kleinen Endverbraucher nicht geöffnet. Die Tarife für Netznutzung und Energie sind vollständig reguliert und werden von einem Regulator überwacht.

Geschäftsmodell

In der fast vollständig planwirtschaftlich organisierten Energieversorgung ergeben sich markant weniger Geschäftsmodelle als in einem liberalisierten Umfeld. Strategischen Gestaltungsraum haben vor allem Produzenten bei den Ausschreibungen und Verteilnetzbetreiber/Versorger beim Anbieten von Dienstleistungen. Um Kraftwerke betreiben zu können, müssen erst die entsprechenden Ausschreibungen gewonnen werden. Damit sich ein Produzent erfolgreich an einer Ausschreibung beteiligen kann, braucht er umfassende Kenntnisse der Grosstechnologien. Jeder Verteilnetzbetreiber/Versorger beschafft die Energie für sein Netzgebiet im Rahmen des Gebietsmonopols zu festgelegten Preisen vom zuständigen Produzenten.

Trust World: zentrale Ausprägung und Merkmale

  • ABSCHOTTUNG: Europäische Länder schotten sich im Bereich Strom ab – auch die Schweiz.
  • GASHANDEL: International wird Gas weiterhin gehandelt.
  • CO2-ABGABE: Es gibt eine international abgestimmte CO2-Abgabe.
  • GROSSKRAFTWERKE: In der Schweiz dominieren Wasser- sowie neu auch Gaskraftwerke.
  • ZENTRALE PRODUKTION: Europaweit überwiegt die zentrale Energieproduktion; die dezentrale wird kaum weiter ausgebaut.

Local World - Aus dem Quartier für das Quartier

Vorgeschichte

Die Bevölkerung bekundete in den späten 2010er-Jahren den Willen zu einer dezentralen, klimafreundlichen und möglichst inländischen Energieversorgung. Sie nahm damit auch massive Staatseingriffe und rigorose Vorschriften in Kauf. Der Import von Graustrom wurde schrittweise unterbunden. Die Kernkraftwerke wurden vom Netz genommen. Die wegfallende Produktion ersetzte man durch einen starken Zubau an dezentraler Versorgung. Zudem wurden drastische Massnahmen zur Reduktion der Energienachfrage in Angriff genommen.

Energieversorgung

In der Local World versorgen sich im Jahr 2035 vernetzte Dörfer und Städte weitgehend selbst. Ermöglicht wird das durch die starke Digitalisierung. Es gibt sehr viele lokale Produzenten und sogenannte Prosumer. Prosumer sind Verbraucher, die ihren Strom selbst produzieren, sei es mithilfe einer Photovoltaikanlage oder einer gasbetriebenen Wärmekraftkopplungsanlage. Die zentralen Wasserkraftwerke beliefern noch diejenigen Verbraucher, die sich nicht oder nur teilweise selbstständig versorgen. Zudem dient Wasserkraft als Back-up, um insbesondere im Winter die Versorgung aller Konsumenten zu sichern.

Marktmodell

In der Local World wird ein tiefer Energieverbrauch angestrebt, der darüber hinaus möglichst aus einheimischen Quellen gedeckt werden soll. Deshalb regeln viele Detailvorschriften das Verbrauchsverhalten der Endverbraucher. Nur die effizientesten Geräte und Anlagen dürfen eingesetzt werden. Der Verteilnetzbetreiber übernimmt in der Local World neben dem Netzbetrieb die Rolle des Vollversorgers. Der Verteilnetzbetreiber/Versorger stimmt in seinem Netz die Netzinfrastruktur, die Speichermöglichkeiten bei Strom und Gas, die Flexibilität sowie die Produktion der dezentralen Kraftwerke aufeinander ab. Überschüssige Mengen an Strom werden je nach Versorgungs- und Marktsituation entweder am Markt verkauft beziehungsweise in Wärme oder Gas umgewandelt und ins Fernwärme-/Gasnetz eingespeist.

