Gebäude wird zum Energiehub – Winterstromproduktion im Inland muss zulegen

Nach dem Nein zum CO2-Gesetz stehen die Kantone umso stärker in der Verantwortung, die Energieeffizienz, den Zubau der Stromerzeugung und die Dekarbonisierung des Gebäudeparks integral voranzutreiben. Das zentrale Element der Gebäudepolitik bleiben die kantonalen Mustervorschriften (MuKEn). Diese sollen auf das Jahr 2025 überarbeitet werden. An der heutigen Plenarversammlung hat die Energiedirektorenkonferenz (EnDK) die grundsätzliche Stossrichtung dieser Weiterentwicklung festgelegt, die den Titel "Energiehub Gebäude" trägt. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Gebäude mehr und mehr zur zentralen Einheit des Verbrauchs, der Produktion und der Speicherung von Energie wird.
Weiter hat sich die Plenarversammlung mit dem Bundesgesetz über die sichere und saubere Stromversorgung (Mantelerlass) beschäftigt. Die EnDK begrüsst die Stossrichtung der Vorlage, weist aber darauf hin, dass das Parlament insbesondere bei Investitionen in bestehende Grosswasserkraftwerke sowie bei der Absicherung gegenüber sehr tiefen Marktpreisen noch nachbessern muss. Zudem stellt sich für die EnDK die Frage, ob die ambitionierten Ziele mit den vorgesehenen Mitteln erreicht werden können. Diese Frage stellt sich umso dringender, weil mit dem Ende der Verhandlungen zum institutionellen Rahmenabkommen mit der EU ein Stromabkommen in weite Ferne gerückt ist und Stromimporte künftig stärker eingeschränkt werden könnten.
20.08.2021

Das ist eine Medienmitteilung der EnDK – die darin publizierten Inhalte geben nicht notwendigerweise die Meinung des VSE wieder.

 

"Mit oder ohne Stromabkommen braucht die Schweiz eine klare Vision für ihre mittelfristige und langfristige Stromversorgung, um auch in Zukunft über ein stabiles Netz und eine angemessene Versorgungssicherheit zu verfügen", sagte Gastredner und Swissgrid-CEO Yves Zumwald. "Dafür braucht es Klarheit bei den Verantwortlichkeiten für die Versorgungssicherheit. Diese sollte im Rahmen der anstehenden Gesetzesrevisionen geschaffen werden», so Zumwald. Auch die Strombranche steht vor grossen Herausforderungen. "Gute Beziehungen zu unseren europäischen Nachbarn sind entscheidend für die Systemstabilität und die Versorgungssicherheit", sagte Eberhard Röhm-Malcotti, Leiter Energiepolitik EU der Axpo, der ebenfalls ein Gastreferat hielt Die aktuellen Entwicklungen in der EU seien auch eine Chance. "Mit dem European Green Deal hat das Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 für die EU erste Priorität. Das eröffnet hoffentlich neue Möglichkeiten für Kooperationen mit der Schweiz", so Röhm-Malcotti.

Speicherwasserkraft wird noch wichtiger

Die Plenarversammlung hat sich weiter vertieft mit dem Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) auseinandergesetzt, welches demnächst im Parlament beraten wird. Zentraler Punkt der Vorlage ist für die EnDK, dass die Schweiz auch künftig genügend Strom im Inland produziert. Entsprechend stossen die im Mantelerlass erwähnte Weiterführung von Investitionsbeiträgen oder die Möglichkeit zur Ausschreibung von grossen PV-Anlagen bei der EnDK auf Zustimmung. Allerdings fehlt in der Vorlage ein Absicherungsmechanismus für die bestehende Grosswasserkraft. Zudem stellt sich für die EnDK die Frage, ob die ambitionierten Ziele mit den vorgesehenen Mitteln erreicht werden können. Die grösste Herausforderung sieht die EnDK bei der Stromversorgung im Winterhalbjahr. "Die Rolle der Wasserkraft – insbesondere der Speicherkraftwerke – wird künftig noch wichtiger", sagte EnDK-Präsident Mario Cavigelli. Die EnDK begrüsst deshalb die im Mantelerlass vorgesehene, zusätzliche Förderung der Winterstromproduktion. Der Zubau von Speicherwasserkraft gestaltet sich heute sehr schwierig und erfordert die konstruktive Zusammenarbeit aller Akteure, inklusive der Umweltverbände.

