Beschleunigungserlass

Damit der Umbau des Energiesystems Fahrt aufnehmen kann, müssen die Planungs- und Bewilligungsverfahren beschleunigt werden. Die Stossrichtung im vom Bundesrat vorgelegten Beschleunigungserlass stimmt. Wichtig ist, dass die Beschleunigung nicht nur für erneuerbare Produktionsanlagen von nationalem Interesse gilt, sondern insbesondere auch auf die nötigen netzseitigen Anschlüsse und Leitungen ausgeweitet wird.

Das müssen Sie wissen

  • Die Planungs- und Bewilligungsverfahren für die Realisierung von Energieinfrastruktur dauern regelmässig 15 Jahre und mehr. Mit dem heutigen Ausbautempo verfehlt die Schweiz ihre Energie- und Klimaziele.
  • Der Beschleunigungserlass ist eine unabdingbare Ergänzung zum Mantelerlass. Er soll dem Erreichen der im Mantelerlass festgelegten ambitionierten Ausbauziele den dringend benötigten Schwung verleihen.
  • Die Vorlage sieht eine Straffung der Planungs-, Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren vor.
  • Wichtig ist, dass nicht nur die Verfahren für neue Produktionsanlagen beschleunigt werden, sondern auch die Verfahren für die Netze.

Wer in der Schweiz Energieinfrastruktur realisieren will, braucht einen langen Atem: Die mehrstufigen Planungs- und Bewilligungsverfahren sowie die Instanzenwege bei Beschwerden dauern regelmässig 15 Jahre und mehr. Diese Zeitspannen sind unhaltbar. Spätestens seit der Energiekrise sollte die Dringlichkeit, ein deutlich höheres Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien anzuschlagen, in unser aller Bewusstsein verankert sein. Denn Fakt ist: Mit dem heutigen Ausbautempo verfehlt die Schweiz ihre unverhandelbaren und übergeordneten Energie- und Klimaziele um Jahrzehnte.

Für einen zügigen und starken Ausbau der erneuerbaren Energien wurden in den letzten Monaten Fortschritte erzielt, bspw. mit dem runden Tisch Wasserkraft, der Solar-Offensive und der Beschleunigung fortgeschrittener Windkraftprojekte. Mit dem Mantelerlass ist zuletzt ein wahrhaftiger Meilenstein gelungen. Die neuen Bestimmungen dürften die Bewilligungsfähigkeit von Projekten markant verbessern. Notwendig ist nun, dass der Mantelerlass seine Wirkung schnellstmöglich in der Realität entfalten kann und die vielen geplanten Ausbauprojekte umgesetzt werden können (siehe VSE Projektübersicht Ausbau Erneuerbare).

Beschleunigungsvorlage: unabdingbare Ergänzung zum Mantelerlass

Damit dies so rasch wie möglich gelingt, braucht es ergänzend zum Mantelerlass eine Beschleunigung der Verfahren: Planungs-, Bewilligungs- und Beschwerdeverfahren müssen gestrafft werden. Die aktuelle Praxis zeigt, dass diese Verfahren sehr aufwendig und langwierig. Es ist daher richtig, die Prozessschritte wie vom Bundesrat vorgeschlagen in einem konzentrierten Verfahren zu bündeln und zu koordinieren sowie den Beschwerdeweg zu verkürzen.

Um die Wirkung auch in Realität zu verbessern, muss auch sichergestellt sein, dass die zuständige kantonale Behörde ausreichend personelle Ressourcen für die Behandlung der Projekte hat. Auch könnten Fristen, innerhalb derer Entscheide zu fällen sind, verbindlich vorgegeben werden. Eine behördliche Anlaufstelle soll die Koordination innerhalb der Verwaltung sicherstellen und für Gesuchsteller den «single point of entry» darstellen.

Mengenmässig werden auch kleinere Produktionsanlagen wesentlich zur Energie- und Klimastrategie beitragen. Es wäre daher sinnvoll, wenn die Kantone nicht nur auf Geheiss des Bundes ihre Verfahren für Anlagen von nationalem Interesse straffen, sondern auch für kleinere Projekte zügige Bewilligungsverfahren vorsehen.

