Der Wärmeverbund Ennetsee ist weit mehr als ein Bauprojekt: Er steht exemplarisch dafür, wie klimafreundliche Energieversorgung, technisches Know-how und nachhaltige Bauorganisation zusammenspielen. Seit 2016 treibt WWZ das Grossprojekt voran. In seiner Endausbaustufe im Jahr 2035 soll der Wärmeverbund rund 19'500 Haushalte im Kanton Zug mit erneuerbarer Wärme versorgen – mit einer geplanten jährlichen Wärmeabgabe von bis zu 68 GWh.
Bereits bis Ende 2025 wird rund die Hälfte der Infrastruktur realisiert sein – ein gewaltiger Meilenstein. Fernwärme gilt schon heute als Schlüsseltechnologie für die Dekarbonisierung der Schweiz. Sie ist zuverlässig, wirtschaftlich und stabil in der Preisentwicklung. Nachhaltigkeit hört aber nicht bei der gelieferten Energie auf. Auch die Art, wie Infrastruktur geplant, gebaut und betrieben wird, entscheidet über den langfristigen Erfolg.
Nachhaltigkeit ist kein Produkt – sondern eine Haltung
Das Projekt Ennetsee zeigt: Nachhaltigkeit bedeutet auch, mutige Entscheidungen treffen, Prozesse konsequent hinterfragen und eingefahrene Denkmuster verlassen. WWZ verfolgt einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz, der folgende Bereiche umfasst:
Material und Kreislaufwirtschaft
- Beim Leitungsbau wird, wo immer möglich und zulässig, das bestehende Aushubmaterial wiederverwendet. Das reduziert Emissionen, spart Entsorgungskosten und verringert Lärm- und Verkehrsbelastung im Baugebiet.
- Die verwendeten Materialien erfüllen hohe Standards, sowohl ökologisch wie technisch. WWZ bevorzugt regionale Produkte und Partner, verkürzt so die Transportwege und hält die Wertschöpfung in der Schweiz.
- Kurze Wege auf der Baustelle – die Baustellenlogistik wird über mehrere Jahre hinaus geplant und betrieben, immer in Absprache mit Drittbaustellen.
Planung und Bauprozess
- WWZ setzt auf eine strukturierte und standardisierte Planung, die laufend verfeinert wird. Alle Beteiligten – vom Planungsbüro bis zum Monteur – werden frühzeitig eingebunden.
- Langfristige Partnerschaften und gegenseitige Schulungen mit externen Partnern sichern den kontinuierlichen Aufbau und Erhalt von Know-how.
- Die digitale Projektplanung mit Standardplänen und Längsschnitten ermöglicht präzise Simulationen einzelner Montageschritte, reduziert Fehlerquellen und beschleunigt Entscheidungsprozesse.
Logistik und Organisation
- Die Logistik der Baustellen ist darauf ausgerichtet, Stillstandzeiten zu vermeiden. So setzt WWZ das Personal effizient ein und entlastet das Baustellenumfeld.
- Die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen sind fair und transparent geregelt – ein Beitrag zu sozialer Nachhaltigkeit, der im Baugewerbe nicht selbstverständlich ist.
- Abfalltrennung und -entsorgung erfolgen zentralisiert und systematisch. Auch die Muldenlogistik wird so koordiniert, dass der Verkehr minimiert wird.
Die Rohrbrücke in Rotkreuz: Von der Herausforderung zum Vorzeigeprojekt
Ein Highlight des Projekts ist die Rohrleitungsbrücke bei Rotkreuz. Ursprünglich war vorgesehen, die Leitungen unterirdisch entlang der Autobahn A4 zu führen. Doch ein Eigentümer verweigerte das Durchleitungsrecht. Eine Blockade? Im Gegenteil: WWZ reagierte mit Innovationsgeist.
Statt langwieriger juristischer Auseinandersetzungen entwickelte das Projektteam eine alternative Lösung – eine Rohrleitungsbrücke über die Autobahn. Die Spezialistinnen und Spezialisten konnten die Genehmigungsbehörden dank detaillierter Planung rasch überzeugen:
- Das Projekt wird im Massstab 1:50 nachgebaut, mit über 30 Montageschritten simuliert und in 3D präsentiert.
- Die Bewilligung wird innert weniger Monate erteilt – ein aussergewöhnlicher Erfolg im öffentlichen Bauwesen.
- Die Brücke wird in drei Teilen produziert und in Hochdorf testweise vormontiert. Anschliessend wird sie aufgeteilt, transportiert und vor Ort effizient zusammengesetzt.
- Selbst das Autobahnschild wird auf der neuen Konstruktion montiert – ein Zeichen für die enge Abstimmung mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA).
Die Brücke ist ein Beispiel dafür, wie Innovationen aus der Not entstehen.
«Wir haben nicht nur eine funktionale Lösung gebaut, sondern auch gezeigt, dass nachhaltige Bauweise und Ingenieurkunst bestens vereinbar sind.»
Warum Fernwärme überzeugt
Der Wärmeverbund Ennetsee bietet im Vergleich zu anderen Heizsystemen zahlreiche Vorteile – ökologisch, wirtschaftlich und technisch:
- Stabile Preise: Durch die Nutzung von Abwärme ist die Wärmeversorgung unabhängig vom volatilen internationalen Energiemarkt.