Geschäftsmodell

In der Local World spielt der Markt zwischen den Betreibern der grossen Wasserkraftwerke und den Verteilnetzbetreibern/Versorgern. Innerhalb ihres Verteilnetzes verfügen die Verteilnetzbetreiber/Versorger über ein Monopol, das allerdings vom Regulator überwacht wird. Auch im Dienstleistungsgeschäft auf der Ebene der Endverbraucher und Prosumer spielen die Marktkräfte. Das Geschäft ist sehr lebendig und hart umkämpft. Daneben bieten Verteilnetzbetreiber/Versorger in Konkurrenz zu anderen Akteuren umfangreiche Dienstleistungen an. Das Angebot reicht von Installation und Wartung der dezentralen Produktionsanlagen über Speicher- und Wärmelösungen bis zu Planungs- und Beratungsaufgaben. Zur Steigerung der Energieeffizienz werden neben Energieberatung auch Verbrauchsanalysen angeboten. Massgeschneiderte Kundenlösungen sind gefragt.

Local World: zentrale Ausprägung und Merkmale

  • FÖRDERUNG: Der Staat fördert dezentrale Versorgung und Eigenverbrauch.
  • VORSCHRIFTEN: Strenge Effizienzvorschriften werden akzeptiert.
  • FLEXIBILITÄT: Lokale Speicher, intelligente Netze und Wasserkraft ermöglichen die dezentrale Versorgung.
  • NETZKONVERGENZ: Strom-, Gas- und Fernwärmenetze konvergieren.
  • VERNETZUNG: Quartiere werden zu Eigenverbrauchsgemeinschaften.

Trade World - Günstige Energieversorgung

Vorgeschichte

Solaranlagen und Windkraftwerke verzeichneten in den 2020er-Jahren kaum noch technologische Fortschritte, die Preise stagnierten. Die Anlagen wurden indes weiterhin subventioniert. Die Stromversorgung wurde in der Folge immer teurer – wegen staatlicher Unterstützung der unrentablen konventionellen Kraftwerke und der erneuerbaren Energien. Auf Druck der Konsumenten musste der Staat diese Eingriffe letztlich stoppen, sogar die Abgabe auf CO2. Die Märkte wurden wieder völlig sich selbst überlassen.

Energieversorgung

In der Trade World bestimmen der Grosshandel bei Erdgas und Strom sowie zentrale Kraftwerke das Bild. In dieser Welt kommen etliche Wasserkraftwerke unter Druck, da die CO2-Emissionen europaweit nicht bepreist werden. Sie finden jedoch keine Unterstützung durch den Staat. Der Strombezug ist aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums hoch. Die günstigen Strompreise haben zur Folge, dass die Flexibilisierung der Nachfrage gering bleibt.

Marktmodell

Alle Endverbraucher haben bei Strom und Erdgas freien Netzzugang und der Markt ist vollständig geöffnet. Die Kunden beziehen Strom und Erdgas von den günstigsten Lieferanten und Produzenten in Europa. Es gibt keine Grundversorgung – nur noch eine Netzanschlusspflicht. Der Markt spielt und gewährleistet jederzeit eine sichere und preiswerte Energieversorgung. In der Trade World findet nämlich ein umfangreicher europäischer Stromhandel statt. Produktionskapazitäten werden europaweit an den geeignetsten und also kostengünstigsten Standorten zugebaut. Grund für diese Entwicklung ist ein hohes Kostenbewusstsein der Konsumenten. Die Netze werden vor allem in eine Richtung genutzt: vom Kraftwerk über die Übertragungs- und Verteilnetze bis hin zum Endverbraucher. Der Strombezug ist aufgrund des Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstums hoch. Die Flexibilisierung der Nachfrage bleibt gering – wegen günstiger Strompreise.