Runder Tisch kann keine Wunder vollbringen

Die Kantone sind bestrebt, den Ausbau der Wasserkraft so umweltverträglich wie möglich zu gestalten. Entsprechend engagiert sich die EnDK auch am Runden Tisch Wasserkraft, den Bundesrätin Simonetta Sommaruga ins Leben gerufen hat und an dem neben den Kantonen und der Branche auch die Umweltorganisationen vertreten sind. Allerdings dürfe man vom Runden Tisch keine Wunder erwarten, so Cavigelli.

Die Kantone suchten im Rahmen von Einzelprojekten schon heute das Gespräch mit den Umweltorganisationen. Ökologische Ausgleichsmassnamen seien aber stets sehr orts- und projektspezifisch, weshalb es schwierig sei, auf der Ebene eines nationalen Runden Tisches nationale Lösungen zu finden.

Energiehub Gebäude: Energieeffizienz steigern, erneuerbar heizen und mehr Strom produzieren

Die EnDK-Plenarversammlung hat heute den Startschuss zur Weiterentwicklung der kantonalen Mustervorschriften im Energiebereich (MuKEn) gegeben, die unter dem Titel "Energiehub Gebäude" steht. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Gebäude mehr und mehr zur zentralen Schaltstelle sowohl beim Verbrauch, wie auch bei der Produktion und der Speicherung von Energie werden. Einerseits wird der Energiekonsum im Gebäude durch die rasche Verbreitung von Wärmepumpen und der Elektromobilität stark zunehmen. Andererseits werden die Gebäude immer mehr zu Stromproduzenten, insbesondere durch die zunehmende Installation von Photovoltaik-Anlagen. Das Gebäude spielt zudem eine wichtige Rolle bei der flexiblen Verbrauchssteuerung (beispielsweise von Wärmepumpen) und der Speicherung von Energie (beispielsweise in Elektromobilen oder in thermischen oder elektrischen Speichern). Das übergeordnete Ziel ist für die EnDK weiterhin die Steigerung der Energieeffizienz sowie die Dekarbonisierung des Gebäudeparks. Erfolgreiche Elemente der bisherigen MuKEn sollen übernommen und weiterentwickelt werden. So haben etwa die Vorgaben zum Heizungsersatz und zur Eigenstromproduktion bei Neubauten grosse Wirkung gezeigt. Folgende Eckpunkte sollen deshalb im Vordergrund stehen:

  • Möglichkeit der Gesamtsicht von Wärme und Strom;
  • Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energie beim Heizungsersatz;
  • Erhöhung der Energieeffizienz bei bestehenden Gebäuden;
  • Potenzial zur Eigenstromerzeugung bei bestehenden Bauten adressieren;
  • Anpassung an Stand der Technik, inkl. Möglichkeiten der Digitalisierung;
  • Infrastrukturvorgaben für die Elektromobilität.

Bei der Erarbeitung der neuen Mustervorschriften sind die Fachgruppen der Energiefachstellenkonferenz (EnFK) federführend.

Sie werden sich vorgängig auch mit diversen Stakeholdergruppen austauschen. Erklärtes Ziel ist es, dass die Energiedirektorenkonferenz im Jahr 2025 die neuen Mustervorschriften verabschiedet. Danach sind die einzelnen Kantone bei der Umsetzung federführend.

Fordern heisst auch Fördern

Obwohl sich die allermeisten Massnahmen über die Lebensdauer rechnen, werden durch die angepassten Anforderungen teilweise auch relativ hohe Anfangsinvestitionen nötig. Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur gefordert, sondern auch gefördert wird. Dem Gebäudeprogramm des Bundes und der Kantone kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu und dessen Finanzierung muss langfristig gesichert werden. Zusätzlich sind aber auch Banken und Energieversorger gefordert, innovative Finanzierungslösungen anzubieten, etwa in Form von attraktiven Krediten für energetische Sanierungen (allenfalls mit einer staatlichen Risikoabsicherung) respektive in Form von Contracting-Lösungen. (endk)