Alpen-Solaranlagen zahlen ihre Umweltbelastung in wenigen Jahren zurück

19.03.2024
Alpen-Photovoltaik ist für die Energiewende zentral, weil Sparen und PV auf den Dächern allein bei Weitem nicht genügen würden, um die wachsende Stromlücke im Winterhalbjahr zu decken. Das wird zwar von einigen Umweltverbänden mit Flyern gegen die Alpen-PV behauptet. Aber unterschätzen wir das Vorhaben nicht, wollen wir doch nichts weniger als die seit hundert Jahren bestehende Abhängigkeit von den billigen fossilen Energien und deren Lieferländern lösen – das ist kein Spaziergang.
Gastautor
Ruedi Kriesi
Präsident IG Solalpine
Gastautor
Renato Tami
Vizepräsident IG Solalpine
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Alpen-Photovoltaik hat viele Vorteile. Sie bietet dank der Lage über dem Hochnebel und der Reflexion am Schnee einen hohen Ertrag im Winter. Sie nutzt günstiges Land, weil der landwirtschaftliche Ertrag der Alpen wegen tiefer Temperaturen gering ist. Zudem bleibt die Beweidung weiterhin möglich, weil die Module wegen der Schneehöhen 3 Metern über Boden liegen und der Boden dank deren steiler Aufstellung im Sommer weiterhin gut besonnt wird. Mit einem kleinen Teil des Baurechtszinses für die Grundstücknutzung können die Berggemeinden und die Landeigentümer zudem ihre Alphütten und Alp-Wasserversorgung erneuern. Das bremst die anhaltende rasche Reduktion der bewirtschafteten Alpflächen. Das ist von Vorteil, weil ungenutzte Alpen verganden, was einen grossen Verlust für die Biodiversität bedeutet.

Die Alpen-PV hat aber auch zwei Nachteile. Sie verändert die Landschaft, und sie erfordert höhere Investitionen als grössere PV-Anlagen auf Bauten. Der erste Nachteil lässt sich nicht vermeiden. Die Anlagen können lediglich an Orten erstellt werden, wo sie nur von einigen Wanderern und Wintersportlern gesehen werden. Auch die vielen Häuser und Strassen im Mittelland gefallen nicht allen, diese sind aber halt auch Grundlage für unseren Lebensstandard, der vielen erst die Möglichkeit zu Wanderungen und Wintersport gibt. Im Unterschied zu Häusern und Strassen besteht für alpine PV-Anlagen ausserdem die Aussicht, dass sie in einigen Jahrzehnten durch andere Energieformen abgelöst und vollständig abgebaut werden können.

Der zweite Nachteil, die höheren Investitionen, lassen vermuten, dass damit auch hohe Energieinvestitionen zur Erstellung der Anlagen notwendig sind, die sich erst nach sehr langer Zeit zurückzahlen. Das ist jedoch zum Glück nicht der Fall. Die Investitionen sind höher, weil sie etwa zur Hälfte durch die aufwendige Fundation und Stahlunterkonstruktion bestimmt werden. Die Module müssen zuverlässig über der maximalen Schneehöhe von bis 4 Metern zu liegen kommen, damit sie nicht von Fliessschnee zerstört werden. Und das Gerüst muss Windgeschwindigkeiten bis 200 km/h widerstehen. Bei Dach- und Fassadenanlagen ist diese Funktion auf einfache Montageschienen reduziert. Auch der Stromanschluss und die Baulogistik sind viel aufwendiger.

Positive CO2-Bilanz nach rund fünf Jahren

Die IG Solalpine hat beim Büro Amstein + Walthert ein Excel-Werkzeug erstellen lassen, um Energie und CO2-Ausstoss zu Bau, Betrieb und Entsorgung alpiner PV-Anlagen berechnen und mit dem Nutzen vergleichen zu können. Die IG Solalpine stellt das Berechnungsinstrument im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen zur Verfügung. Anhand einer von uns geplanten auf 2300m. ü. M. und 1000 m über dem Dorf gelegenen Anlage mit 23 MWp wurden sämtliche Komponenten erfasst. Zu allen Komponenten wurden die Herstellung, der Transport in die Schweiz und auf die Baustelle und die Entsorgung gemäss der Ökobilanzzahlen der KBOB (Vereinigung der öffentlichen Bauherren der Schweiz) berücksichtigt. Ausserdem wurden der Anlagenbau, der Betrieb während 60 Jahren, die Erneuerung der PV-Module nach 30 Betriebsjahren und der Rückbau eingerechnet.