Geschäftsmodell

In der Trade World bestimmen Wettbewerb und Preisdruck die Geschäftsmodelle. Um bestehen zu können, sind Grössenvorteile durch Skaleneffekte bei der Produktion und im Vertrieb entscheidend. Ebenfalls sehr wichtig sind schlanke Geschäftsstrukturen und das Ausnutzen von Nischen. Durch Konzentration entstehen europaweit tätige Grosskonzerne, die eine breite Palette von Dienstleistungen im Strom- und Gasbereich anbieten. Die günstige Strombeschaffung auf dem freien Markt in ganz Europa zum richtigen Zeitpunkt ist die Kernkompetenz jedes Energielieferanten. Überdurchschnittlich gute Marktanalysen und exakte Prognosen sind Schlüsselgrössen für die Firmen. Sämtliche Entwicklungen zielen auf eine möglichst günstige Stromversorgung ab, wobei Klimaschutzziele in den Hintergrund treten. In gezielte Kundenakquise und -bindung müssen die Energielieferanten laufend investieren. Innovative Vertriebskonzepte und Preismodelle schaffen einen Wettbewerbsvorteil.

Trade World: zentrale Ausprägung und Merkmale

  • GÜNSTIG: Energie wird dort produziert, wo sie am günstigsten ist.
  • EUROPA: Der Energiekonsum ist hoch, und die Schweiz stark mit Europa vernetzt.
  • MARKT: Es gibt weder Subventionen für erneuerbare Energien noch eine CO2-Abgabe.
  • SUBVENTIONSSTOPP: Der Ausbau erneuerbarer Energien stagniert.
  • WIRTSCHAFTLICHKEIT: Zentrale Grosskraftwerke setzen sich europaweit durch.

Smart World - Apps erleichtern das Leben

Vorgeschichte

Deutliche technologische Fortschritte in den Bereichen Batterien, Netzkonvergenz und erneuerbare Energien (wie PV und Wind) veränderten die Möglichkeiten der Energieversorgung. Ein damit einhergehender Preiszerfall dieser Technologien beschleunigte die weltweite Verbreitung in den 2020er-Jahren. Gleichzeitig nahm die Durchdringung der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) in der Energieversorgung stark zu. Die verstärkte automatisierte Kommunikation zwischen Geräten, Anlagen und Netzen führte zu einer deutlichen Flexibilisierung von Nachfrage und Angebot.

Energieversorgung

In der Smart World gehen technologischer Fortschritt und Preiszerfall unaufhaltsam Hand in Hand. Neue Technologien und Anwendungen setzen sich durch. Die Rollen von Produzenten und Verbrauchern verschmelzen. Die meisten Verbraucher treten ergo selbst als Akteure am Markt auf. Die Schweizer Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke sind dank ihrer Fähigkeit, Energie zu speichern sowie Flexibilitäten anzubieten, weiterhin von grosser Systemrelevanz. Die Nachfrage trägt ebenfalls wesentlich zur Flexibilisierung bei – und damit zum Ausgleich von Produktionsschwankungen.

Marktmodell

In der dynamischen Smart World ist der massive Einsatz von ICT breit akzeptiert und durchdringt jeden Lebensbereich. Dadurch werden auch die vorhandenen Ressourcen im Energiebereich wie Produktion, Netz, Speicher und Flexibilitäten durch Markt und Preissignale mithilfe von ICT und stetigem Datenaustausch optimiert. In der Smart World herrscht das Primat des Marktes, und es besteht wenig Bedarf an Regulierung. Diese beschränkt sich im Wesentlichen auf den Netzbereich. Jegliche Grundversorgungspflicht entfällt. Die Endverbraucher wählen ihre Lieferanten und ihre Energiequellen aufgrund der zur Verfügung stehenden umfassenden Informationen. Sie wechseln sie auch mit hoher Kadenz. Zeitnahe Preissignale für die Energie (Strom, Gas und Wärme) und dynamische Tarife für die Netznutzung steuern sowohl Investitionen als auch das Verhalten bezüglich Produktion, Speicherung, Eigenverbrauch, Einsatz der Flexibilität und Netznutzung. Der Endverbraucher kann sein Verhalten laufend den Preissignalen anpassen. Die dynamischen Netznutzungstarife belohnen netzdienliches Verhalten, beispielsweise um Verbrauchs- oder Einspeisespitzen und einen Netzausbau zu vermeiden. Die Tarife setzen insbesondere Anreize, Belastungsspitzen im Netz bei hoher Einspeisung im Sommer und hoher Entnahme im Winter abzuwenden.