- Minimale Strombelastung: Der Betrieb der Fernwärme benötigt nur wenig Strom – ein entscheidender Vorteil in einer zunehmend elektrifizierten Welt.
- Hohe Lebensdauer: Die Leitungen haben eine Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren – bis zu dreimal länger als herkömmliche Heizsysteme.
- Kalkulierbare Investition: Die Erstinvestition für einen Anschluss ist gering. Im Vergleich zur Erdsonden-Wärmepumpe ist sie bis zu 50 Prozent günstiger – bei tieferen Betriebskosten.
- Flexibler Anschluss: Besonders Liegenschaften nahe der Hauptleitungen profitieren von schnellen, wirtschaftlich attraktiven Anschlussmöglichkeiten.
Energiezukunft Ennetsee – mit Weitblick geplant
Der Wärmeverbund Ennetsee ist ein strategisches Projekt – nicht nur für die Region, sondern auch im Hinblick auf die klimapolitischen Ziele des Bundes. Bis 2050 will die Schweiz klimaneutral sein. Die Dekarbonisierung der Gebäudeheizungen ist dabei ein zentrales Element. Projekte wie der Wärmeverbund tragen konkret dazu bei, fossile Energieträger zu ersetzen.
WWZ zeigt, dass auch ein privater Energieversorger solche Projekte stemmen kann – mit hohem Anspruch an Qualität, Verantwortung und Innovationskraft. Das Projektgebiet erstreckt sich über drei Kantone, was zusätzliche rechtliche und logistische Herausforderungen mit sich bringt.
Ausblick: Sektorkopplung als Gamechanger
Die Energiezukunft ist vernetzt. Strom, Wärme, Mobilität und Speicherung wachsen zusammen. Die sogenannte Sektorkopplung wird dabei zum zentralen Hebel. Ziel ist es, alle Energiesektoren intelligent zu verbinden, Ressourcen optimal zu nutzen und Flexibilität zu gewinnen.
WWZ setzt im Rahmen des Wärmeverbunds künftig auch Smart-Metering, Speicherlösungen und sektorübergreifende Steuerung ein – für eine Energieversorgung, die genauso effizient wie intelligent ist.
Über die Autor:innen
Isabelle Walder: Organisation statt Improvisation
Seit Mai 2021 ist Isabelle Walder bei WWZ im Projekt Wärmeverbund Ennetsee verantwortlich für den Leitungsbau. Die dipl. Bauingenieurin FH ist Projektleiterin Anlagenbau bei WWZ und bringt über 25 Jahre Erfahrung in Spezialtiefbau, Wasserbau und Spezialkonstruktionen mit. Ihre Philosophie: Struktur schafft Vertrauen.
«Fernwärme wurde anfangs zu idealistisch gedacht. Viele Prozesse, gerade in der Umsetzung, waren nicht auf die realen Herausforderungen abgestimmt», blickt Walder zurück. Heute sieht das anders aus. Unter ihrer Projektleitung professionalisierte sie die Zusammenarbeit– und schaffte damit eine Basis, auf der auch künftige Grossprojekte aufbauen können.
Über 55 Baustellen hat Walder im Laufe ihrer Karriere geleitet – mit Budgets bis zu 40 Millionen Franken. «Mein Ziel ist es, nicht nur Wärme liefern, sondern auch stabile Strukturen schaffen, die für Jahrzehnte halten.»
Luca Leuenberger: Gesamtplanung mit Blick fürs Ganze
Während Isabelle Walder die Umsetzung und Bauorganisation verantwortet, liegt die Gesamtplanung des Wärmeverbunds Ennetsee bei Luca Leuenberger, Projektleiter Wärme und Kälte bei WWZ. Er sorgt dafür, dass technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und langfristige Effizienz Hand in Hand gehen.
Sein Anspruch: Jedes Detail muss in das grosse Ganze passen. «Bei einem Projekt dieser Grössenordnung betrachten viele die einzelnen Abschnitte isoliert. Doch nur wenn wir von Anfang an alle Bauetappen, Energiequellen und Anschlussmöglichkeiten in einer konsistenten Gesamtplanung berücksichtigen, erreichen wir eine optimale Versorgung – heute und in 30 Jahren», erklärt Leuenberger.
Der ausgebildete Energie- und Umweltingenieur sowie Wirtschaftsingenieur bringt langjährige Erfahrung aus Planung, Projektentwicklung und Energieinfrastruktur mit. Für ihn ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend: «Die besten Lösungen entstehen, wenn Ingenieure, Bauleiter, Umweltfachleute und Partnerunternehmen von Beginn an gemeinsam denken und planen. So vermeiden wir nicht nur Reibungsverluste, sondern schaffen Synergien, die in der Praxis bares Geld und Zeit sparen.»
Sein Fokus liegt auch auf der Zukunftssicherheit des Netzes: Schon heute plant er potenzielle Erweiterungen, Redundanzen und Flexibilitäten. Damit passt er den Wärmeverbund langfristig an künftige technische Entwicklungen und regulatorische Rahmenbedingungen an.