Im Winter verbraucht die Schweiz in der Regel mehr Strom, als sie selbst produzieren kann. Sie ist deshalb auf Stromimporte aus dem Ausland angewiesen. Um die Abhängigkeit von Energieimporten und das Risiko kritischer Versorgungslagen zu verringern, will die Schweiz rasch mehr Strom aus erneuerbaren Energien produzieren. Alpine Solaranlagen können einen wesentlichen Beitrag zur Schliessung der sogenannten Winterstromlücke und damit zur Sicherstellung der Energieversorgung in der Schweiz leisten. Ihr grosser Vorteil besteht darin, dass ein alpines Solarmodul übers Jahr rund 1.5-mal mehr Energie produziert als ein vergleichbares Modul im Flachland. Besonders im Winter produzieren alpine Solaranlagen bis zu fünf Mal mehr Strom als vergleichbare Anlagen im Flachland. Der Bund hat deshalb beschlossen, alpine Solaranlagen gezielt zu fördern. Mit dem Solarexpress soll bis 2025 eine zusätzliche jährliche Gesamtproduktion von 2 Terawattstunden (TWh) aus Photovoltaik (PV)-Grossanlagen erreicht werden. Trotz der energietechnischen Vorteile und des politischen Willens auf nationaler Ebene zeigt sich jedoch, dass die Realisierung entsprechender Projekte häufig an der mangelnden Akzeptanz der lokalen Bevölkerung scheitert. Eine aktuelle Studie [1] untersucht die gesellschaftliche Akzeptanz alpiner PV-Projekte und identifiziert relevante Einflussfaktoren. Daraus leitet sie praxisnahe Handlungsempfehlungen auf Basis theoretischer Ansätze aus der Persuasionspsychologie ab, mit denen die Akzeptanz gesteigert werden kann.
Akzeptanz und ihre Einflussfaktoren
Gesamtschweizerisch werden alpine Solaranlagen im Allgemeinen positiv wahrgenommen, wie die Untersuchung zeigt. In einer Online-Umfrage äusserten sich 73% der Befragten positiv zur Nutzung alpiner Gebiete für Solaranlagen. Diese positive Grundhaltung bestätigen auch weitere Studien zur sozialen Akzeptanz erneuerbarer Energien. Als zentralen Vorteil alpiner Solaranlagen nannten die Befragten neben der umweltfreundlichen Energiegewinnung insbesondere die Stromproduktion im Winter. Gleichzeitig bestehen jedoch Bedenken, insbesondere hinsichtlich technischer Herausforderungen und möglicher Beeinträchtigungen der Landschaft und Umwelt.

Regionale und demografische Unterschiede spielen dabei eine wesentliche Rolle. Bewohner:innen städtischer Gebiete und nicht direkt betroffener Regionen äusserten eine höhere Akzeptanz, während Menschen in alpinen Gebieten, die unmittelbar von den Projekten betroffen sein könnten, eher skeptisch reagierten. Hingegen neigen Bewohner:innen von Bergregionen, die bereits Erfahrung mit Infrastrukturprojekten wie der Wasserkraft haben, zu einer positiveren Haltung. Darüber hinaus beeinflussen demografische Faktoren wie Alter, Bildungsniveau und politische Orientierung die Akzeptanz. Jüngere, besser gebildete und politisch eher links bis zentral orientierte Personen neigen eher dazu, alpine PV-Projekte zu unterstützen.
Die Art der Informationsvermittlung ist ebenfalls ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz. Laut der Umfrage gelten traditionelle Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitungen als vertrauenswürdiger als soziale Medien. Expert:innen betonten in Interviews, dass transparente und frühzeitige Kommunikation, etwa durch persönliche Informationsveranstaltungen und direkten Austausch mit der Bevölkerung, die Akzeptanz erheblich steigern kann.