Geschäftsmodell

In der Smart World ergeben sich von allen in diesem Bericht vorgestellten Energiewelten die meisten Geschäftsmodelle. Die Liberalisierung aller Bereiche der Energiewirtschaft, mit Ausnahme der Netze, trägt wesentlich dazu bei. Die Wertschöpfungsstufen werden in einzelne Teilmärkte aufgebrochen. Damit wird neuen Marktteilnehmern der Zugang zur Energiewirtschaft erleichtert. Die Digitalisierung beschleunigt den Trend zur Fragmentierung der Energiewirtschaft. Es herrscht ein intensiver Wettbewerb mit vielen neuen Akteuren, in dem Spezialisierung und Grösse oder das Besetzen von Nischen mögliche Strategien darstellen. Neue ICT-basierte Entwicklungen finden auch in der Energiewirtschaft Einzug. Sie schaffen neue Märkte mit neuen Spielregeln. Erfolgreich ist, wer die Gratwanderung zwischen harter Kosteneinsparung und Investitionen in Innovationen beherrscht. Innerhalb der Unternehmen bedarf es konstanter Verbesserungs- und Innovationsprozesse, um mit der Weiterentwicklung der Technologien Schritt zu halten.

Smart World: zentrale Ausprägung und Merkmale

  • ICT-DURCHDRINGUNG: Sämtliche Lebensbereiche sind von ICT durchdrungen.
  • INNOVATION: Technologischer Fortschritt macht erneuerbare Energien und Speicher wirtschaftlich.
  • WIRTSCHAFTLICHKEIT: Energieproduktion dort, wo sie am effektivsten ist.
  • FLEXIBILITÄT: ICT ermöglicht flexible, dezentrale Versorgung und Verbrauchssteuerung.
  • VERNETZUNG: Schweiz bleibt mit Europa stark vernetzt und erhebt Abgaben auf CO2.

VSE Trend 2035

Die Nachfrage nach Strom steigt

Für das Jahr 2035 wird im Vergleich zu heute eine höhere Nachfrage nach Strom erwartet. Das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, die Substitution fossiler Energieträger sowie die Zunahme an elektronischen Geräten – und deren vermehrte Nutzung – steigern den Stromverbrauch. Er könnte im Jahr 2035 bei ca. 70 TWh liegen. Die Effekte aus Effizienzgewinnen und zunehmendem Eigenverbrauch werden überlagert.

Zunehmend dezentrale Strukturen

Die Nutzung der erneuerbaren Energien nimmt aufgrund technologischer Fortschritte und sinkender Kosten markant zu. Das führt zu mehr dezentralen Strukturen. Die dezentrale Produktion beträgt im Jahr 2035 circa 10 bis 25 % des zukünftigen Strombedarfs. Diese Entwicklung wird durch eine stärkere Durchdringung der Digitalisierung begünstigt. Mit der Annahme der Energiestrategie 2050 und der Ratifikation des Klimaabkommens werden die zunehmend erneuerbaren, dezentral produzierten Energien in das Gesamtsystem und in den Markt integriert. Die Produktionsstruktur 2035 bleibt ein Mix aus zentraler und dezentraler Produktion, wobei die Wasserkraft weiterhin die tragende Rolle innehat.

Dekarbonisierung

Der Wille zur Minderung der CO2-Emissionen wurde durch die Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens (COP 21) manifestiert. Mit dem Netto-Null-Ziel bis 2050 hat sich die Schweiz danach einem klaren Klimaziel verpflichtet. Die Dekarbonisierung erfordert, dass fossile Anwendungen durch elektrische, erneuerbar produzierte Anwendungen ersetzt werden – das Hauptmerkmal der Sektorkopplung. Die Sektoren Strom, Gas, Wärme, Mobilität und ihre Infrastrukturen wachsen stärker zusammen. Dadurch nimmt der Stromverbrauch markant zu.