Die Beschleunigungsvorlage ist somit eine unabdingbare Ergänzung zum Mantelerlass. Sie soll dem Erreichen der im Mantelerlass festgelegten ambitionierten Ausbauziele den dringend benötigten Schwung verleihen. Daher muss der Beschleunigungserlass so zügig wie möglich vom Parlament beraten und verabschiedet werden. Die vom Bundesrat eingeschlagene Stossrichtung in der Beschleunigungsvorlage stimmt.

Keine Beschleunigung der Produktion ohne Netz

Insbesondere in einem Punkt besteht in der Vorlage des Bundesrates eine grosse Lücke: Sie sieht eine Beschleunigung der Verfahren nur für Produktionsanlagen vor, nicht aber für die Netze.

Eine Produktionsanlage dient aber niemandem, wenn kein Anschluss vorhanden ist oder die Netzkapazitäten nicht ausreichen, um die Energie abzutransportieren. Die Beschleunigungsmassnahmen müssen aus diesem Grund ebenso die bundesrechtlichen Sachplan- und Plangenehmigungsverfahren für die Netze umfassen. Denkbar ist, dass das Plangenehmigungsverfahren für die netzseitigen Anlagen in das neue, mit der Vorlage vorgesehene konzentrierte kantonale Verfahren integriert wird, so dass die kantonale Behörde in Abstimmung mit dem Eidgenössischen Starkstrominspektorat (ESTI) auch die Bewilligung für den elektrischen Teil der Anlage erteilt. Mindestens muss sichergestellt werden, dass die Bewilligungen für die netzseitigen Anschlüsse und Leitungen zeitgleich mit denjenigen für die Produktionsanlage erteilt werden.

Der VSE begrüsst ausdrücklich, dass der Bundesrat eine Vorlage in Auftrag gegeben hat, die die Verfahren für die Bewilligung im Netzbereich umfassend angeht und vor allem alle Netzebenen berücksichtigt.

Beschleunigung auch im Netz

Die Beschleunigungsvorlage strebt Verbesserungen für die Realisierung von Stromübertragungsnetzen (NE 1) an. In Zukunft soll im Rahmen des Sachplanverfahrens direkt ein Planungskorridor festgelegt werden (statt wie bisher zuerst ein Planungsgebiet). Aus Sicht der Übertragungsnetze ist diese Absicht positiv zu werten. Es darf nicht sein, dass bis zur Inbetriebnahme eines Stücks Höchstspannungsleitung, das zentral ist für den Abtransport der Energie aus den Speicherseen, 36 Jahre vergehen, wie das bei Chamoson-Chippis der Fall war.

Unverständlich ist, dass nicht vorgesehen ist, dass alle Netze von einem beschleunigten Plangenehmigungsverfahren profitieren sollen. Der Umbau des Energiesystems spielt sich hauptsächlich auf den unteren Netzebenen ab: Leistungen bis 150 MW, punktuell auch höher, werden an das Verteilnetz angeschlossen. Im Verteilnetz soll es aber beim ordentlichen kantonalen Verfahren bleiben, für das keine Beschleunigung vorgesehen ist. Dies hat zur schwerwiegenden Folge, dass zum Beispiel für die Realisierung einer alpinen Solaranlage drei unterschiedliche Bewilligungsverfahren erforderlich sind – obschon es um ein und denselben Sachverhalt geht:

  • Für die Solaranlage gilt ein beschleunigtes Verfahren (Dauer inkl. Gerichtsverfahren = max. 1 Jahr). Genehmigungsbehörde ist der Kanton, verantwortlich ist der PV-Eigentümer.
  • Für die Anschlussleitung gilt ebenfalls ein beschleunigtes Verfahren (Dauer inkl. Gerichtsverfahren = max. 1 Jahr). Genehmigungsbehörde ist das Eidgenössische Starkstrominspektorat (ESTI), verantwortlich ist der PV-Eigentümer.
  • Für die Netzverstärkung gilt ein ordentliches kantonales Verfahren (ohne Beschleunigung, Dauer = max. 2 Jahre OHNE Gerichtsverfahren). Genehmigungsbehörde ist das ESTI, verantwortlich ist der zuständige VNB.