Legende: 1 = überhaupt nicht vertrauenswürdig, 2 = wenig vertrauenswürdig, 3 = neutral, 4 = vertrauenswürdig, 5 = sehr vertrauenswürdig
Frühere Projekte prägen die Meinungen unterschiedlich: Positive Erfahrungen – beispielsweise das Projekt AlpinSolar an der Muttsee-Staumauer – fördern die Akzeptanz, während negative Erlebnisse zu Skepsis führen. Auch ästhetische und ökologische Überlegungen spielen eine zentrale Rolle. Grossflächige Projekte oder die Nutzung ökologisch wertvoller Flächen stossen häufig auf Widerstand. Gleichzeitig können wirtschaftliche Überlegungen – etwa faire Entschädigungen für Gemeinden oder die Betonung der wirtschaftlichen Vorteile – die Akzeptanz erhöhen.
Handlungsempfehlungen: Erfolgsstrategien für die Akzeptanz alpiner Solaranlagen
Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass die Akzeptanz alpiner Solaranlagen von einer Vielzahl an Faktoren abhängt. Um breite Unterstützung zu gewinnen, müssen alle relevanten Aspekte berücksichtigt und gezielt adressiert werden. Die Persuasionspsychologie liefert Ansätze, wie Projektverantwortliche zielgruppengerechte Kommunikationsstrategien entwickeln können. Denn für eine effektive Kommunikation müssen Projektverantwortliche verstehen, wie Einstellungen und Verhalten geformt und beeinflusst werden. Aus den Forschungsergebnissen und den grundlegenden Theorien der Persuasionspsychologie leiten sich nachfolgende Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Akzeptanz alpiner Solaranlagen ab:
- Frühzeitige und umfassende Einbindung der lokalen Bevölkerung
Die Akzeptanz alpiner Solaranlagen hängt massgeblich von der frühzeitigen Einbindung der betroffenen Bevölkerung ab. Es ist wichtig, die Gemeinden nicht nur zu informieren, sondern sie aktiv in den Planungsprozess einzubeziehen. Informationsveranstaltungen und Workshops bieten die Möglichkeit, die Bevölkerung umfassend über die Projekte und deren Auswirkungen zu informieren. Dabei sollten Feedback-Schleifen eingerichtet werden, um Meinungen und Bedenken systematisch zu erfassen und in die Planung einzubeziehen.
Zudem können partizipative Modelle wie Bürgerforen oder Abstimmungen eine direkte Mitwirkung ermöglichen. Diese Ansätze schaffen Vertrauen, da die Bürgerinnen und Bürger sich ernst genommen fühlen und die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen. Dies stärkt die Akzeptanz und die Bereitschaft, solche Projekte zu unterstützen.
- Nutzung von Cialdinis Prinzipien der Einflussnahme
Die Anwendung der Prinzipien der Persuasion nach Robert Cialdini [2] kann die Akzeptanz alpiner Solaranlagen erheblich steigern. Besonders relevant sind die Prinzipien der sozialen Bewährtheit, der Autorität und der Knappheit.
Das Prinzip der sozialen Bewährtheit zeigt, dass Menschen sich am Verhalten anderer orientieren. Wenn positive Erfahrungen aus anderen Gemeinden oder die Unterstützung durch prominente Persönlichkeiten bekannt gemacht werden, kann das Vertrauen in die Projekte gestärkt werden. Auch der Austausch mit Gemeinden, die bereits erfolgreich alpine PV-Projekte umgesetzt haben, trägt zur Akzeptanz bei.
Das Prinzip der Autorität unterstreicht die Bedeutung von Expert:innen und Institutionen. Wissenschaftliche Studien und Expertenmeinungen erhöhen die Glaubwürdigkeit der Projekte. Durch den Rückgriff auf vertrauenswürdige Quellen wird die Wahrnehmung der Projekte als seriös und vorteilhaft verstärkt.
Das Prinzip der Knappheit betont die Dringlichkeit. Solaranlagen in alpinen Regionen sind zentraler Bestandteil einer Lösung zur Schliessung der Winterstromlücke. Indem die zeitliche Begrenztheit der Entscheidungsfenster oder Fördermöglichkeiten betont wird, wird das Gefühl der Dringlichkeit verstärkt, was die Unterstützung für die Projekte erhöhen kann.

- Differenzierte Kommunikationsstrategien
Verschiedene Zielgruppen reagieren unterschiedlich auf Kommunikationsstrategien [3]. Daher sollten die Kommunikationsmethoden an die jeweilige Zielgruppe angepasst werden, um eine breite Akzeptanz zu fördern.
Für Stakeholder, die sich für technische Details interessieren, sollten tiefgehende Informationen bereitgestellt werden. Diese Zielgruppe bevorzugt fundierte wissenschaftliche Daten und ausführliche Berichte, die in spezialisierten Informationsveranstaltungen vermittelt werden. Auf diese Weise können rationale Argumente die Akzeptanz stärken.
Stakeholder, die sich weniger intensiv mit technischen Details befassen, reagieren stärker auf emotionale und visuelle Botschaften. Für sie sind einfache Slogans, Storytelling und Testimonials effektiver, um eine positive Einstellung zu fördern. Indem man die Kommunikationsstrategie differenziert, lässt sich eine breitere gesellschaftliche Unterstützung für alpine Solaranlagenprojekte erreichen.
- Berücksichtigung regionaler und kultureller Besonderheiten
Die Planung und Umsetzung alpiner Solaranlagen muss die regionalen und kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen. In vielen alpinen Regionen ist die Bevölkerung tief in ihrer Tradition und der Natur verwurzelt. Deshalb ist es wichtig, Projekte so zu gestalten, dass sie den lokalen Werten und dem Landschaftsbild entsprechen.
Eine enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden ist dabei entscheidend. Die Planung sollte sich nicht nur an technischen und ökologischen Überlegungen orientieren, sondern auch an kulturellen und ästhetischen Werten. Sensible Gebiete sollten vermieden und die Anlagen so gestaltet werden, dass sie sich harmonisch in die Landschaft einfügen. Diese Massnahmen tragen dazu bei, die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhöhen.
Zudem kann die Nutzung lokaler Narrative helfen, die Projekte in einen vertrauten Kontext zu stellen. Wenn Geschichten erzählt werden, welche die wirtschaftlichen Vorteile oder den Beitrag zum Umweltschutz betonen, fühlen sich die Menschen eher mit den Projekten verbunden. Emotionale Erzählungen schaffen eine positive Bindung und stärken die Akzeptanz.
Fazit
Alpine Solaranlagen bieten grosses Potenzial zur Schliessung der Winterstromlücke in der Schweiz. Doch der Erfolg dieser Projekte hängt massgeblich von der gesellschaftlichen Akzeptanz ab. Eine frühzeitige Einbindung der Bevölkerung, differenzierte Kommunikation und die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten sind Schlüsselfaktoren, um Vorbehalte zu überwinden und eine nachhaltige Energiezukunft zu ermöglichen.
Referenzen
[1] Hübner, O. (2024). Analyse der gesellschaftlichen Akzeptanz alpiner Solaranlagen in der Schweiz: Bestimmungsfaktoren, Herausforderungen und Perspektiven. Masterarbeit.
[2] Cialdini, R. B. (2013). Die Psychologie des Überzeugens. Bern: Verlag Hans Huber.
[3] Jonas, K., Stroebe, W., & Hewstone, M. (2014). Sozialpsychologie (6. Ausg.). Berlin: Springer.