Ja zu einem international abgestimmten Sicherheitsnetz, Nein zum unverhältnismässigen und willkürlichen «Rettungsschirm»

Der Bundesrat will die Strombranche unter einen «Rettungsschirm» stellen. Ziel ist der Schutz gegen systemische Risiken in Bezug auf die Stromversorgungssicherheit, welche die aktuelle Lage in Europa mit sich bringt. Während das Ziel sinnvoll ist, ist der Gesetzesentwurf unverhältnismässig, willkürlich und kaum verfassungskonform. Axpo erteilt dem etatistischen Vertragszwang eine Absage und setzt sich stattdessen für eine schlanke und für alle Unternehmen zugängliche Lösung ein.
04.05.2022

Das ist eine Medienmitteilung von Axpo – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder.

 

Axpo und andere Stromunternehmen verkaufen den Strom aus ihren Schweizer Kraftwerken mehrere Jahre im Voraus und minimieren dadurch die Preisrisiken (sog. «Hedging»). Ihre Kunden, etwa KMU oder Verteilnetzbetreiber mit vielen Endkunden, sichern sich eine garantierte Energielieferung zu einem planbaren Preis. Solche Geschäfte werden meistens über die Börse getätigt. Zur Absicherung von Käufern und Verkäufern ist die Hinterlegung von Sicherheitsleistungen in bar regulatorisch vorgeschrieben. Diese fliessen spätestens nach der Lieferung wieder komplett zurück, nicht unähnlich der Mietzinskaution als Absicherung gegen einen Zahlungsausfall des Mieters. Ihre Höhe hängt massgeblich vom Preisniveau ab. Steigen die Preise, steigt somit auch die zu hinterlegenden Liquidität. Seit dem deutlichen Anstieg der Gas- und Strompreise, durch den Angriffskrieg Russlands nochmals enorm verstärkt, sind die notwendigen Zahlungen in einem nie dagewesenen Ausmass gestiegen.

Diese beispiellose Situation im Energiemarkt stellt kurzfristig enorm hohe Anforderungen an die Liquidität der Unternehmen. Bei der Einführung dieser grundsätzlich sinnvollen regulatorischen Börsenvorgaben war die aktuelle Situation unvorstellbar. Solche Extremereignisse können in Europa zu einem systemischen Dominoeffekt führen, dem sich auch Schweizer Marktteilnehmer kaum entziehen können, und der so die Versorgung gefährden kann. Das gilt insbesondere für die Szenarien eines Erdgasembargos, aber auch bei langsam steigenden Energiepreisen vor dem Hintergrund eines sich hinziehenden Krieges und sich verstetigender Sanktionen. Daher ist die Absicht des Bundesrates verständlich, einen Schutzmechanismus gegen diese systemischen Risiken bereitzustellen. Auch andere Europäische Länder wie etwa Deutschland haben entsprechende Grundlagen geschaffen.

Ziel ist dabei nicht die Rettung einzelner Unternehmen, die aufgrund von schlechten Entscheiden in eine Schieflage geraten sind. Sondern das Aufspannen eines Sicherheitsnetzes gegen unkontrollierbare und unvorhersehbare Konsequenzen von regulatorischen Vorgaben rund um den internationalen Energiehandel, in den auch die Schweiz umfassend eingebunden ist.

Eingriff in Wirtschaftsfreiheit und Eigentumsgarantie

Der vorliegende Gesetzesentwurf geht aber weit über dieses berechtigte Ziel hinaus und greift massiv in die Wirtschaftsfreiheit, in die Eigentumsgarantie und ins Gleichbehandlungsgebot ein. Bewährte Prinzipien des Zivil- und Privatrechts werden ausgehebelt und der Föderalismus wird in Frage gestellt. Der Entwurf ist unverhältnismässig und willkürlich. Es muss davon ausgegangen werden, dass er verfassungswidrig ist. Er erscheint ungleich etatistischer als vergleichbare Mechanismen in anderen europäischen Ländern wie Deutschland.

Besonders stossend ist der vorauseilende Vertragszwang für wenige – aufgrund willkürlich ausgewählter Kriterien bestimmte – Unternehmen. Doch nicht einzelne Schweizer Stromunternehmen sind systemkritisch, sondern die gesamte Strombranche ist vor einem systemischen Kollaps aufgrund eines europäischen Dominoeffekts zu schützen. Es widerspricht einer liberalen Grundordnung, Unternehmen unter ein weitreichendes Regime zu zwingen, wenn auch eine schlanke Lösung auf freiwilliger Basis möglich wäre.

Auch die umfangreiche strategische und operative Einflussnahme des Bundes auf die Unternehmen ist ganz klar abzulehnen. Die Vorlage beabsichtigt in der aktuellen Ausgestaltung eine schleichende Verstaatlichung der Stromwirtschaft auf Bundesebene, führt zu einer Verzerrung des Markts und gefährdet die betroffenen Unternehmen, anstatt das Problem zu lösen.

In Anbetracht der Tragweite der Massnahmen stellt sich die Frage, ob in dieser Vorlage nicht notwendige Schutzvorkehrungen mit allgemeinen Regulierungswünschen vermischt werden. Der Vorschlag des Bundes ist ein Präjudiz und es ist nicht ausgeschlossen, dass entsprechende Regelungen auch für andere Branchen eingeführt werden.

Eine schlanke Vorlage führt zum Ziel

Unter anderem aus diesen Gründen lehnt Axpo die Vorlage in ihrer aktuellen Form klar ab. Eine effektive Regelung muss schlank sein und sich auf die systemischen Risiken konzentrieren. Sie muss:

  • allen Stromunternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform oder anderer Kriterien offenstehen;
  • freiwillig sein und keinen Vertragszwang oder eine Unterstellung von Gesetzes wegen vorsehen;
  • Finanzhilfen im Allgemeinen und nicht nur Darlehen vorsehen;
  • den Risikozuschlag nicht auf der Darlehenssumme, sondern dem marktüblichen Darlehenszins berechnen;
  • die Auskunftspflicht ausschliesslich auf Informationen im Zusammenhang mit der Absicherung von Stromhandelsgeschäften beschränken und nur gegenüber der für die Gewährung der Finanzhilfen zuständigen Behörde vorsehen;
  • auf jede strategische und operative Einflussnahme des Bundes (Verstaatlichung) verzichten;
  • alle Aktionäre, Kapitalgeber und Gläubiger gleichbehandeln, wobei die Finanzhilfen und Darlehen nachrangig zu bestehenden Finanzierungen aufzusetzen sind;
  • auf alle weitergehenden regulatorischen Inhalte verzichten
  • und sich in die Schweizer Rechtsordnung einfügen, ohne Verletzung von Verfassungs-, Zivil- und Gesellschaftsrecht.

Lesen Sie hier unsere ausführliche Vernehmlassungsantwort.

Erfahren Sie hier mehr über die Mechanismen von Absicherungsgeschäften. (axpo)