Wasserkraft und Gebäude zur Erreichung des Netto-Null-Ziels entscheidend

Um das Netto-Null-CO2-Ziel bis 2050 zu erreichen, sind grosse Anstrengungen nötig. Das zeigen die aktualisierten Energieperspektiven 2050+, die am 26. November 2020 vom BFE publiziert worden sind. In allen betrachteten Szenarien steigt der Strombedarf bis ins Jahr 2050 markant und die inländische, erneuerbare Stromproduktion muss entsprechend stark ausgebaut werden. Der Wasserkraft und ihrer Flexibilität kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu. Bei den Gebäuden besteht ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Reduktion der CO2-Emissionen. Zudem nehmen sie beim erforderlichen starken Ausbau der Stromproduktion mit Photovoltaik und der Bereitstellung von Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität eine Schlüsselrolle ein. Die Ausbauziele für die Wasserkraft, die Photovoltaik und die Fernwärme sowie die Energieeffizienzziele, insbesondere im Gebäudebereich, sind sehr ambitioniert. Die Konferenz der Kantonalen Energiedirektoren (EnDK) weist darauf hin, dass diese Ziele nur erreicht werden können, wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Dabei braucht es eine Gesamtbetrachtung über die verschiedenen Spezialgesetze des Bundes hinaus.
30.11.2020

Je nach Szenario wird die Schweiz bis ins Jahr 2050 zwischen 77 und 89 TWh Strom pro Jahr verbrauchen. Das entspricht einem Zuwachs von 11 bis 23 TWh gegenüber heute – trotz starken Effizienzsteigerungen. Dies vor allem deshalb, weil Mobilität und Raumwärme künftig stärker elektrifiziert werden. Zusammen mit der Ausserbetriebnahme der Kernkraftwerke (rund 25 TWh) entsteht ein zusätzlicher Bedarf an erneuerbarem, inländischen Strom zwischen 36 und 48 TWh.

Absicherungsmechanismus für Grosswasserkraft

Der Ausbau der Wasserkraft ist entscheidend, nicht nur, aber auch wegen der drohenden Importdefizite im Winter und für die Erhöhung der Flexibilität innerhalb eines oder mehrerer Tage. So soll gemäss den Energieperspektiven die Wasserkraft künftig 45 TWh an die Bruttostromerzeugung in der Schweiz leisten. Zusätzlich zum angestrebten Ausbauziel von 38.6 TWh sind dabei 7.1 TWh aus Pumpspeicherkraftwerken vorgesehen, was einen Leistungsausbau von 2.8 GW voraussetzt. Insgesamt soll die installierte Leistung der Wasserkraft von 15 auf 20 GW steigen. Angesichts der zunehmenden Anforderungen an den Umwelt- und Landschaftsschutz und der unter den aktuellen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen nicht vorhandenen Wirtschaftlichkeit vieler Projekte, ist dies eine sehr grosse Herausforderung.

Die Investitionen in die Grosswasserkraft werden von den Energieversorgungsunternehmen mit einem Horizont von 60 bis 80 Jahren und nach rein ökonomischen Aspekten getätigt. Bei den bestehenden Kraftwerken stehen zwischen 2020 und 2050 Konzessionserneuerungen im Umfang von rund 25 TWh an, im Rahmen derer in der Regel auch Erneuerungs- und Erweiterungsinvestitionen getätigt werden und umfassende Umweltauflagen erfüllt werden müssen.

Die EnDK hat bereits in der Vernehmlassung zum Energiegesetz einen von der EU akzeptierbaren Absicherungsmechanismus gefordert, der bei langfristig sehr tiefen Marktpreisen greift und welcher sowohl den Neu- und Ausbau sowie wesentliche Erneuerungen berücksichtigt und kraftwerkspezifisch unter Berücksichtigung des Beitrags an die Versorgungssicherheit gewährt wird.

Zugang zum europäischen Strommarkt

Trotz eines starken Ausbaus der inländischen, erneuerbaren Stromproduktion rechnen die Energieperspektiven mit Stromimporten im Winterhalbjahr von zeitweise mehr als 15 TWh – insbesondere dann, wenn das letzte Kernkraftwerk vom Netz geht. Damit diese Importe gewährleistet werden können und auch entsprechende Grenzkapazitäten im Übertragungsnetz vorhanden sind, braucht es einen diskriminierungsfreien Zugang der Schweiz zum europäischen Strommarkt.

Gebäude – ein Schlüsselelement der Energieperspektiven

Beim Ersatz der fossilen Heizungen, der Steigerung der Energieeffizienz wie auch bei der Stromerzeugung an und auf Gebäuden sehen die Energieperspektiven einen sehr ambitionierten Zielpfad vor. In 30 Jahren müssen die Gebäude fossile Energien im Umfang von 48 TWh ersetzen, den Wärmebedarf um 20 TWh reduzieren und den Löwenanteil der PV-Stromproduktion von 34 TWh leisten (heute 2 TWh).

Die Erfahrungen der Kantone mit Förderprogrammen, Vorschriften und freiwilligen Labels zeigen, dass der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen im Gebäudebereich bedeutend gesenkt werden können. Zur Erreichung des Netto-Null-Ziels und der sich dadurch ergebenden Effizienz- und Ausbauziele bedarf es jedoch einer zusätzlichen Beschleunigung der Sanierungsaktivitäten. Das bedeutet, dass die bestehenden politischen Instrumente zielkonform weiterentwickelt werden müssen, insbesondere auch die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich. Ergänzend dazu sind weitere Instrumente erforderlich, wie z.B. die CO2- Abgabe auf Brennstoffe. Zudem ist neben dem Einsatz von Wärmepumpen und Biomassekesseln auch der Ausbau von Fernwärmenetzen, primär in städtischen Regionen, notwendig. Dafür braucht es Planungssicherheit und langfristig angesetzte finanzielle Unterstützung.

Soziale und regionale Verteilungswirkungen berücksichtigen

Die Energieperspektiven zeigen auf, dass das Netto-Null-CO2-Ziel bis 2050 technisch erreichbar ist. Allerdings nur unter grossen Anstrengungen und nur dann, wenn die bestehenden Potenziale stark ausgeschöpft werden. Damit dies geschieht, müssen die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Die Kantone sind dazu bereit, im Gebäudesektor ihren Beitrag zu leisten. Die EnDK erhofft sich vonseiten des Bundes einen zeitnahen und umfassenden Vorschlag für einen Instrumentenmix, der über die einzelnen Spezialgesetze hinausgeht. Zur Erreichung dieser Ziele würde die EnDK aus Sicht des Gesamtsystems und aus Effizienzgründen weiterhin die Einführung eines Lenkungssystems für alle Energieträger bevorzugen. In jedem Fall ist bei den politischen Massnahmen zentral, dass diese von der Bevölkerung mitgetragen werden müssen. Insbesondere sind auch regionale und soziale Verteilungseffekte stets mit zu berücksichtigen. (EnDK)