Versorgungsicherheit prägt die politische Agenda

Die Unsicherheit bezüglich zukünftiger Stromimporte und die abnehmende Fähigkeit zur Eigenversorgung durch den Ausstieg aus der Kernenergie verringern - ohne Gegenmassnahmen - die Versorgungssicherheit. Die Eigenversorgung beim Strom wird wichtig, da die Importfähigkeit ab 2025 ungewiss ist. Neben der Wasserkraft wird Gas bei der Stromproduktion im Winterhalbjahr eine Rolle spielen, falls bei Abschaltung der KKW die inländische Stromnachfrage zu einem erheblichen Teil durch inländische Produktion gedeckt werden soll.

Die Digitalisierung im Energiesektor nimmt zu

Der Energiemarkt ist 2035 stark von der Digitalisierung durchdrungen. Das Internet der Dinge sorgt dafür, dass immer mehr Geräte mit dem Internet verbunden sind und permanent Daten liefern. Das Datenwachstum ist enorm. Analyse und Auswertung dieser Daten helfen, Prozesse zu überwachen, zu optimieren und Prognosen zu automatisieren und zu verbessern. Das hilft unter anderem, die Nachfrage zu flexibilisieren und die Produktion zu optimieren. Die Digitalisierung ermöglicht erst die dezentrale Versorgung. Die massiven Veränderungen, welche die zunehmende Digitalisierung im Energiesektor mit sich bringt, können zu einer zunehmenden Komplexität führen und beispielsweise die Steuerbarkeit der Stromversorgung erschweren. Aus Sicherheitsgründen könnten im Jahr 2035 die Freiheitsgrade der neuen Anwendungen durch den Regulator eingeschränkt werden.

Auswirkungen auf Verteilnetzbetreiber

Der Anstieg an lokal erzeugtem Strom und an lokalen Speichern sowie die zunehmend unstete Rückspeisung ins Netz und die Netzkonvergenz führen dazu, dass die Verteilnetze für Strom und Gas eine zunehmende Bedeutung im Energiesystem bekommen. Vermehrt sind Investitionen in intelligente Kommunikations-, Steuerungs- und Überwachungssysteme nötig (zum Beispiel Smart Grids, Smart Meter).

Auswirkungen auf Endverbraucher

Viele Haushalte und Gewerbe produzieren selbst Strom und verbrauchen diesen auch selbst. Die zunehmende Verbreitung von Speicherlösungen, verbunden mit dynamischen, schwankenden Endverbraucherpreisen, gibt den Endverbrauchern Spielraum für einen kostenoptimierten Bezug von Strom aus dem Netz.

VSE Trend 2035 hat Schwerpunkt in der Smart und Local World

Das Update im Jahr 2021 bringt keine grundsätzlichen Veränderungen der bestehenden Einschätzung zur Energiewelt 2035 mit sich. So ist bspw. die Preisreduktion von dezentralen Produktions- und Speichertechnologien so stark, dass sich diese am Markt durchsetzen. Die Digitalisierung ermöglicht erst eine flexible, dezentrale Versorgung. Intelligente Informations- und Kommunikationssysteme durchdringen sämtliche Lebensbereiche. Offen bleibt der Punkt, wie und in welcher Form die Vernetzung mit der EU ausgestaltet sein wird. Die bisherigen Erwartungen werden mit den vom Bundesamt für Energie veröffentlichten Energieperspektiven 2050+ (EP 2050+), der vom Bundesrat verabschiedeten «Langfristigen Klimastrategie der Schweiz» und den Eckpunkten zu den Revisionen des Energiegesetzes (EnG) und des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) bekräftigt und präzisiert. Insgesamt ergeben diese Bekräftigungen resp. Neuerungen eine leichte Verschiebung des Energiewelten-Vierecks in Richtung der Local und der Trust World. Die Schwerpunkte des Vierecks liegen dabei in der Local und Smart World.