Somit wäre Stand heute für die Beschleunigung keine Konsistenz gegeben, und es bestünde weiterhin ein Flaschenhals. Aus diesem Grund kann eine echte Beschleunigung für neue Energieinfrastruktur nur erzielt werden, wenn auch das Verfahren für Netzverstärkungen mitberücksichtigt wird (Gleichstellung von Kraftwerk, Anschlussleitung und Netzverstärkung). Im Optimalfall gäbe es ein einziges beschleunigtes Verfahren mit denselben Fristen und Prozessen für alle Teilbereiche und über alle Behörden hinweg.

Stand der Dinge: Beratung im Parlament

Wintersession 2023: Nationalrat macht wichtigen ersten Schritt

Die Beschleunigung der Verfahren ist eine zentrale Voraussetzung für die Erreichung der Energie- und Klimaziele der Schweiz und die Sicherstellung der Stromversorgung. Der Beschleunigungserlass ist deshalb eine unabdingbare Ergänzung zum Mantelerlass und muss zügig vom Parlament beraten und verabschiedet werden. Für die Versorgungssicherheit der nächsten 10 bis 15 Jahre ist dieses regulatorische Duo alternativlos. Unser Fokus lag denn auch auf der nationalrätlichen Debatte zum Beschleunigungserlass, die in der Wintersession auf der Agenda stand. Die Stossrichtung stimmt, den zentralen Anliegen des VSE wurde Folge geleistet:

  • Der Nationalrat ist mit sehr deutlichem Mehr von 175 zu 19 Stimmen auf die Vorlage eingetreten. Später nach der Detailberatung bestätigte er den Beschleunigungserlass klar mit 137 zu 56 Stimmen.
  • Auch Windkraftprojekte sollen von der Beschleunigung profitieren und so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten. Windenergie weist ein erhebliches Winterstrom-Potenzial auf und ist daher komplementär zur alpinen Solarenergie und erhöht die Resilienz der Stromversorgung.
  • Ganz im Sinn des Mantelerlasses, der den erneuerbaren Energien nationales Interesse beimisst, verzichtet der Nationalrat auf die Vorgabe eines Gemeindevetos in allen Kantonen. Grundsätzlich sollen die Kantone darüber entscheiden, wie sie das neue konzentrierte Plangenehmigungsverfahren entsprechend ihren Bedürfnissen gestalten wollen.

Eine negative Überraschung gab es bei einem kurzfristig eingereichten Antrag, der eine Änderung des Mantelerlasses bezweckt. Der vor weniger als drei Monaten verabschiedete Mantelerlass sieht vor, dass Energiespeicher vom Netzentgelt befreit werden (bzw. dieses zurückerstattet erhalten), sofern der Speicher die Energie später zurück ins Netz speist. Der vom Nationalrat mit 117 zu 73 Stimmen angenommene Antrag will diese Bestimmungen ändern für mobile Speicher– dies, obwohl die Branche mit dem BFE und anderen Stakeholdern mit Hochdruck dran ist, eine nachhaltige Lösung für Vehicle to Grid auszuarbeiten. Im Rahmen der ohnehin komplexen und unter hohem Zeitdruck stehenden Verordnungsarbeiten zum Mantelerlass steht eine pragmatische und vor allem praxistaugliche und per 1.1.2025 umsetzbare Lösung bereit. Eine Änderung des Mantelerlasses noch bevor dieser überhaupt in Kraft tritt, würde zu Verunsicherung führen und macht wenig Sinn. Wir werden daher dafür kämpfen, dass der Ständerat den Passus wieder streicht.

Der Beschleunigungserlass kommt als nächstes in den Ständerat. Ab Januar wird seine Energiekommission die Vorlage beraten.