Das Resultat ist auf den ersten Blick überraschend. Der Gesamtaufwand an CO2-eq liegt mit 41 g/kWh in ähnlicher Höhe wie bei PV-Dachanlagen (42 g/kWh, vgl. treeze ltd. «Ökobilanz Strom aus Photovoltaikanlagen, Update 2020»). Auf der Basis des europäischen Strommix wird das in die Anlage investierte CO2 in 4,6 Jahren zurückbezahlt, die Primärenergie in 2,8 Jahren.

Anteile des CO2-Ausstosses durch eine PV-Anlage mit 23 MWp.

Zur Grafik

In den Zahlen sind die Herstellung aller Komponenten sowie der Bau, Betrieb und die Entsorgung der Anlage enthalten. Sie wurden anhand einer konkret geplanten Anlage ermittelt, für die eine speziell erstellte Transportseilbahn vom Tal zum Bauplatz auf der Alp und Helikopterflüge zwischen dem Montageplatz auf der Alp zum Aufstellungsort der Module vorgesehen waren. 

Den dominierenden Anteil verantwortet die Herstellung der PV-Module zu Beginn (44%) und zum Ersatz nach 30 Jahren (16%). Während die Module heute in China mit Strom aus Kohlekraftwerken hergestellt werden, wird für den Ersatz von in Europa mit saubererem Strom hergestellten Produkten ausgegangen. Die dritte wichtige Komponente, die Unterkonstruktion der Module aus Stahl (17%), hat bei Alpen-Anlagen einen wesentlich grösseren Anteil als Anlagen auf Bauten. Da sie im Vergleich zur Modulherstellung aber trotzdem untergeordnet ist, unterscheiden sich Anlagen in den Bergen und auf Bauten nur unwesentlich.

Betrachtet man aber das Verhältnis der Beiträge der einzelnen Komponenten, so erkennt man leicht die Ursache der geringen Unterschiede (vgl. Abbildung). Das Resultat wird ganz stark durch die Herstellung der PV-Module bestimmt, die für beide Anlagearten identisch ist. Wichtigster Parameter ist dabei die Wahl von China als deren Herkunftsland für die Erstausrüstung, weil dort die verwendete Elektrizität weitgehend aus Kohlekraftwerken stammt, mit einem weit höheren CO2-Gehalt gegenüber dem europäischen Strommix. Daneben kompensieren der höhere Ertrag, Europa als Herkunftsregion für den Modulersatz in 30 Jahren, die Nutzungsdauer und die Anlagengrösse den Nachteil der aufwendigen Unterkonstruktion der Alpen-Anlagen.

Zusammengefasst: Der höhere Bauaufwand von PV-Anlagen in den Alpen wird durch ihre Vorteile gegenüber PV-Anlagen auf Dächern kompensiert.

«Kein Landschaftsproblem»

Damit bleibt die Landschaftsveränderung als einziger scheinbarer Nachteil der Alpen-PV. Wenn sie aber in 30 oder 50 Jahren nicht mehr notwendig sein sollten, können die Anlagen auch wieder abgebaut werden. Zudem sagt der Direktor des Urner Instituts Kulturen der Alpen der Universität Luzern, Prof. Dr. Boris Previšić, zu diesem Thema: «Die Welt, und damit auch die Schweiz, hat ein gravierendes Energie- und ein Biodiversitätsproblem, aber kein Landschaftsproblem


Über die IG Solalpine

Die IG Solalpine ist ein nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch organisierter Verein. Er wurde im November 2021 gegründet und bezweckt den Bau von grossen Photovoltaik-Anlagen im schweizerischen Alpenraum. Der in den Bergen erzeugte Solarstrom soll insbesondere in den Wintermonaten helfen, den Eigenversorgungsgrad der Schweiz zu erhöhen. Die IG Solalpine engagiert sich für geeignete politische und rechtliche Rahmenbedingungen, damit Photovoltaik-Anlagen im alpinen Raum zu einem festen Wert für eine sichere Stromversorgung der Schweiz gehören. Die IG Solalpine arbeitet mit 13 Elektrizitätsversorgungsunternehmen der Schweiz als Partner-EVU sowie mit den Ingenieurunternehmen Amstein und Walthert AG und Fanzun AG zusammen.

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